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Versteinert und versteigert

Paläontologie. - Morgen werden im Auktionshaus "Christie’s" knapp 200 Fossilien, Meteoriten und Mineralien versteigert, teils zu Preisen von mehreren hunderttausend Euro. Doch was bedeutet es für die Wissenschaft, wenn wertvolle Fossilien plötzlich nicht mehr im Museum, sondern in anonymen Privatsammlungen landen?

Von Michael Stang |
    Paris, in der marmorierten Eingangshalle des Auktionshauses Christie’s. Eric Geneste steht stolz vor dem Prunkstück der Versteigerung, das für mindestens 500.000 Euro weggehen soll: ein 67 Millionen Jahre alter Dinosaurier, 7,5 Meter lang und vier Meter hoch.

    "Hier sehen sie das wichtigste Stück der Auktion: einen kompletten Triceratops. Es gibt weltweit nur vier vollständige Skelette dieses Dinosauriers und das hier ist das größte. Das Naturhistorische Museum in Paris hat nur einen Schädel, aber hier können Sie das ganze Skelett ersteigern und viele andere spektakuläre und interessante Objekte."

    Ein Jahr lang hat der Franzose extravagante Objekte aus der ganzen Welt für die Auktion in Paris zusammengetragen. Eine Etage tiefer im Keller des Auktionshauses zeigt Eric Geneste auf ein paar Holzregale, auf denen nahezu beiläufig nebeneinander gereiht versteinerte Flugsaurier, Mineralien, Meteoriten stehen, auch versteinerte Fische, deren Wert auf weit über 100.000 Euro geschätzt ist. An der Seite ragt wie ein Türsteher das riesige Skelett eines Höhlenbären, daneben in einer Vitrine der Schädel eines Säbelzahntigers – alles, was das finanzkräftige Sammlerherz begehrt.

    "Schauen Sie sich das an. Wir haben auch viele Dinosauriereier. Das hier stammt von Titanosaurus, die sind äußerst selten. Sehen sie sich die Schale an, einfach perfekt. Hier klebt noch der alte Zettel drauf, auf dem steht "Sphere mysterieuse", mysteriöser Ball. Damals wussten die Menschen noch nicht, dass es ein Dinosaurier-Ei ist, es ist sehr ungewöhnlich."

    Nur wenige der Objekte sind für ein paar tausend Euro zu haben. Die meisten der 200 Stücke kosten mehrere zehn- oder sogar hunderttausend Euro. Öffentliche Sammlungen oder Museen können da schon lange nicht mehr mithalten, sagt Eberhard Frey vom Naturkundemuseum Karlsruhe.

    "Also die Teuerungsrate bei Fossilien macht uns natürlich, wenn wir ankaufen wollen, schwer zu schaffen. Ich würde sagen, kein deutsches Institut allein kann es sich erlauben, den fossilen Archaeopteryx zu kaufen, der komplett erhalten ist mit Federn, weil der Preis, der Handelswert einfach absurd hoch ist und es keine Töpfe für uns gibt, so etwas anzukaufen."

    Aber nicht nur die gestiegenen Preise schmerzen die Paläontologen. Das Dilemma solcher Versteigerungen sei ein ganz anderes, sagt der Leiter des Senckenbergmuseums in Frankfurt, Bernd Herkner.

    "In dem Moment, in dem es in Privatbesitz ist, haben wir keinen Zugang mehr, da gab es also auch schon spektakuläre Fälle, wo auch Fossilien verschwunden sind und die dann nie wieder zugänglich gewesen sind, an denen man als Wissenschaftler gerne noch weiter dran gearbeitet hätte. Das ist natürlich ein Verlust oft für die Wissenschaft."

    Einen solchen Standpunkt kann Eric Geneste nicht nachvollziehen. Einer freien Marktwirtschaft könnten sich Museen nicht einfach verschließen. Zudem profitiere die Wissenschaft von solchen Auktionen.

    "Ich glaube, man muss zwei Sachen im Auge behalten. Erstens, es ist ein öffentlicher Verkauf. Alle Museen wissen Bescheid, was verkauft wird. Zum Zweiten können die Museen natürlich mitbieten. Sie können sich einfach Sponsoren suchen und das Fossil ersteigern. Und dann gibt es noch einen dritten Punkt: Wir sprechen hier von Transparenz und offener Marktwirtschaft. Museen können wie jede Privatperson Stücke kaufen und auch wieder verkaufen. Das war in der Vergangenheit nicht der Fall. Das ist doch eine eindeutige Verbesserung."

    Verbesserungen bedarf es Eberhard Frey zufolge an ganz anderer Stelle. Ob Fossilien tatsächlich so einfach verkauft werden können oder nicht doch dem Denkmalschutz unterliegen, ist nur selten zweifelsfrei geklärt. In vielen Ländern – einschließlich Deutschland - ist per Gesetz noch nicht einmal geregelt, was Fossilien juristisch gesehen überhaupt sind.

    "Das Problem ist, dass Fossilien nicht von Menschen gemacht sind, sie haben eigentlich keinen Rechtsstatus. Sie sind wie Steine, aber doch nicht wie Steine, weil sie was anderes sind und da sind die Juristen etwas aufgeschmissen."

    Ob es sich bei wichtigen Fossilien um schützenswerte bewegliche Bodendenkmäler handelt – darüber entscheidet hierzulande jedes Bundesland selber. Es gibt kein bundesweit geltendes Fossilienschutzgesetz. Dadurch verschwinden spektakuläre Fossilien immer öfter in anonymen Privatsammlungen und sind damit für die Wissenschaft verloren. Juristische Klarheit wäre wünschenswert, sagt auch Rainer Schoch vom Naturkundemuseum in Stuttgart.

    "Deutschland ist sicher eines der Länder, in dem sehr viele Fossilien gefunden werden, die ins Ausland verkauft werden. Es ist nicht immer legal, es ist nur sehr schwer, das nachzuweisen im Einzelfall."

    Bis dahin kommen aber noch weiter Fossilien unter dem Hammer wie morgen in Paris. Bis dahin bleibt Paläontologen wie Rainer Schoch und seinen Kollegen nichts anderes übrig als beim Ausverkauf der Wissenschaft hilflos daneben zu stehen.

    "Natürlich blutet einem das Herz, wenn man das sieht."