Der Betrieb mit Standorten in Meckenheim bei Bonn und Essen verkauft auch frisches Rindfleisch. Bis vor zwei Monaten griffen die Kunden gerne zu. Doch im Dezember sei ein Teil der Waren plötzlich in den Kühlregalen liegengeblieben, sagt Geschäftsführer Wolfgang Ehret:
"Dort war ein Umsatzrückgang von elf Prozent zu verzeichnen insgesamt, wobei die Warengruppe Rindfleisch alleine einen Umsatzrückgang von rund 70 Prozent hat."
Die Folge: Sechs Vollzeit-Mitarbeiter mußten entlassen werden. So wie Rasting geht es derzeit den meisten fleischverarbeitenden Betrieben. Umsatzrückgänge um knapp ein Drittel sind die Regel. So auch in der Fleischwarenfabrik Redlefsen im schleswig-holsteinischen Satrup. Die Firma hat mittlerweile alle Rezepturen auf Schweinefleisch umgestellt. Doch die Produktion einer Wurstsorte mußte komplett eingestellt werden: Rindersalami will heutzutage keiner mehr kaufen.
Seitdem Ende November erstmals bei einem deutschen Rind BSE festgestellt worden war, sind die Fleischtheken merklich leerer geworden. Viele Metzger und Supermärkte bieten inzwischen kaum noch Rindfleisch an, weil sie es nicht mehr los werden. Nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes ist der Rindfleischverkauf in Deutschland seit Beginn der BSE-Krise um 60 Prozent zurückgegangen. Die Fernsehbilder von Tierkadavern, die zu Tiermehl und dann zu Rinderfutter verarbeitet werden, haben vielen Bundesbürgern endgültig den Appetit auf Rinderbraten oder -steak verdorben.
Verschiedene Kunden: "Seit dem BSE-Skandal essen wir kein Rindfleisch mehr, vorläufig nicht. Wir warten erst mal ab, wie die Sache weitergeht." "Also, ich kauf kein Rindfleisch mehr, ich esse auch in der Kantine kein Rindfleisch mehr. Ich esse eigentlich nur noch Schweinefleisch, Fisch oder Geflügel." "Wenn man gesehen hat wie das Tiermehl wie das Futter da hergestellt wurde, was da alles reingemahlen wurde, da vergeht einem der Appetit."
Aber nicht nur der Braten, sondern auch die Wurst, einst Leib- und Magenspeise der Deutschen, ist von vielen Tischen verschwunden. Der Ruf der Wurst ist sogar fast noch schlechter als der des Rindfleischs. Schuld sind zum einen Hersteller, die ihre Ware fälschlicherweise als rindfleischfrei angepriesen hatten. Aber auch die Diskussion über Bestandteile wie Hirn, Innereien und Separatorenfleisch - sprich Knochenfleisch - hat vielen Verbrauchern die Lust auf den Biss in das einst heißgeliebte Würstchen verdorben.
Verschiedene Kunden: "Ich bin auch ganz sparsam geworden mit Wurst kaufen, keine Würstchen und gar nichts." "Leberwurst und so was esse ich natürlich nicht mehr." "Also dieses Würstchen oder Wiener Würstchen habe ich schon lange nicht mehr gekauft." "Ja, man weiß bald wirklich nicht mehr, was man kaufen soll. Also ich kauf nur noch Käse im Moment und Lachs."
Fast die Hälfte der Bundesbürger essen gar keine oder zumindest weniger Wurst. Das ergab eine repräsentative Umfrage, die für das Nachrichtenmagazin "Focus" das Meinungsforschungsinstitut Polis durchgeführt hat. Für die fleischverarbeitende Industrie ist das ein Fiasko. Die Hersteller und ihre 85.000 Beschäftigten fürchten um ihre Zukunft. Thomas Vogelsang, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwarenindustrie:
"Die Fleischwarenindustrie leidet unter dem Vertrauensverlust der Verbraucher und muss gegenwärtig erhebliche Absatzrückgänge verzeichnen. Ich schätze, der Rückgang liegt gegenwärtig bei circa 30 Prozent. Nach meiner Kenntnis haben die meisten Unternehmen der Fleischwarenindustrie Kurzarbeit angemeldet, um die Ausfallsverluste aufzufangen. Wir sehen eine große Gefahr für viele Arbeitsplätze innerhalb der Fleischwarenindustrie. Nach meinen Schätzungen wird jeder siebte oder achte Arbeitsplatz davon betroffen sein. Das wären dann acht bis zehntausend Beschäftigte."
Nach Informationen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gestätten mußten aufgrund der BSE-Krise bereits rund 7000 Beschäftigte in Kurzarbeit, darunter auch Mitarbeiter von Schlachthöfen und Futtermittelfabriken. Die Bundesanstalt für Arbeit spricht hingegen von 4.600 Beschäftigung, allerdings nur des Nahrungsmittelgewerbes, die wegen des Rindfleisch-Skandals in Kurzarbeit geschickt wurden. Tendenz steigend. Besonders betroffen ist der Kreis Gütersloh sowie Bielefeld in Ost-Westfalen, Hauptstandort der deutschen Fleischwarenherstellung.
Dort sind fast 4000 Menschen in der fleischverarbeitenden Industrie beschäftigt. 13 Betriebe haben bereits Kurzarbeit angemeldet. Davon sind bislang insgesamt etwa 800 Mitarbeiter betroffen. In vielen fleischverarbeitenden Betrieben schwankt die Stimmung derzeit zwischen Sorge und der Hoffnung, noch einmal mit einem blauen Auge davonzukommen. Rasting-Betriebsleiter Herbert Eich:
"Die Leute haben natürlich Angst jetzt um ihren Arbeitsplatz. Sie kennen den Ernst der Lage. Aber wir konnten sie beruhigen mit unseren Verkaufszahlen, die sich in den letzten Wochen stabilisiert haben."
Die meisten fleischverarbeitenden Betriebe haben es bislang vermieden, Kündigungen auszusprechen. Neben der Kurzarbeit versuchen sie die derzeitige Absatzflaute noch aufzufangen, indem sie ihre Mitarbeiter Überstunden und Urlaub abbauen lassen, aber das geht nur für eine kurze Frist. Derweil bemühen sich die Hersteller, das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen. Viele Wursthersteller haben daher ihre Rezepturen geändert und garantieren ihren Kunden, kein Rindfleisch mehr zu verarbeiten. Doch ob das der richtige Weg ist, das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen, ist in der Branche umstritten.
Denn auch reine Schweinefleischwurst ist seit dem BSE-Skandal weniger gefragt. Die Wurst werde sozusagen in Sippenhaft genommen, erklärt ein Wursthersteller dieses Phänomen. Außerdem führte die Umstellung der Rezepturen in einigen Fällen zu Pannen, die die Verbraucher endgültig verunsicherten. Die Lebensmittelkontrolleure fanden in den vergangenen Wochen so manche falsch etikettierte Wurst. Das brachte die gesamte Branche in Verruf. Vor allem den betroffenen Herstellern bescherte es den dramatischen Umsatzeinbruch, den sie eigentlich hatten vermeiden wollen.
Drastischstes Beispiel ist die Fleischwarenfabrik Höll aus dem saarländischen Illingen. Nach Auftreten der ersten BSE-Fälle in Deutschland hatte das Unternehmen den Verbrauchern mitgeteilt, es habe seine Rezepturen geändert und verarbeite nun kein Rindfleisch mehr. Bei einer Überprüfung fand die hessische Lebensmittelüberwachung in den Käsewürstchen des Herstellers jedoch Rinderproteine.
Hessens Sozialministerin Marlies Mosiek-Urban warf dem Hersteller daraufhin öffentlich Verbrauchertäuschung vor. Die Folgen: Höll-Würste blieben in den Regalen liegen. Die Firma musste 300 geringfügig oder befristet Beschäftigte entlassen. Das Unternehmen beharrt weiter darauf, kein Rindfleisch verarbeitet zu haben. Die Analysemethode der Lebensmittelüberwachung sei ungenau gewesen. Nun will die Firma das Ministerium auf Schadensersatz verklagen.
Im Fall des Fleischwarenherstellers Höll behauptet z.B. die Firma, das in den Käsewürstchen nachgewiesene Rinderprotein stamme nicht aus Rindfleisch, sondern aus dem verarbeiteten Käse. Tatsächlich können die Tests der Lebensmittelkontrolleure nach Auffassung von Verbraucherschützern keine ganz eindeutigen Ergebnisse bringen, wenn größere Mengen Käse oder Milcheiweiß in der Wurst enthalten sind. Ansonsten seien die Analysemethoden jedoch sicher. Dennoch seien die verstärkten Lebensmittelkontrollen der letzten Wochen sicherlich nicht alleinige Ursache für den schlechten Ruf der Wurst, sagt Sabine Klein, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
"Zu dem zweifelhaften Ruf der Wurst haben einige Wursthersteller sicherlich auch beigetragen, indem sie eben wirklich alle Grenzen zum Teil ausgeschöpft haben der Zutaten, die sie einsetzen können. Sprich: Viele Wursthersteller haben Separatorenfleisch eingesetzt, was zwar legal war, was aber sicherlich nicht unbedingt etwas in einem Qualitätsprodukt zu suchen hat."
Als Folge der BSE-Krise wurde die Verarbeitung sogenannter Risikomaterialien in der Wurst mittlerweile verboten. Das sind Rückenmark, Hirn, Darm sowie bestimmte Innereien vom Rind. Außerdem darf Separatorenfleisch von der Wirbelsäule des Rindes nicht mehr verwendet werden. Doch viele Verbraucher sehen durch die BSE-Krise aufgedeckt, was sie schon immer ahnten: Nämlich dass in der Wurst alle möglichen unappetitlichen Schlachtabfälle verwertet werden.
Viele Hersteller wie auch die Firma Rasting versichern ihren Kunden, dass sie schon vor der BSE-Krise keines der Risikomaterialien in ihre Wurst gegeben haben. Sie versuchen ihre Kunden derzeit durch Informationen über die einwandfreien Zutaten ihrer Produkte zu überzeugen. Doch der Verbraucher ist zunächst einmal vorsichtig und mißtrauisch geworden. Denn wie soll er feststellen, was in der Wurst, in die er gerade hineinbeißt, wirklich drin ist?
Laut Gesetz dürfen nämlich nach wie vor bestimmte Innereien und auch Separatorenfleisch, wenn es nicht von der Rinderwirbelsäule stammt, verwertet werden. Und auch die Zutatenliste gibt dem Kunden keinen endgültigen Aufschluss über die Bestandteile der Wurst. Schuld daran sind auch die recht unklar gehaltenen Leitsätze für die Wurstherstellung. Sie fordern zum Beispiel, dass die Zutat von Bluteiweiß auf der Packung vermerkt wird. Von welchem Tier es stammt, erfährt der Konsument jedoch nicht. Verbraucherschützer kritisieren schon seit längerem, dass die Bestimmungen für die Wurstherstellung zu ungenau sind.
"In unseren Gesprächen mit unterschiedlichen Lebensmittelüberwachungsämtern haben wir da zum Teil unterschiedliche Interpretationen gehört, was muss jetzt gekennzeichnet werden auf der Zutatenliste, was nicht. Also hier besteht ganz deutlicher Klarstellungsbedarf. Denn wie soll der einzelne Metzger letztlich wissen, was er tun darf, was er angeben muss, wenn sich selbst die Überwachungsämter da streiten."
Deshalb fordern die Verbraucherschützer nun eine Überarbeitung der Leitsätze für die Wurstherstellung. Sie wollen erreichen, dass sie Zutatenliste genaue Auskunft über alle Bestandteile der Wurst geben muss. Das gäbe den Kunden auch endlich die Möglichkeit, hochwertige von minderwertigerer Ware zu unterscheiden. Auch die Fleischwarenindustrie hat inzwischen erkannt, dass ihr die unklare Gesetzgebung mehr schadet als nützt:
"Wir haben beantragt, dass alle Innereien außer Zunge, Leber und Herz aus den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches gestrichen werden, unter anderem deshalb, weil der Fleischwarenindustrie stets die Verwendung von Innereien so z.B. von Hirn vorgehalten wurden und diese Vorhaltungen für die betroffenen Unternehmen oder für die ganze Industrie unerträglich waren."
Dennoch werden die verlorenen Kunden nicht so leicht zurückzugewinnen sein. Es scheint, als hätten viele Verbraucher durch den BSE-Skandal grundsätzlich das Vertrauen in Fleischprodukte verloren.
Verschiedene Kunden: "Schwein ist auch ein Problem. Ich glaube auch nicht, dass das Schwein höchstwahrscheinlich frei ist von diesen ganzen Sachen, weil es früher geschlachtet wird." "Ich hab nie viel Wurst gegessen und Rindfleisch höchstens in letzter Zeit auch nur das argentinische, aber das habe ich eigentlich auch ganz eingestellt." "Vor allen Dingen, wenn man jetzt auch diese Tütchensuppen sieht, was die Angaben da drauf sind. Da steht auch irgend so was von Rindermulch drauf, hab ich heute noch im Büro erzählt. Hab ich weggeworfen."
Manche Kunden haben auch in andere Fleischsorten, zum Beispiel vom Schwein, kein Vertrauen mehr. Vielen ist das Stichwort "Schweinepest" noch im Gedächtnis haften geblieben. Der jüngste Schweinemast-Skandal in Bayern scheint zu bestätigen, daß das Mißtrauen angebracht ist. Jahrelang hatten mehrere bayerische Tierärzte in großem Stil illegale Medikamente an Schweinemäster verkauft. Justiz und die Politik wird auch in diesem Fall vorgeworfen, die Augen vor diesen Machenschaften verschlossen und Hinweisen nicht hinreichend nachgegangen zu sein.
Die Verunsicherung der Verbraucher bekommen auch Importeure von argentinischem Rindfleisch zu spüren. Auch sie klagen über Umsatzeinbußen - obwohl Argentinien als BSE-frei gilt. Mittlerweile lassen viele Verbraucher auch die Finger von Trockensuppen mit Rindfleischbestandteilen. Der Hersteller Maggi verzeichnete im Dezember einen mehr als zehnprozentigen Rückgang bei Rindersuppen und -brühwürfeln. In der "Focus"-Umfrage gaben 18 Prozent der Befragten an, seit Beginn der BSE-Krise Brühwürfel zu meiden.
Auch die Trockensuppenhersteller versuchen derzeit, die Verbraucher zu beruhigen. Das für Brühwürfel und Tütensuppen verwendete Rindfleischkonzentrat komme schon seit langem nur aus Südamerika. Doch die Kunden sind nicht mehr so leicht zu überzeugen. Deshalb sind nach Ansicht der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, NGG, durch die BSE-Krise nicht nur in der Landwirtschaft und in der fleischverarbeitenden Industrie Arbeitsplätze in Gefahr. Der NGG-Vorsitzende Franz-Josef Möllenberg warnt:
"Es könnte sein, dass wenn ich die Fleischwarenindustrie nehme, wenn ich das Fleischerhandwerk nehme, wenn ich die Schlachthöfe nehme, die Futtermittelindustrie, die lederverarbeitende Industrie, dass wir relativ schnell in eine Größenordnung von bis zu 40-, 50-tausend gefährdeten Arbeitsplätzen kommen könnten."
So mussten eine Reihe von Schlachthöfen und Futtermittelhersteller ihre Mitarbeiter bereits in Kurzarbeit schicken. Besonders in den Strudel der BSE-Krise gerissen wurde die Lederindustrie. Ihr schwimmen im wahrsten Sinne des Wortes die Felle davon. Rinderhäute drohen knapp zu werden. Thomas Schröer, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Lederindustrie:
"Aufgrund der BSE-Krise hat sich eine dramatische Rohwaren-Versorgungsproblematik für die Lederindustrie entwickelt, da seit November, seit Auftreten des ersten BSE-Falls die Schlachtungen an Rindern drastisch heruntergegangen sind. Man schlachtet derzeit noch etwa 50 Prozent der üblichen Zahlen, so dass hier schon gravierende Versorgungsprobleme für die Lederindustrie entstanden sind, zumal wir hoch auf die Verarbeitung deutscher Rinderhäute spezialisiert sind."
Die deutschen Hersteller fertigen überwiegend Leder für die Möbel- und Autoindustrie. Dafür eignen sich nur die Häute der in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbreiteten Rinderrassen. Südamerikanische Rinderhäute gibt es weiterhin genug. Doch die sind qualitativ schlechter, unter anderem weil die Tiere dort im Freien leben und ihre Häute daher durch Insektenstiche und Verletzungen beschädigt sind. Hochwertige, großflächige Lederstücke für Möbel lassen sich daraus nicht gewinnen. Einige deutsche Lederhersteller mußten deshalb mangels Rohstoff bereits Kurzarbeit anmelden. Nun befürchtet der Verband der Lederindustrie, dass die BSE-Krise auch in dieser Branche Arbeitsplätze kosten wird. Verbands-Direktor Reinhard Schneider:
"Wir haben in Deutschland 3500 Beschäftigte in der Lederindustrie. Wenn eine Verknappung über einen längeren Zeitraum auftreten würde, dann ist sicherlich zu befürchten, dass ein Stellenabbau notwendig sein wird."
Für die Kunden bedeutet das mangelnde Angebot an Rinderhäuten auf jeden Fall, dass Lederwaren teurer werden. Die Schuhhersteller haben schon Preiserhöhungen um zehn Prozent für die Herbstware angekündigt. Dass nun viele Verbraucher auf ihren Rinderbraten verzichten, kann für sie noch weitere, zunächst ungeahnte Folgen haben. Wer eine Ledercouch bestellt, muß unter Umständen nun etwas länger auf die Lieferung warten. Die Lederindustrie hat bereits an die Möbelhersteller appelliert, bei Bestellungen etwas langfristiger zu disponieren, um Wartezeiten zu vermeiden.
Für die Lederindustrie gibt es jedoch einen kleinen Hoffnungsschimmer auf Entspannung des Rohmarktes. Die Bundesregierung will im Rahmen eines EU-Programms rund 400.000 Rinder schlachten lassen, um den zusammengebrochenen Fleischmarkt zu stützen. Während ihr Fleisch wohl vernichtet wird, hat sich die Lederindustrie die Zusage auf die Häute bereits sichern können. Andere Industriezweige verlangen nun, dass der Staat eingreift, um die Krise zu bewältigen. Franz-Josef Möllenberg von der NGG:
"Unsere Forderung ist relativ einfach: Gesunde Lebensmittel in einer gesunden Umwelt. Und für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Kurzarbeit erleiden, die eventuell von Massenentlassungen bedroht sind, fordern wir materielle Ausgleiche. Es kann nicht nur sein, dass die Landwirte entschädigt werden. Und wir wollen vor allen Dingen, wenn wir qualitativ gute Lebensmittel auch in Zukunft sicherstellen wollen, dass wir dafür qualifiziertes Personal haben und da muss Weiterbildung betrieben werden. Da ist die Politik auch in der Verantwortung."
Letztlich sind sich jedoch alle Seiten einig, dass die Krise nur überwunden werden kann, wenn die Verbraucher bald wieder mehr Rindfleisch essen. Aber wie das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen? Viele Fleischerzeuger und Wursthersteller scheuen derzeit keine Kosten und Mühen, um die Sicherheit ihrer Produkte zu gewährleisten. So gehen sie freiwillig über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus und testen jedes geschlachtete Rind auf BSE. Doch auch das kann viele Verbraucher nicht mehr überzeugen. Denn selbst das Bundesministerium für Verbraucherschutz hat ja erklärt, die Ergebnisse der Tests seien nicht hundertprozentig sicher.
Erst im Spätsommer dieses Jahres soll ein verbesserter BSE-Test auf den Markt kommen, der die Erreger im Blut nachweisen kann. Dann müssten die Tiere nicht mehr geschlachtet werden, um sie zu testen. Doch der Hersteller Boehringer-Ingelheim räumte schon jetzt ein, es bleibe auch bei diesem Test ein Restrisiko bestehen.
Hundertprozentige Sicherheit beim Rindfleisch wird dem Verbraucher also auf absehbare Zeit niemand versprechen können. Die von der BSE-Krise geschüttelten Branchen müßten sich deshalb auf eine lange Durststrecke einstellen, prophezeit die Gewerkschaft NGG. Auch die Hoffnung auf eine rasche Umstellung auf Öko-Produktion sei wohl vermessen. Denn die Verbraucher seien nicht nur mißtrauisch geworden. Zugleich seien sie auch über Jahre hinweg regelrecht dazu erzogen worden, wenig für ihre Lebensmittel auszugeben.
"Da ist aber über einen langen Zeitraum insbesondere der Lebensmitteleinzelhandel, der in den letzten Jahren immer den Verbraucherinnen und Verbrauchern eingeredet hat, es geht noch billiger noch billiger, Qualität spielt keine Rolle. Da ist sicher auch ein Umdenken notwendig."
Umdenken soll nach Ansicht von Verbraucherschützern und Gewerkschaft zum einen die Politik. Sie soll die Verbraucher künftig durch strengere Lebensmittelgesetze und Kontrollen besser schützen. Aber auch die Kunden müssen ihr Kaufverhalten ändern, wollen sie künftig ein qualitativ besseres Angebot. In keinem anderen europäischen Land geben die Verbraucher so wenig für Lebensmittel aus wie in Deutschland. Nur 17 Prozent ihres Einkommens müssen die Bundesbürger im Durchschnitt für Nahrung aufwenden.
Durch die BSE-Krise wird sich das möglicherweise ändern. Die "Focus"-Umfrage ergab, dass fast drei Viertel der Verbraucher bereit sind, künftig mehr für gesunde Nahrungsmittel auszugeben. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa kam zu ähnlichen Ergebnissen. Danach würden drei von vier Kunden einen 25-prozentigen Preisanstieg bei Rindfleisch akzeptieren, wenn die Tiere dafür artgerecht gehalten würden. Nun scheint vielen Kunden klar zu werden: Bei den Kosten für Lebensmittel zu sparen, ist nicht immer ein Gewinn. Denn die Billig-Produktion birgt Risiken, die der Verbraucher letzten Endes vielleicht einmal teuer mit seiner Gesundheit bezahlen muß.
"Dort war ein Umsatzrückgang von elf Prozent zu verzeichnen insgesamt, wobei die Warengruppe Rindfleisch alleine einen Umsatzrückgang von rund 70 Prozent hat."
Die Folge: Sechs Vollzeit-Mitarbeiter mußten entlassen werden. So wie Rasting geht es derzeit den meisten fleischverarbeitenden Betrieben. Umsatzrückgänge um knapp ein Drittel sind die Regel. So auch in der Fleischwarenfabrik Redlefsen im schleswig-holsteinischen Satrup. Die Firma hat mittlerweile alle Rezepturen auf Schweinefleisch umgestellt. Doch die Produktion einer Wurstsorte mußte komplett eingestellt werden: Rindersalami will heutzutage keiner mehr kaufen.
Seitdem Ende November erstmals bei einem deutschen Rind BSE festgestellt worden war, sind die Fleischtheken merklich leerer geworden. Viele Metzger und Supermärkte bieten inzwischen kaum noch Rindfleisch an, weil sie es nicht mehr los werden. Nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes ist der Rindfleischverkauf in Deutschland seit Beginn der BSE-Krise um 60 Prozent zurückgegangen. Die Fernsehbilder von Tierkadavern, die zu Tiermehl und dann zu Rinderfutter verarbeitet werden, haben vielen Bundesbürgern endgültig den Appetit auf Rinderbraten oder -steak verdorben.
Verschiedene Kunden: "Seit dem BSE-Skandal essen wir kein Rindfleisch mehr, vorläufig nicht. Wir warten erst mal ab, wie die Sache weitergeht." "Also, ich kauf kein Rindfleisch mehr, ich esse auch in der Kantine kein Rindfleisch mehr. Ich esse eigentlich nur noch Schweinefleisch, Fisch oder Geflügel." "Wenn man gesehen hat wie das Tiermehl wie das Futter da hergestellt wurde, was da alles reingemahlen wurde, da vergeht einem der Appetit."
Aber nicht nur der Braten, sondern auch die Wurst, einst Leib- und Magenspeise der Deutschen, ist von vielen Tischen verschwunden. Der Ruf der Wurst ist sogar fast noch schlechter als der des Rindfleischs. Schuld sind zum einen Hersteller, die ihre Ware fälschlicherweise als rindfleischfrei angepriesen hatten. Aber auch die Diskussion über Bestandteile wie Hirn, Innereien und Separatorenfleisch - sprich Knochenfleisch - hat vielen Verbrauchern die Lust auf den Biss in das einst heißgeliebte Würstchen verdorben.
Verschiedene Kunden: "Ich bin auch ganz sparsam geworden mit Wurst kaufen, keine Würstchen und gar nichts." "Leberwurst und so was esse ich natürlich nicht mehr." "Also dieses Würstchen oder Wiener Würstchen habe ich schon lange nicht mehr gekauft." "Ja, man weiß bald wirklich nicht mehr, was man kaufen soll. Also ich kauf nur noch Käse im Moment und Lachs."
Fast die Hälfte der Bundesbürger essen gar keine oder zumindest weniger Wurst. Das ergab eine repräsentative Umfrage, die für das Nachrichtenmagazin "Focus" das Meinungsforschungsinstitut Polis durchgeführt hat. Für die fleischverarbeitende Industrie ist das ein Fiasko. Die Hersteller und ihre 85.000 Beschäftigten fürchten um ihre Zukunft. Thomas Vogelsang, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwarenindustrie:
"Die Fleischwarenindustrie leidet unter dem Vertrauensverlust der Verbraucher und muss gegenwärtig erhebliche Absatzrückgänge verzeichnen. Ich schätze, der Rückgang liegt gegenwärtig bei circa 30 Prozent. Nach meiner Kenntnis haben die meisten Unternehmen der Fleischwarenindustrie Kurzarbeit angemeldet, um die Ausfallsverluste aufzufangen. Wir sehen eine große Gefahr für viele Arbeitsplätze innerhalb der Fleischwarenindustrie. Nach meinen Schätzungen wird jeder siebte oder achte Arbeitsplatz davon betroffen sein. Das wären dann acht bis zehntausend Beschäftigte."
Nach Informationen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gestätten mußten aufgrund der BSE-Krise bereits rund 7000 Beschäftigte in Kurzarbeit, darunter auch Mitarbeiter von Schlachthöfen und Futtermittelfabriken. Die Bundesanstalt für Arbeit spricht hingegen von 4.600 Beschäftigung, allerdings nur des Nahrungsmittelgewerbes, die wegen des Rindfleisch-Skandals in Kurzarbeit geschickt wurden. Tendenz steigend. Besonders betroffen ist der Kreis Gütersloh sowie Bielefeld in Ost-Westfalen, Hauptstandort der deutschen Fleischwarenherstellung.
Dort sind fast 4000 Menschen in der fleischverarbeitenden Industrie beschäftigt. 13 Betriebe haben bereits Kurzarbeit angemeldet. Davon sind bislang insgesamt etwa 800 Mitarbeiter betroffen. In vielen fleischverarbeitenden Betrieben schwankt die Stimmung derzeit zwischen Sorge und der Hoffnung, noch einmal mit einem blauen Auge davonzukommen. Rasting-Betriebsleiter Herbert Eich:
"Die Leute haben natürlich Angst jetzt um ihren Arbeitsplatz. Sie kennen den Ernst der Lage. Aber wir konnten sie beruhigen mit unseren Verkaufszahlen, die sich in den letzten Wochen stabilisiert haben."
Die meisten fleischverarbeitenden Betriebe haben es bislang vermieden, Kündigungen auszusprechen. Neben der Kurzarbeit versuchen sie die derzeitige Absatzflaute noch aufzufangen, indem sie ihre Mitarbeiter Überstunden und Urlaub abbauen lassen, aber das geht nur für eine kurze Frist. Derweil bemühen sich die Hersteller, das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen. Viele Wursthersteller haben daher ihre Rezepturen geändert und garantieren ihren Kunden, kein Rindfleisch mehr zu verarbeiten. Doch ob das der richtige Weg ist, das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen, ist in der Branche umstritten.
Denn auch reine Schweinefleischwurst ist seit dem BSE-Skandal weniger gefragt. Die Wurst werde sozusagen in Sippenhaft genommen, erklärt ein Wursthersteller dieses Phänomen. Außerdem führte die Umstellung der Rezepturen in einigen Fällen zu Pannen, die die Verbraucher endgültig verunsicherten. Die Lebensmittelkontrolleure fanden in den vergangenen Wochen so manche falsch etikettierte Wurst. Das brachte die gesamte Branche in Verruf. Vor allem den betroffenen Herstellern bescherte es den dramatischen Umsatzeinbruch, den sie eigentlich hatten vermeiden wollen.
Drastischstes Beispiel ist die Fleischwarenfabrik Höll aus dem saarländischen Illingen. Nach Auftreten der ersten BSE-Fälle in Deutschland hatte das Unternehmen den Verbrauchern mitgeteilt, es habe seine Rezepturen geändert und verarbeite nun kein Rindfleisch mehr. Bei einer Überprüfung fand die hessische Lebensmittelüberwachung in den Käsewürstchen des Herstellers jedoch Rinderproteine.
Hessens Sozialministerin Marlies Mosiek-Urban warf dem Hersteller daraufhin öffentlich Verbrauchertäuschung vor. Die Folgen: Höll-Würste blieben in den Regalen liegen. Die Firma musste 300 geringfügig oder befristet Beschäftigte entlassen. Das Unternehmen beharrt weiter darauf, kein Rindfleisch verarbeitet zu haben. Die Analysemethode der Lebensmittelüberwachung sei ungenau gewesen. Nun will die Firma das Ministerium auf Schadensersatz verklagen.
Im Fall des Fleischwarenherstellers Höll behauptet z.B. die Firma, das in den Käsewürstchen nachgewiesene Rinderprotein stamme nicht aus Rindfleisch, sondern aus dem verarbeiteten Käse. Tatsächlich können die Tests der Lebensmittelkontrolleure nach Auffassung von Verbraucherschützern keine ganz eindeutigen Ergebnisse bringen, wenn größere Mengen Käse oder Milcheiweiß in der Wurst enthalten sind. Ansonsten seien die Analysemethoden jedoch sicher. Dennoch seien die verstärkten Lebensmittelkontrollen der letzten Wochen sicherlich nicht alleinige Ursache für den schlechten Ruf der Wurst, sagt Sabine Klein, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
"Zu dem zweifelhaften Ruf der Wurst haben einige Wursthersteller sicherlich auch beigetragen, indem sie eben wirklich alle Grenzen zum Teil ausgeschöpft haben der Zutaten, die sie einsetzen können. Sprich: Viele Wursthersteller haben Separatorenfleisch eingesetzt, was zwar legal war, was aber sicherlich nicht unbedingt etwas in einem Qualitätsprodukt zu suchen hat."
Als Folge der BSE-Krise wurde die Verarbeitung sogenannter Risikomaterialien in der Wurst mittlerweile verboten. Das sind Rückenmark, Hirn, Darm sowie bestimmte Innereien vom Rind. Außerdem darf Separatorenfleisch von der Wirbelsäule des Rindes nicht mehr verwendet werden. Doch viele Verbraucher sehen durch die BSE-Krise aufgedeckt, was sie schon immer ahnten: Nämlich dass in der Wurst alle möglichen unappetitlichen Schlachtabfälle verwertet werden.
Viele Hersteller wie auch die Firma Rasting versichern ihren Kunden, dass sie schon vor der BSE-Krise keines der Risikomaterialien in ihre Wurst gegeben haben. Sie versuchen ihre Kunden derzeit durch Informationen über die einwandfreien Zutaten ihrer Produkte zu überzeugen. Doch der Verbraucher ist zunächst einmal vorsichtig und mißtrauisch geworden. Denn wie soll er feststellen, was in der Wurst, in die er gerade hineinbeißt, wirklich drin ist?
Laut Gesetz dürfen nämlich nach wie vor bestimmte Innereien und auch Separatorenfleisch, wenn es nicht von der Rinderwirbelsäule stammt, verwertet werden. Und auch die Zutatenliste gibt dem Kunden keinen endgültigen Aufschluss über die Bestandteile der Wurst. Schuld daran sind auch die recht unklar gehaltenen Leitsätze für die Wurstherstellung. Sie fordern zum Beispiel, dass die Zutat von Bluteiweiß auf der Packung vermerkt wird. Von welchem Tier es stammt, erfährt der Konsument jedoch nicht. Verbraucherschützer kritisieren schon seit längerem, dass die Bestimmungen für die Wurstherstellung zu ungenau sind.
"In unseren Gesprächen mit unterschiedlichen Lebensmittelüberwachungsämtern haben wir da zum Teil unterschiedliche Interpretationen gehört, was muss jetzt gekennzeichnet werden auf der Zutatenliste, was nicht. Also hier besteht ganz deutlicher Klarstellungsbedarf. Denn wie soll der einzelne Metzger letztlich wissen, was er tun darf, was er angeben muss, wenn sich selbst die Überwachungsämter da streiten."
Deshalb fordern die Verbraucherschützer nun eine Überarbeitung der Leitsätze für die Wurstherstellung. Sie wollen erreichen, dass sie Zutatenliste genaue Auskunft über alle Bestandteile der Wurst geben muss. Das gäbe den Kunden auch endlich die Möglichkeit, hochwertige von minderwertigerer Ware zu unterscheiden. Auch die Fleischwarenindustrie hat inzwischen erkannt, dass ihr die unklare Gesetzgebung mehr schadet als nützt:
"Wir haben beantragt, dass alle Innereien außer Zunge, Leber und Herz aus den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches gestrichen werden, unter anderem deshalb, weil der Fleischwarenindustrie stets die Verwendung von Innereien so z.B. von Hirn vorgehalten wurden und diese Vorhaltungen für die betroffenen Unternehmen oder für die ganze Industrie unerträglich waren."
Dennoch werden die verlorenen Kunden nicht so leicht zurückzugewinnen sein. Es scheint, als hätten viele Verbraucher durch den BSE-Skandal grundsätzlich das Vertrauen in Fleischprodukte verloren.
Verschiedene Kunden: "Schwein ist auch ein Problem. Ich glaube auch nicht, dass das Schwein höchstwahrscheinlich frei ist von diesen ganzen Sachen, weil es früher geschlachtet wird." "Ich hab nie viel Wurst gegessen und Rindfleisch höchstens in letzter Zeit auch nur das argentinische, aber das habe ich eigentlich auch ganz eingestellt." "Vor allen Dingen, wenn man jetzt auch diese Tütchensuppen sieht, was die Angaben da drauf sind. Da steht auch irgend so was von Rindermulch drauf, hab ich heute noch im Büro erzählt. Hab ich weggeworfen."
Manche Kunden haben auch in andere Fleischsorten, zum Beispiel vom Schwein, kein Vertrauen mehr. Vielen ist das Stichwort "Schweinepest" noch im Gedächtnis haften geblieben. Der jüngste Schweinemast-Skandal in Bayern scheint zu bestätigen, daß das Mißtrauen angebracht ist. Jahrelang hatten mehrere bayerische Tierärzte in großem Stil illegale Medikamente an Schweinemäster verkauft. Justiz und die Politik wird auch in diesem Fall vorgeworfen, die Augen vor diesen Machenschaften verschlossen und Hinweisen nicht hinreichend nachgegangen zu sein.
Die Verunsicherung der Verbraucher bekommen auch Importeure von argentinischem Rindfleisch zu spüren. Auch sie klagen über Umsatzeinbußen - obwohl Argentinien als BSE-frei gilt. Mittlerweile lassen viele Verbraucher auch die Finger von Trockensuppen mit Rindfleischbestandteilen. Der Hersteller Maggi verzeichnete im Dezember einen mehr als zehnprozentigen Rückgang bei Rindersuppen und -brühwürfeln. In der "Focus"-Umfrage gaben 18 Prozent der Befragten an, seit Beginn der BSE-Krise Brühwürfel zu meiden.
Auch die Trockensuppenhersteller versuchen derzeit, die Verbraucher zu beruhigen. Das für Brühwürfel und Tütensuppen verwendete Rindfleischkonzentrat komme schon seit langem nur aus Südamerika. Doch die Kunden sind nicht mehr so leicht zu überzeugen. Deshalb sind nach Ansicht der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, NGG, durch die BSE-Krise nicht nur in der Landwirtschaft und in der fleischverarbeitenden Industrie Arbeitsplätze in Gefahr. Der NGG-Vorsitzende Franz-Josef Möllenberg warnt:
"Es könnte sein, dass wenn ich die Fleischwarenindustrie nehme, wenn ich das Fleischerhandwerk nehme, wenn ich die Schlachthöfe nehme, die Futtermittelindustrie, die lederverarbeitende Industrie, dass wir relativ schnell in eine Größenordnung von bis zu 40-, 50-tausend gefährdeten Arbeitsplätzen kommen könnten."
So mussten eine Reihe von Schlachthöfen und Futtermittelhersteller ihre Mitarbeiter bereits in Kurzarbeit schicken. Besonders in den Strudel der BSE-Krise gerissen wurde die Lederindustrie. Ihr schwimmen im wahrsten Sinne des Wortes die Felle davon. Rinderhäute drohen knapp zu werden. Thomas Schröer, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Lederindustrie:
"Aufgrund der BSE-Krise hat sich eine dramatische Rohwaren-Versorgungsproblematik für die Lederindustrie entwickelt, da seit November, seit Auftreten des ersten BSE-Falls die Schlachtungen an Rindern drastisch heruntergegangen sind. Man schlachtet derzeit noch etwa 50 Prozent der üblichen Zahlen, so dass hier schon gravierende Versorgungsprobleme für die Lederindustrie entstanden sind, zumal wir hoch auf die Verarbeitung deutscher Rinderhäute spezialisiert sind."
Die deutschen Hersteller fertigen überwiegend Leder für die Möbel- und Autoindustrie. Dafür eignen sich nur die Häute der in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbreiteten Rinderrassen. Südamerikanische Rinderhäute gibt es weiterhin genug. Doch die sind qualitativ schlechter, unter anderem weil die Tiere dort im Freien leben und ihre Häute daher durch Insektenstiche und Verletzungen beschädigt sind. Hochwertige, großflächige Lederstücke für Möbel lassen sich daraus nicht gewinnen. Einige deutsche Lederhersteller mußten deshalb mangels Rohstoff bereits Kurzarbeit anmelden. Nun befürchtet der Verband der Lederindustrie, dass die BSE-Krise auch in dieser Branche Arbeitsplätze kosten wird. Verbands-Direktor Reinhard Schneider:
"Wir haben in Deutschland 3500 Beschäftigte in der Lederindustrie. Wenn eine Verknappung über einen längeren Zeitraum auftreten würde, dann ist sicherlich zu befürchten, dass ein Stellenabbau notwendig sein wird."
Für die Kunden bedeutet das mangelnde Angebot an Rinderhäuten auf jeden Fall, dass Lederwaren teurer werden. Die Schuhhersteller haben schon Preiserhöhungen um zehn Prozent für die Herbstware angekündigt. Dass nun viele Verbraucher auf ihren Rinderbraten verzichten, kann für sie noch weitere, zunächst ungeahnte Folgen haben. Wer eine Ledercouch bestellt, muß unter Umständen nun etwas länger auf die Lieferung warten. Die Lederindustrie hat bereits an die Möbelhersteller appelliert, bei Bestellungen etwas langfristiger zu disponieren, um Wartezeiten zu vermeiden.
Für die Lederindustrie gibt es jedoch einen kleinen Hoffnungsschimmer auf Entspannung des Rohmarktes. Die Bundesregierung will im Rahmen eines EU-Programms rund 400.000 Rinder schlachten lassen, um den zusammengebrochenen Fleischmarkt zu stützen. Während ihr Fleisch wohl vernichtet wird, hat sich die Lederindustrie die Zusage auf die Häute bereits sichern können. Andere Industriezweige verlangen nun, dass der Staat eingreift, um die Krise zu bewältigen. Franz-Josef Möllenberg von der NGG:
"Unsere Forderung ist relativ einfach: Gesunde Lebensmittel in einer gesunden Umwelt. Und für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Kurzarbeit erleiden, die eventuell von Massenentlassungen bedroht sind, fordern wir materielle Ausgleiche. Es kann nicht nur sein, dass die Landwirte entschädigt werden. Und wir wollen vor allen Dingen, wenn wir qualitativ gute Lebensmittel auch in Zukunft sicherstellen wollen, dass wir dafür qualifiziertes Personal haben und da muss Weiterbildung betrieben werden. Da ist die Politik auch in der Verantwortung."
Letztlich sind sich jedoch alle Seiten einig, dass die Krise nur überwunden werden kann, wenn die Verbraucher bald wieder mehr Rindfleisch essen. Aber wie das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen? Viele Fleischerzeuger und Wursthersteller scheuen derzeit keine Kosten und Mühen, um die Sicherheit ihrer Produkte zu gewährleisten. So gehen sie freiwillig über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus und testen jedes geschlachtete Rind auf BSE. Doch auch das kann viele Verbraucher nicht mehr überzeugen. Denn selbst das Bundesministerium für Verbraucherschutz hat ja erklärt, die Ergebnisse der Tests seien nicht hundertprozentig sicher.
Erst im Spätsommer dieses Jahres soll ein verbesserter BSE-Test auf den Markt kommen, der die Erreger im Blut nachweisen kann. Dann müssten die Tiere nicht mehr geschlachtet werden, um sie zu testen. Doch der Hersteller Boehringer-Ingelheim räumte schon jetzt ein, es bleibe auch bei diesem Test ein Restrisiko bestehen.
Hundertprozentige Sicherheit beim Rindfleisch wird dem Verbraucher also auf absehbare Zeit niemand versprechen können. Die von der BSE-Krise geschüttelten Branchen müßten sich deshalb auf eine lange Durststrecke einstellen, prophezeit die Gewerkschaft NGG. Auch die Hoffnung auf eine rasche Umstellung auf Öko-Produktion sei wohl vermessen. Denn die Verbraucher seien nicht nur mißtrauisch geworden. Zugleich seien sie auch über Jahre hinweg regelrecht dazu erzogen worden, wenig für ihre Lebensmittel auszugeben.
"Da ist aber über einen langen Zeitraum insbesondere der Lebensmitteleinzelhandel, der in den letzten Jahren immer den Verbraucherinnen und Verbrauchern eingeredet hat, es geht noch billiger noch billiger, Qualität spielt keine Rolle. Da ist sicher auch ein Umdenken notwendig."
Umdenken soll nach Ansicht von Verbraucherschützern und Gewerkschaft zum einen die Politik. Sie soll die Verbraucher künftig durch strengere Lebensmittelgesetze und Kontrollen besser schützen. Aber auch die Kunden müssen ihr Kaufverhalten ändern, wollen sie künftig ein qualitativ besseres Angebot. In keinem anderen europäischen Land geben die Verbraucher so wenig für Lebensmittel aus wie in Deutschland. Nur 17 Prozent ihres Einkommens müssen die Bundesbürger im Durchschnitt für Nahrung aufwenden.
Durch die BSE-Krise wird sich das möglicherweise ändern. Die "Focus"-Umfrage ergab, dass fast drei Viertel der Verbraucher bereit sind, künftig mehr für gesunde Nahrungsmittel auszugeben. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa kam zu ähnlichen Ergebnissen. Danach würden drei von vier Kunden einen 25-prozentigen Preisanstieg bei Rindfleisch akzeptieren, wenn die Tiere dafür artgerecht gehalten würden. Nun scheint vielen Kunden klar zu werden: Bei den Kosten für Lebensmittel zu sparen, ist nicht immer ein Gewinn. Denn die Billig-Produktion birgt Risiken, die der Verbraucher letzten Endes vielleicht einmal teuer mit seiner Gesundheit bezahlen muß.