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Vertrauensverlust der Verbraucher

Angesichts der Krise auf den Finanzmärkten, der aktuellen Datenschutzskandale oder immer neuer Waren- oder Dienstleistungsangebote ist der Verbraucher stark verunsichert. Das hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen in Deutschland (VZBV) festgestellt - und liefert auch Ideen, wie das Vertrauen in Wettbewerb und Politik wiederhergestellt werden kann.

Von Philip Banse |
    Die Lage der Verbraucher ist geprägt von großer Verwirrung und Unsicherheit. Telekommunikation, Gesundheit, Bildung - wo früher der Staat vieles regelte, herrscht jetzt Wettbewerb - das habe Vorteile, aber eben nicht nur, so Gerd Billen, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes:

    "Verbraucher sind zunehmend gefordert, aber auch in vielen Fällen überfordert. Wir sollen beim weihnachtlichen Spielzeugeinkauf zum Hobby-Chemiker werden, die an den Baby-Puppen schnüffeln, um herauszufinden, ob da wichtige Stoffe ausgasen. Wir sollen uns in einem unübersichtlichen Gesundheitsmarkt mit der Frage beschäftigen, welche Art von Zusatzversicherung wir für welche Art von Zähnen kriegen. Und jedes Mal wenn die Gaspreise steigen, ist die einzige Antwort: Wechselt den Gasanbieter in Deutschland - wohl wissend, dass es viele Regionen gibt, in denen ich keine alternativen Anbieter habe."

    Das habe zu einem großen Vertrauensverlust der Verbraucher geführt - in den Wettbewerb aber auch in die Politik. Verbraucherpolitik müsse in der kommenden Legislaturperiode eine viel wichtigere Rolle spielen, so Billen. Die Politik dürfe die Verbraucher in dieser komplexen Welt nicht mehr so alleine lassen, sondern müsse Rahmen und Leitplanken setzen. Denn eine bessere Verbraucherpolitik sei auch eine Antwort auf die Frage: "Wie kommen wir aus der Finanzkrise raus?", so Billen:

    "Verbraucher spielen bei der Lösung dieser Frage eine entscheidende Rolle. Denn mit über 56 Prozent sind privaten Haushalte am Bruttoinlandsprodukt vertreten. Sie sind sozusagen, die größte Gruppe, die bei uns über den Kauf, über die Konjunkturentwicklung bestimmt."

    Einer der wichtigsten Märkte ist die Finanzbranche. Finanzkrise, die Pleiten der Banken Lehmann und Kaupthing - der Vertrauensverlaust in die Geld-Branche sei enorm, sagte Manfred Westphal, Finanzexperte der Verbraucherzentralen, und forderte daher,

    "dass es keine Produkte und Anbieter mehr ohne Kontrolle und Aufsicht geben soll, geben darf, um rechtsfreie Räume erst gar nicht aufkommen zu lassen und um Risiken für Verbraucher und Anleger zu vermeiden. Man kann auch an Vertriebsverbote in einzelnen Bereichen denken, zum Beispiel wie in den USA, wo Zertifikate verboten sind. Das war dann auch ein Grund, warum sie hier besonders stark verkauft worden sind - und oft eben gegen den Bedarf des Anlegers."

    Auch müssten Honorarberater besser gefördert und ausgebildet werden. Denn nur die würden wirklich im Interesse der Verbraucher beraten und nicht nur danach gucken, welche Versicherung die höchste Provision zahlt. Außerdem in Fokus der Verbraucherschützer: Die Energiemärkte. Hier verhindere die Bundesregierung regelmäßig wirklichen Wettbewerb und damit sinkende Preise. So habe Berlin sich in Brüssel etwa erfolgreich dagegen gewehrt, dass die Gasnetze von einer unabhängigen Gesellschaft betrieben werden, um allen Anbietern Zugang zu garantieren. Immer wichtiger werden auch die Rechte der Verbraucher in der digitalen Welt, im Internet. Adresshandel soll ja in Zukunft - wenn das Gesetz durch den Bundestag kommt - nur noch erlaubt sein, wenn der Verbraucher zustimmt, das sei wichtig, sagt Christian Thorun von den Verbraucherzentralen - aber nur ein erster Schritt. Ein weiteres großes Datenschutzproblem im Internet seien auch so genannte Kopplungsgeschäfte:

    "Wenn ich mich bei einem sozialen Netzwerk meinetwegen registrieren lassen möchte, dann muss ich einwilligen, dass meine Daten zu Marketing- und Werbezwecke verwendet werden können. Ansonsten kann ich an diesem Dienst nicht teilhaben. Problem ist natürlich: Viele soziale Netzwerke sind in sich geschlossen. Ich kann also nicht in ein datenschutzfreundliches Netzwerk eintreten und dann mit meinen Kollegen und Freunden aus anderen Netzwerken interagieren. Sondern ich muss mich dem anpassen. Wenn meine Freunde in diesem einen Netzwerk sind, muss ich auch in diesem Netzwerk sein. Und wenn die Nutzungsbedingungen einfach so sind, dass man dafür seine Daten für Werbung- und Marketingzwecke freigeben muss, dann liegt hier ein Zwang vor. Und wir sagen: Solche Zwangsehen darf es in der Zukunft nicht mehr geben."