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Versteckte Preiserhöhungen bei Lebensmitteln
"Wir haben einen Vormarsch der Mogelpackungen"

50 Prozent mehr "Mogelpackungen" als in den Vorjahren seien in 2018 bislang gemeldet worden, sagte der Verbraucherschützer Armin Valet im Dlf. Vor allem Markenhersteller bedienten sich reduzierter Füllmengen oder anderer Tricks für verdeckte Preiserhöhungen.

Armin Valet im Gespräch mit Georg Ehring | 03.07.2018
    Eine kritische Verbraucherin studiert die Angaben auf einer Mayonnaise Verpackung.
    Ist noch genauso viel drin wie letztes Mal? Der direkte Vergleich zwischen alten und neuen Verpackungen sei im Supermarkt kaum möglich, sagt der Verbraucherschützer Armin Valet. (imago stock&people)
    Georg Ehring: Die Preise stehen unter Druck, gerade im Handel mit Lebensmitteln. In Deutschland ist das Preisniveau niedriger als in vielen anderen Staaten. Klar, dass Hersteller versuchen, mehr vom Kuchen abzubekommen, und manche setzen auf Preiserhöhungen, die man nicht sofort bemerkt: neues Design, neue Packungsgrößen und weniger Inhalt zum Beispiel. Die Verbraucherzentrale Hamburg sammelt solche Fälle, und mit ihrem Lebensmittel-Experten Armin Valet bin ich jetzt telefonisch verbunden. Guten Tag, Herr Valet!
    Armin Valet: Guten Tag.
    Ehring: Herr Valet, werden solche Fälle häufiger?
    Valet: Ja! Das ist auf jeden Fall für das erste Halbjahr 2018 richtig. Wir haben wirklich einen enormen Anstieg. 50 Prozent mehr Mogelpackungen sind uns gemeldet worden gegenüber den letzten sieben Jahren. Da waren es rund 20 im Durchschnitt, 20,5 jedes Jahr, und dieses Mal über 30. Und das zeigt schon eine Tendenz, dass das wieder jetzt aktuell wird für viele Hersteller. Es sind vor allem Markenhersteller, die diese Tricks anwenden, um die Verbraucher da letztendlich hinters Licht zu führen und ihnen nicht reinen Wein einzuschenken, dass etwas teurer geworden ist.
    Ehring: Können Sie da ein paar Beispiele nennen?
    Valet: Ja. Ganz aktuell haben wir jetzt zum Beispiel von Nestlé die Riesenrolle Smarties. Man kann auch sagen: Es ist vielleicht gar nicht schlecht, wenn da nicht so viel drin ist. Aber in der Tat haben die in den letzten vier Jahren zweimal die Füllmenge reduziert, von 170 Gramm auf 150 und jetzt aktuell 130 Gramm. Beim gleichen Preis kommen da in vier Jahren über 30 Prozent Preiserhöhung zusammen. Aber auch Beispiele von Unilever eine Pommes-Soße, die jetzt auch reformuliert wird, wie das neue Wort heißt. Es ist weniger Fett drin, weniger Salz, und dafür muss der Verbraucher auch deutlich mehr bezahlen, weil die Füllmenge reduziert wird, auch über zehn Prozent Preiserhöhung.
    Rezeptur "verschlimmbessert"
    Noch ein Nebensatz dazu: Dazu kommt auch noch, dass diese Rezeptur nicht unbedingt besser geworden ist, sondern man kann fast sagen verschlimmbessert. Es sind jetzt wieder Zusatzstoffe drin, ein Konservierungsstoff, Antioxidationsmittel und weniger Eigelb. Diese Reformulierung ist wirklich ein schwieriges Gebiet und da müssen sich die Verbraucher auf viele Änderungen einstellen.
    Ehring: Das heißt, wenn ich jetzt lese, "Neues Rezept", "gesünder geworden", dann sollte ich als erstes auf das Preisschild gucken und auf die Inhaltsstoffe?
    Valet: Das ist richtig, auf die Füllmenge vor allem. Gerne wird es dann vertuscht oder, sagen wir, übertüncht, diese Werbesprüche, dass auch weniger drin ist. Das ist eine Masche – wir machen die Liste ja schon seit 13 Jahren –, die leider schon lange gang und gäbe ist. Jetzt haben wir wirklich wieder einen Vormarsch der Mogelpackungen.
    Es wird auch nicht mehr so gut informiert. Es gab mal eine Zeit lang, dass wirklich Hinweise auf der Vorderseite drauf waren, dass die Füllmenge geringer wurde beziehungsweise dass es eine neue Füllmenge gibt. Aber das nimmt jetzt wieder ab und man versucht, hier wirklich sich durchzumogeln im wahrsten Sinne des Wortes, und die Verbraucher zahlen dann die Zeche dafür, weil sie das letztendlich gar nicht erkennen können, weil im Supermarktregal ja der Vergleich zwischen Alt und Neu nicht vorhanden ist.
    Den Kilopreis "weiß niemand"
    Ehring: Aber es gibt doch Grundpreise, Preisangaben pro 100 Gramm beispielsweise oder pro Kilogramm oder pro Liter. Kann man sich daran als Verbraucher nicht orientieren?
    Valet: Das ist leider eine Krux, denn wir haben ja nicht die beiden Produkte nebeneinander stehen, wo man dann vergleichen könnte. Kein Mensch weiß, wie teuer ein Kilo Nussnugat-Creme ist oder die angesagte Pommes-Soße. Wie viel die pro Kilo kostet, das weiß niemand. Der Grundpreis ist sehr wichtig im Vergleich zum Beispiel von zwei Marken, die nebeneinander im Supermarkt stehen und eine andere Füllmenge haben. Da kann der Grundpreis weiterhelfen. Aber bei vorher/nachher hilft er nicht weiter, und im Übrigen nimmt es der Handel auch nicht so genau mit der Preisauszeichnung.
    Eine wichtige Referenz für uns für versteckte Preiserhöhungen sind oft falsche Preisschilder, dass da noch das alte Preisschild vorhanden ist und das neue Produkt schon im Laden steht oder im Regal steht, und da können wir sehr viele Händler und Hersteller überführen, dass hier versteckte Preiserhöhungen durchgesetzt wurden.
    "Wir brauchen eine Transparenzplattform"
    Ehring: Sie fordern, die Politik muss eine solche Entwicklung stoppen. Wie das?
    Valet: Ja! Wichtig wäre für uns: Wir sind jetzt am Anfang dieser Reformulierung. Es gibt jetzt erste Runde Tische dazu. Wir wollen ganz klar hier noch mal sagen: Ungerechtfertigte Preiserhöhungen darf es nicht geben. Man kann jetzt nicht pauschal die Preise erhöhen, nur weil man die Rezeptur verändert. Das ist wichtig.
    Und – eine Forderung, die wir seit Jahren erheben, ist: Wir brauchen eine Transparenzplattform, wo wirklich die Hersteller verpflichtet sind, Füllmengenreduzierungen und Füllmengenänderungen anzugeben, damit die Verbraucher per App oder im Internet nachlesen können und auf dem Stand der Dinge sind, dass sie auf Augenhöhe einkaufen und nicht so leicht ausgetrickst werden können.
    Ehring: Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg war das. Herzlichen Dank.
    Valet: Gern geschehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.