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Verwandlungskünstler aus Silizium

Bislang war der Trend in der Chipentwicklung ziemlich klar: Schneller sollte die Elektronik werden und vor allem kleiner: Doch diese Miniaturisierung stößt mittlerweile an absolute Grenzen. Also muss etwas Neues her, um auch künftig Fortschritt zu ermöglichen: Die Bausteine sollen sich genauer an die Bedürfnisse der Anwender anpassen lassen.

Von Achim Killer |
    Die Grenzen, denen sich die Halbleiterforscher in jüngster Zeit nähern, sind unüberwindbar. atomos – "unteilbar" sind Elementarteilchen ja. Jedenfalls gilt das, wenn es um die Chip-Entwicklung geht. Und dort sind die Dimensionen mittlerweile tatsächlich auf atomare Maßstäbe geschrumpft. IBMs oberster Halbleiter-Technologe Bernhard Meyerson erläutert, welche Probleme sich daraus für die gängige Methode der Chip-Forscher ergeben. Diese Methode besteht ja darin, die Strukturen auf dem Baustein zu verkleinern und dadurch seine Leistung zu erhöhen. Allerdings müssen die Funktionselemente nicht nur irgendwie schrumpfen, sondern im genau definierten Ausmaß:

    Alle verschiedenen Elemente müssen um einen vorgegebenen Betrag verkleinert werden. Einige Schichten der Transistoren bestehen aber nur noch aus wenigen Atomen. Der Durchmesser eines Atoms bildet also einen relativ großen Teil der gesamten fraglichen Größe. Wenn man eine Schicht dünner machen will, muss man mindestens eine Atom-Lage wegnehmen. Und das macht vielleicht schon 20 Prozent aus. Plus minus 20 Prozent, diese doch nur sehr grobe Möglichkeit, Elemente zu verkleinern, aber verhindert es, die Eigenschaften des Schaltkreises mit der notwendigen Genauigkeit zu bestimmen.

    Deshalb, so Meyerson, werde die Leistung der Halbleiterbausteine in Zukunft nicht mehr so wachsen wie bisher. Zumindest die mit gegenwärtigen Methoden erzielte quantitative Leistungssteigerung dürfte bald ein Ende finden. Um ein quasi qualitatives Wachstum zu ermöglichen, im Sinne dessen, was ein Chip dem Anwender nützt, sei es deshalb nötig, ihn optimal auf dessen Bedürfnisse zuzuschneiden. Oder noch besser, den Anwender selbst das erledigen zu lassen. "Morphing Chips" nennt IBM solche Bausteine. Chips, die erst beim Anwender ihre endgültige Funktionalität bekommen. Noch gibt es sie nicht. Aber die Methoden, mit denen sie später einmal optimiert werden sollen, die hat IBM schon entwickelt und setzt sie bereits intern ein. Einzelne Elemente wie Transistoren, Widerstände oder Kondensatoren auf dem fertigen Halbleiter-Baustein können damit nachträglich wieder entfernt werden. Man kann sich das vorstellen, wie wenn eine Leitung durchbrennt. Bernhard Meyerson:

    Mit dieser Methode kann man tatsächlich ein Stück Software auf dem Chip laufen lassen, das sich sagt: "Hmm, dieser Teil arbeitet nicht optimal, also nehme ich einen Widerstand physisch heraus." Das System passt sich im wahrsten Sinne des Wortes an. Das hört sich vielleicht etwas beängstigend an. Was ist, wenn die Software nicht richtig funktioniert und den halben Prozessor abkoppelt? Da wird es natürlich alle nur erdenklichen Kontrollmechanismen geben. Tatsache aber ist, dass ein System im physikalischen Sinn sich selbst optimieren kann, das ist bemerkenswert - und machbar.

    Bereits heute werden Bausteine angeboten, die der Kunde selbst an seine Bedürfnisse anpassen kann. FGPAs, Field Programmable Gate Arrays, heißen die bekanntesten davon. Allerdings diese Chips werden durch den Anwender quasi nur konfiguriert. Er kombiniert die logischen Gatter auf dem Baustein, die NAND- und NOR-Funktionen seinen Zwecken entsprechend. Physisch verändert er den Chip nicht. Deswegen muss aber wiederum die Konfiguration abgespeichert und beim Betrieb abgerufen werden. Und das kostet Leistung. Bausteine hingegen, die erst beim Endanwender ihre physische Gestalt annehmen, die würden eine neue Qualität bedeuten.