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Verstärkte NATO-Präsenz in Osteuropa
Symbolischer Akt gegenüber Russland

Auf dem NATO-Gipfel in Warschau im vergangenen Jahr wurde beschlossen, dass künftig internationale NATO-Bataillone in Polen und den drei baltischen Staaten präsent sein sollen. Seit einigen Wochen werden die Beschlüsse nun Wirklichkeit, zur Freude der vier Länder. Moskau ist nicht begeistert.

Von Florian Kellermann | 15.02.2017
    Vor dem Schiff stehen Panzer und militärisches Gerät.
    In Bremerhaven wurden die US-Panzer für den NATO-Einsatz in Polen entladen. (Ingo Wagner, picture alliance / dpa)
    Die NATO rüstet auf im östlichen Mitteleuropa, und Polen steht dabei im Mittelpunkt. Denn dort wird es bald nicht nur eines der vier internationalen Bataillone geben, die das Verteidigungsbündnis an seiner Ostgrenze bereit halten will. Nach Polen wird zusätzlich eine US-Panzerbrigade verlegt, die ersten Soldaten und auch Panzer sind schon im Januar eingetroffen. Nämlich in Zagan, auf deutsch Sagan, eine Kleinstadt ganz im Westen von Polen. Bei der Willkommenszeremonie bezeichnete der US-Botschafter die Soldaten als beste Streitkräfte seines Landes. Den Vertretern der polnischen Regierung war ihr Stolz anzumerken. Verteidigungsminister Antoni Macierewicz sagte:
    "Soldaten aus dem Fort Carlston in Colorado, wir begrüßen euch, ganz Polen begrüßt euch. Wir haben lange auf euch gewartet, Jahrzehnte lang. Oft haben wir uns vereinsamt gefühlt, oft haben wir gedacht, dass dieser Tag nicht mehr kommen wird, dass wir die einzigen sind, die die Zivilisation vor der Bedrohung aus dem Osten verteidigen."
    US-Brigade nahe Kaliningrad
    Macierewicz machte klar, dass er von Russland sprach, das die Sicherheit Polens bedrohe. Diese Sichtweise ist breiter Konsens in der polnischen Politik.
    Die US-Brigade wird rund 3.500 Soldaten umfassen und über 87 Panzer verfügen. Sie wird sich an verschiedenen Orten aufhalten, vor allem im südlichen und westlichen Polen.
    Anders das internationale NATO-Bataillon, das in Polen ebenfalls von den USA angeführt wird. Sein Platz wird Orzysz, auf deutsch Arys, in den Masuren sein. Der Ort liegt keine 100 Kilometer entfernt von der Grenze zu Russland, genauer: zur russischen Enklave Kaliningrad.
    In Moskau wird das alles andere als begrüßt. Bei seiner Jahrespressekonferenz erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow:
    "Ich sehe das als ein sehr schlechtes Zeichen. Wenn die NATO keine andere Verwendung für ihre Soldaten findet, als sie an der russischen Grenze zu postieren, dann arbeitet ihre militärische Aufklärung schlecht."
    Russland sieht eine Provokation
    Vor wenigen Tagen ging Lawrow in einem Zeitungsinterview noch einen Schritt weiter: Die Truppenbewegungen der NATO seien eine Provokation, erklärte er.
    Das internationale NATO-Bataillon in Polen mit rund 1.000 Soldaten wird erst ab April aufgebaut. Schon begonnen hat dieser Prozess dagegen in Litauen, wo ein in etwa gleich starkes Bataillon von Deutschland angeführt werden soll. Vor Kurzem besuchte Bundesverteidigungsminister Ursula von der Leyen die ersten dort eingetroffenen Soldaten. Auch in Litauen zeigen die führenden Politiker froh über das Engagement der NATO. Präsidentin Dalia Grybauskeite sagte:
    "Heute können wir sagen, dass wir echte Freunde haben. Das Bataillon kommt zur rechten Zeit an den rechten Ort. Denn wir sehen, wie aggressiv das Kaliningrader Gebiet militärisch aufgerüstet wird, auch mit taktischen Waffen. Das ist eine Bedrohung für uns und für ganz Europa."
    Mit dem Aufbau der Bataillone in den anderen beiden baltischen Staaten soll erst in einigen Monaten begonnen werden. Dennoch sind dort in den vergangenen Wochen schon über 200 US-Soldaten angekommen, außerdem Panzer, sie nehmen an der NATO-Operation mit dem Namen "Atlantic resolve" teil.
    Truppenstationierung als symbolischer Akt
    Letztendlich werden Mitte des Jahres also knapp 7.000 internationale NATO-Soldaten an der Ostgrenze des Bündnisses ihren Dienst tun. Militärexperten sind sich einig, dass sie kein Gegengewicht zu den Kräften darstellen können, die Russland in der Enklave Kaliningrad stationiert hat. Grzegorz Gil von der staatlichen Universität in Lublin:
    "Die Maßnahmen, die der NATO-Gipfel im vergangenen Jahr beschlossen hat, haben vor allem symbolische Bedeutung. Zum ersten Mal wird das militärische Potenzial der NATO ernsthaft über die deutsche Ostgrenze hinaus erweitert. Der Beschluss könnte außerdem eine Grundlage bilden, in der Zukunft tatsächlich ein militärisches Gleichgewicht der baltischen Staaten mit dem Gebiet Kaliningrad herzustellen."
    Die russischen Soldaten dort werden auf mindestens 15.000 geschätzt, sie verfügen außerdem über Mittelstreckenraketen. Erst gestern versetzte Moskau einen Teil seiner Soldaten in dem Gebiet überraschend in Gefechtsbereitschaft - eine Übung, wie es hieß.