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Verstörte Plagegeister

Biologie. - Moskitos finden ihre warmblütige Beute vor allem mit Hilfe des Kohlendioxids, das diese ausatmet. Forscher aus Kalifornien haben nun ein Duftmolekül entdeckt, das die Insekten so durcheinander bringt, dass sie die "Riechorientierung" verlieren. Das schreiben sie im Fachblatt "Nature".

Von Katrin Zöfel | 03.06.2011
    Anopheles gambiae, Aedes aegypti, Culex quinquefasciatus, sie alle haben eins gemeinsam, die Nahrung dieser Moskitoarten ist Blut. Und nebenbei sind sie Überträger von gefährlichen Krankheiten: Malaria, Denguefieber und Elephantiasis, um nur die Bekanntesten zu nennen. Gemeinsam ist diesen Stechmücken aber noch etwas: Ihre Nahrungsquellen finden sie zielsicher bei Tag und Nacht, und zwar weil sie Kohlendioxid wahrnehmen können. Das Gas, das alle Lebewesen ausatmen. Die Insekten folgen dem Kohlendioxidsignal bis zu seinem Ursprung.

    "Je näher die Tiere der Quelle kommen, umso stärker wird das CO2-Signal, und am Ende stechen sie dann zu."

    Der Wissenschaftler Anand Ray forscht an der Universität von California, Riverside. Der Geruchssinn ist für die Tiere entscheidend. Diese Orientierung übers Riechen zu stören, sei deshalb ein guter Weg, um Menschen vor Moskitostichen zu schützen. Alle gängigen Moskitoabwehrmittel basieren auf Gerüchen, die die Stechmücken in die Flucht schlagen sollen. Anand Ray aber setzt nicht einfach generell am Riechorgan der Insekten an, sondern gezielter an den Sinneszellen, die Kohlendioxid wahrnehmen. Er testete Hunderte von flüchtigen Alkoholen, Säurederivaten, Aldehyden, Estern und Ketonen. Mit Erfolg.

    "Wir haben drei verschiedene Klassen von Duftstoffen entdeckt, die auf CO2-Sinneszellen wirken. Die erste blockiert die Sensoren einfach, dann können die Moskitos kein CO2 mehr wahrnehmen. Die zweite wirkt genauso wie das Gas selbst, gaukelt den Tieren also vor, da wäre eine Nahrungsquelle. Die dritte Klasse aber – und die hat uns überrascht –, die ist schon eine ziemlich neue Kategorie."

    Diese dritte Klasse bringt die CO2-Sinneszellen völlig durcheinander. Im Normalfall gibt eine Sinneszelle nur in dem Moment ein Signal an das Gehirn weiter, wenn der Geruch gerade wahrgenommen wird. Die neuen Substanzen reizen die Sinneszellen aber so, dass sie minutenlang Signale ans Gehirn schicken, egal wie lang der Duft tatsächlich vorhanden ist. Die Sinneszellen werden in eine Art Dauererregung versetzt. Die CO2-Wahrnehmung ist gestört. Wie sich die Störung auf das Verhalten der Tiere auswirkt, Anand Ray testete es in einer Art Windkanal für Moskitos. Einer etwa ein Meter langen Röhre, in denen die Tiere mit zwei Kameras genau beobachtet werden können. Am einen Ende der Röhre platzierte Ray eine CO2-Quelle und einen Windgenerator, am anderen Ende ließ er die Tiere losfliegen.

    "Wenn wir sie vorher einem Mix unserer neuen Gerüche aussetzten, waren sie tatsächlich völlig verwirrt und flogen nur im Kreis herum. Sie konnten die CO2-Quelle nicht finden."

    Ohne Duftmix dagegen stürzten sich die Tiere förmlich auf die CO2-Quelle. Innerhalb von Sekunden legten sie den knappen Meter von einem Windtunnelende zum anderen zurück. Der Unterschied war frappierend. Schließlich probierten die Insektenforscher ihre neue Methode auch direkt in Kenia aus. Dort platzierten sie CO2-Quelle und einen kleinen Duftdispenser in traditionellen Hütten, die wiederum waren von einem Gewächshaus umgeben. Über Nacht ließen sie darin Moskitos fliegen. Und immerhin: in Hütten mit den verstörenden Düften fanden sich am Morgen nur halb so viele Stechmücken wie in den Hütten ohne. Das sei zwar längst noch kein wirksamer Schutz gegen übertragbare Krankheiten, dennoch sei die Studie wichtig, sagt der Insektenneurophysiologe Mark Stopfer. Er arbeitet am National Institute of Health in Bethesda.

    "Die Forscher haben gezeigt, dass ihre Idee im Prinzip funktioniert. Sie haben damit einen neuen Ansatz etabliert, mit dem man die Maßnahmen gegen Moskitos ergänzen kann."

    Klar ist bisher nicht, ob die gefundenen Duftstoffe für Menschen unbedenklich sind, außerdem stinken einige von ihnen, denn unter anderem sind es Buttersäurederivate. Anand Ray und seine Kollegen fahnden inzwischen nach weiteren Molekülen, die ihren Erstlingen zwar ähnlich sind, doch für Menschen sicher unschädlich, wenn möglich geruchlos und zudem in noch geringeren Konzentrationen wirksam.