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Verwertung von Shredder-Resten aus der Automobilindustrie

Wer sich ein neues Auto kauft, der erwirbt - rein statistisch betrachtet - etwa 700 Kilogramm Stahl, 125 Kilo Kunststoffe und 70 Kilo Aluminium. Wird ein Auto heute verschrottet, dann mit ihm hochwertige Rohstoffe. Die Europäische Union schreibt jetzt vor, dass bis 2015 mindestens 95 Prozent dieses Materials wiedergewonnen werden muss. Eine Maschine, die genau dabei hilft, ist heute mit dem Umweltpreis des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ausgezeichnet worden.

Von Christoph Podewils |
    Wie ein Ort, an dem Umweltschutz betrieben wird, sieht das belgische Scrap-Terminal im Hafen von Antwerpen nicht aus: Schrottberge, wohin das Auge blickt. Alte Waschmaschinen und Kühlschränke hier, Stanzabfälle aus der Industrie da und mittendrin zehn, zwanzig Meter hohe Stapel aus alten Autos. Der Geruch von verbranntem Diesel hängt in der Luft, der Lärmpegel ist enorm.

    Dennoch: Jedes Mal, wenn einer der großen, blauen Kräne mit seinem Greifer in einen der Schrottberge langt, zwei, drei Autos herauszieht und dann in einen tausend PS starken Schredder wirft, dreht sich der Wertstoffkreislauf ein kleines Stückchen weiter. Denn was die Zerkleinerungsmaschine am Ende ausspuckt, ist Grundstoff für neuen Stahl, neues Gummi, neues Kupfer oder neues Aluminium. Von den etwa 500.000 Schrottautos, die jedes Jahr hier landen, wird so schon seit langem 80 Prozent des Materials wiederverwertet. Die restlichen 20 Prozent sind ein graues Gewölle.

    "Das ist jetzt das, was bisher auf der Deponie landete. Und was zukünftig verwertet wird von uns. Das ist die Leichtfraktion, also wie gesagt, vom reinen Aspekt siehts ja nicht besonders lecker aus, nicht besonders schön, man würde meinen naja, ist halt auf der Deponie gelandet, kein Wunder. Aber sie werden gleich sehen, was man daraus alles schönes machen kann."

    sagt Daniel Goldmann vom Wolfsburger Autokonzern Volkswagen. Der Ingenieur hat zusammen mit der Siegerländer Firma Sicon eine Maschine entwickelt, um die unappetitliche Mischung aus zerrissenen Sitzpolstern, aus kleingehäckselten Kupferkabeln, aus zerquetschten Kunststoffarmaturenbrettern automatisch in ihre Einzelteile zu zerlegen. Der Prototyp der Recycling-Maschine steht in einer Halle in Antwerpen, gleich neben den Schottbergen.

    Etwa 20 Tonnen Schreddereste rauschen jeden Tag über ihre Förderbänder, Rüttelsiebe, Gebläse und kleinen Schreddern. Vorläufiges Ziel: Ein etwa vier Meter großes Maschinenteil, das mit seinen weißen, aufgeblasenen Säcken so ähnlich aussieht wie ein riesiger Uralt-Staubsauger.

    "Das hier ist auch das Herzstück der Anlage."

    sagt Heiner Guschal, der Geschäftsführer der Firma Sicon.

    "Die zerkleinerten Schredderrückstände werden hier getrennt in eine fasrige Fraktion, die aus Innenverkleidung, Teppichboden besteht, die durch den Zerkleinerungsprozess auch sehr stark aufgefasert ist und eine Fraktion, die wir als Rohgranulat bezeichnen, in der noch Holzpartikel sind, ansonsten aber überwiegend Hartkunstoffe. Und diese beiden Fraktionen werden in getrennten Strängen weiterbehandelt."

    Am Ende spuckt die Maschine in zwei Behälter schwarz-graues Kunststoffgranulat aus.

    In anderen Containern landen braune Wollflocken, Sand, Kupferkabel, Eisenreste und Staub. Wie neue Rohstoffe sehen die Endprodukte nicht gerade aus. Doch dieser Eindruck täuscht. Die Wollflocken etwa kommen in Kläranlagen zum Einsatz. Damit lässt sich das Wasser aus dem Klärschlamm pressen, bevor dieser verbrannt wird. Bislang wird dazu Kohle verwendet. Auch ein Teil des Kunststoffgranulats soll dazu verwendet werden, neue, wertvolle Industrierohstoffe einzusparen: Der österreichische Stahlkonzern Voest Alpine will die alten Autokunststoffe in seinen Hochöfen als Hilfsmittel zur Stahlproduktion verwenden und damit den Verbrauch von Öl verringern. Der andere Teil des Kunststoffgranulats besteht überwiegend aus PVC. Daraus lässt sich sogar neuer Kunststoff herstellen.

    Durch diese Verwertung lässt sich die Recyclingquote eines Autos von 80 Prozent auf 95 Prozent steigern, verspricht VW – das entspricht dem Ziel der EU-Altautoverordnung für 2015. Auch für diese Leistungen ist das Verfahren vor drei Wochen mit dem Europäischen Umweltpreis "European Business Award for the Environment" ausgezeichnet worden. Heute folgt die Prämierung mit dem Umweltpreis des Bundesverbandes der deutschen Industrie. Denn das Verfahren hat sich auch als wirtschaftlich erwiesen, sagt Heiner Guschal:

    "Die Aufbereitungskosten einer Anlage, sagen wir bei einer Anlage mit ca. 100.000 Tonnen Durchsatz, liegt irgendwo zwischen 60 und 100 Euro pro Tonne. Manuelle Demontage ist um ein Vielfaches teurer. Und im Vergleich zu thermischen Prozessen, Müllverbrennung, ist diese Art der Verwertung deutlich preiswerter. Müllverbrennung liegt für solche Produkte, wie wir sie hier haben oder für Shredderrückstände bei 150 Euro plus. Das heißt, wir liegen schon um die 50 Prozent niedriger als die klassische Müllverbrennung, also mechanisches Aufbereiten macht Sinn."

    Deshalb sind in Europa derzeit sieben Anlagen im Bau oder in der Planung, die Schredder-Reste aufbereiten können: etwa in Frankreich, den Niederlanden und Österreich. Angestoßen wurde der Bau dort wie in Antwerpen vom Volkswagen-Konzern. Warum sich das Unternehmen im Recycling-Geschäft engagiert, erläutert VW-Cheflobbyist Reinhold Kopp:

    "Weil wir eine Verantwortung haben nicht nur für das Produkt, das wir auf den Markt bringen, sondern auch für die umweltfreundliche Entsorgung des Produktes. Und zwar auf eine möglichst umweltfreundliche, energie- und rohstoffsparende Weise und natürlich auf eine möglichst kosteneffiziente Weise."

    Ursprünglich sollte die erste Anlage übrigens in Deutschland, bei Salzgitter, entstehen. Doch ausgerechnet in dem Land, das in Europa mit Abstand die meisten Autos produziert, war bis vor wenigen Monaten das Deponieren die billigste Möglichkeit, das graue Gewölle der automobilen Gesellschaft wieder loszuwerden. Erst jetzt wurde auch hierzulande ein scharfes Deponieverbot für industrielle Abfälle erlassen, wie es in anderen EU-Ländern bereits seit langem gang und gäbe ist.