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Vertraue niemandem

Der Leidensdruck der Internetnutzer, private wie professionelle gleichermaßen, ist hoch, etwas für ihre Sicherheit zu tun. In Berlin erörterten jetzt Fachleute auf der Konferenz "The Future of Trust in Computing" Lösungsansätze - und berichteten über schwindendes Vertrauen in die Sicherheit.

Von Mariann Unterluggauer |
    "Vertraue niemanden". Auf dieser Basis funktioniert weder eine Gesellschaft, noch könnte die Computerindustrie ein Geschäft machen und auch das Internet müsste verboten werden. Deshalb würde Ari Schwartz, Vizepräsident des amerikanischen Zentrums für Demokratie und Technologie die Nachricht anders formulieren: "Seien Sie nicht erstaunt, wenn ihr Vertrauen ausgenutzt wird.

    "Im Internet, als regulärer User, haben Sie gar keine andere Chance als zu vertrauen. Per Definition verbinden Sie sich im Internet mit anderen Rechnern. Dabei müssen Sie auf sehr viele Menschen vertrauen können. Sie müssen ihrem Service Provider vertrauen, Sie müssen darauf vertrauen können, dass Ihnen eine Website adäquate Informationen liefert. Sie müssen ihrem Computer und allen Programmen, die sich darauf befinden, vertrauen. Sie müssen darauf vertrauen, dass sie die richtigen Vorkehrungen für ihre Sicherheit getroffen haben. Zu guter Letzt müssen Sie sich also auch selbst vertrauen können. Es ist zu leicht zu sagen: vertraue niemandem. Aber ich muss gestehen, manchmal wäre es nicht schlecht, wenn Menschen ein bisschen misstrauischer sein würden, denn wir wissen, da draußen passieren Übergriffe und es gibt noch mehr, die möglich wären."

    Misstrauen, so Ari Schwartz sei nicht nur gegenüber den Daten angebracht, die man in sozialen Netzwerken hinterlässt und die am Ende des Tages ein sehr genaues Bild über die User ergeben, sondern auch gegenüber jenen Unternehmen, die mit den Besuchern ihrer Webseiten Geld verdienen wollen.

    "Es gibt die Befürchtung, dass Unternehmen mit ihren Webseiten mehr Geld verdienen wollen. Medien verdienen in der Online-Welt weniger und suchen nach neuen Verdienstmöglichkeiten mit ihren Webangebot. Aber auch Internet Service Provider sind daran interessiert, mit ihren Daten Geld zu verdienen. Sie beginnen bereits damit, das Verhalten ihrer Kunden zu beobachten, um diese Daten an Individuen zu verkaufen. Internet Service Provider sind jedoch jene Menschen, denen wir an erster Stelle vertrauen müssen, wenn wir uns im Netz bewegen wollen. Dass die jetzt damit beginnen, aus ihren Informationen Kapital zu schlagen, sorgt für Besorgnis."

    Laut Ari Schwartz beliefern in Großbritannien der Provider "Britische Telekom Broadband", das Medienhaus "Virigin Media" und das Unternehmen "Carphone Warehouse" bereits die Agentur Phrom mit ihren Daten. In den USA bezieht das Unternehmen NebuAd Daten von Providern, um Userprofile zu verfeinern. Die Informationen, die dabei ihren Besitzer wechseln, sind schon deswegen brisant, weil ein Service Provider nicht nur im Besitz von Anschrift und Namen seiner Kunden ist, sondern auch über deren Zahlungsmoral bescheid weiß. In England hat die Debatte darüber, ob dieses Geschäft legal sei, gerade erst begonnen.

    "In den USA sind wir davon überzeugt, dass dies illegal ist. NebuAd sagt, dass sie mit zehn Prozent des Marktes zusammenarbeiten. Aber nachdem sich Juristen anfingen dafür zu interessieren und Kongressmitglieder Bedenken anmeldeten, hat sich NebuAd von zwei der drei größten Firmen, von denen sie anscheinend ihre Daten beziehen, getrennt."

    Allein darauf zu vertrauen, dass im Netz schon alles gut gehen werde, reicht nicht aus. Darauf bedacht zu nehmen, dass Virenprogramme up to date sind, ist zumindest ein Anfang. Aber gegen die Datensammelwut mancher Unternehmen, reicht das nicht mehr aus. Ari Schwartz bleibt heute nach wie vor nicht viel mehr übrig, als den Usern zu empfehlen, beim Schließen des Browsers auch ihre Cookies zu löschen. Aber nicht alle davon sind bösartig und nicht alle davon sichtbar. sogenannte "Flash Cookies" können nicht mehr unter dem Menüpunkt "Voreinstellungen" im Browser eingesehen werden, sondern werden in den Tiefen des Speichers abgelegt. Sorgen bereiten denjenigen, die dafür sorgen wollen, dass Computer und Programme zumindest das machen, was man von ihnen erwartet, noch ganz ein anderer Punkt: Immer mehr Übergriffe im Netz betreffen nicht Firmen, sondern Privatpersonen und deren Rechner. Und denen, so eine weitere weit verbreitete Meinung, fehle das Wissen darüber zu erkennen, ob ihr Rechner von Unbekannt übernommen oder sein Verhalten gerade mit Hilfe von Spyware überwacht wird.

    "Laut Konsumentenberichten wurden in den USA deswegen 2005 eine Million Computer entsorgt. Das ergab ein 6,2 Milliarden Dollar Problem. Dann hat sich am Markt etwas geändert: Es wurde auf diejenigen Werbefirmen Druck ausgeübt, die derartige Dinge unterstützten. Es kam zu Strafverfolgungen und die Sicherheitssoftware wurde verbessert. Das hat das Problem jetzt halbiert. Letztes Jahr betrug die Schadenssumme 3,1 Milliarden Dollar."