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Versprochen ist versprochen!

Fachkräftemangel gibt es nicht nur in der Industrie, auch an den Schulen fehlen Lehrkräfte für Fächer wie Physik und Mathematik. Mit einem Mangelfächererlass hat Nordrhein-Westfalen Quereinsteiger in den Lehrerberuf gelockt: Wechselwilligen Akademikern winkten Festanstellungen und Verbeamtung. Doch vor einem Jahr wurde dieser Erlass kurzerhand aufgehoben. Die umgeschulten Lehrer fühlen sich betrogen.

Von Solveig Bader |
    " Ich hatte immer schon Spaß, mit Kindern etwas zu machen, deswegen hatte ich schon regelmäßig Nachhilfeunterricht erteilt in Mathematik und Physik, und das hatte mir das soviel Spaß gemacht, dass andere sagten: Warum machst du nicht was anderes daraus? "

    Vor zweieinhalb Jahren sattelte Jörg Hornung aus Essen um: vom Diplomingenieur zum Lehrer. Der erfahrene Elektrotechniker und Vater zweier Kinder fühlte sich - wie er selbst sagt - zum Pädagogen berufen. Außerdem sehnte sich der heute 41-Jährige nach geregelten Arbeitszeiten, die er in seinem Beruf vorher nicht kannte. Da kam ihm die Kampagne des Landes Nordrhein Westfalen gerade recht. Händeringend wurden berufserfahrene Akademiker gesucht, die an Schulen Fächer unterrichten sollten, für die es zu wenig Lehrer gab, zum Beispiel Mathematik, Physik oder Kunst. Als sogenannter Seiteneinsteiger bekam Jörg Hornung eine Stelle als Mathematik- und Techniklehrer an der Gustav-Heinemann Gesamtschule in Essen.

    " Es war ein Stück harte Arbeit, neben den 18,5 Stunden, die man pro Woche schon als Unterrichtslehrer gegeben hatte, da noch eine ordentliche Prüfung hinzulegen und es hat erfreulicherweise ziemlich gut geklappt. Im April bin ich fertig geworden. "

    Als Jörg Hornung mit der Lehrerausbildung anfing, wurde ihm versprochen: Er wird Beamter. Obwohl er die gesetzliche Altersgrenze von 35 Jahren bereits überschritten hatte. Denn um fehlende Pädagogen an die Schulen zu locken, hatte die damalige Landesregierung den sogenannten Mangelfächererlass eingeführt. Der sollte bei Seiteneinsteigern eine Ausnahme machen und ihnen bis Mitte 40 den Beamtenstatus ermöglichen. Ein kurzweiliges Privileg. Denn Mitte letzten Jahres wurde der Erlass wieder aufgehoben. Die Folge für Jörg Hornung: Er wird doch kein Beamter, stattdessen nur angestellt. Hinzu kommt: Er wird er nicht nach dem Bundesangestelltentarif BAT bezahlt, der bislang für angestellte Lehrer galt, sondern nach dem neuen Tarif der Länder TVL. Dadurch hat er - trotz Zulagen für Ehe und Kinder - starke finanzielle Einbußen.

    " Die Verbeamtung würde jetzt unterm Strich knappe 500 bis maximal 600 Euro netto mehr bringen. Weil die verbeamteten Lehrer, die müssen nicht in die Rentenkasse einzahlen, in keine Arbeitslosenkasse. Wir haben zwar einen Topf, wo wir für unsere spätere Altersvorsorge auch noch mal etwas Geld einzahlen, aber das würde auch entfallen und der Solidaritätszuschlag entfällt bei Beamten auch. "

    Der frühere Vermessungsingenieur Roland Langosch ist ebenfalls Seiteneinsteiger. Der 41-Jährige unterrichtet 21 Stunden Physik und Erdkunde an der Hauptschule Marienschule in Essen, sieben Stunden in der Woche drückt er noch bis Januar nächsten Jahres die Schulbank im Lehrerseminar. Auch seine anfängliche Begeisterung ist gedämpft.

    " Ich fühle mich schon so ein bisschen wie im Wilden Westen, muss ich sagen. Hier werden ganz klar Vertragsbrüche begangen, und das finde ich schon sehr dubios. "

    Wie es nach der Ausbildung weitergehen soll, weiß Roland Langosch nicht, die Bezirksregierung lasse ihn trotz mehrmaliger Anfragen im Unklaren. Doch für den Seiteneinsteiger steht fest: Im Ernstfall zieht er auch vor Gericht.

    " Sollte ich nicht unter diesen Bedingungen, wie es ursprünglich mir zugesagt worden ist, eingestellt werden, werde ich das sicherlich einklagen, meine Einstufung in den Tarif und natürlich auch die Verbeamtung. "

    Dennoch: Auch wenn eine Menge Geld auf dem Spiel steht: Jörg Hornung und Roland Langosch sind sich sicher, dass der Wechsel in den Lehrerberuf richtig war. Sie könnten zwar auch noch - wie viele andere Kollegen - in ein anderes Bundesland wie zum Beispiel Hessen wechseln. Dort hat der Mangelfächererlass noch Gültigkeit und Lehrer werden besser bezahlt. Doch eigentlich wollen die Essener an ihren Schulen bleiben. Sie blicken aber noch weiter in die Zukunft. Und die macht ihnen noch viel größere Sorgen.

    " Unsere Angst ist dahingehend bei sinkenden Schülerzeiten, dass man eventuell In 10, 15 Jahren sagt: So, die angestellten Lehrer benötigen wir jetzt in dem Umfang auch nicht mehr und die sich jetzt nicht ganz so gut behauptet haben, die entlassen wir jetzt, die könnten ja in die freie Wirtschaft gehen, aber die Wirtschaft ist auch so schnelllebig, auch wenn wir Elektrotechnik studiert haben, dass wir dann höchstwahrscheinlich nicht mehr unterkommen. "