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Verzicht auf Diesel-Fahrverbote
Umwelthilfe beklagt Macht der Autoindustrie

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Resch, hat den Verzicht auf Dieselfahrverbote in Baden-Württemberg als "Rolle rückwärts" bezeichnet. Der grüne Regierungschef Kretschmann habe sich dem Druck der Automobilindustrie gebeugt, sagte er im DLF. Diese habe zu viel Einfluss auf die Politik.

18.07.2017
    Das Wort Diesel steht an der Innenseite des Tankdeckels eines Dieselautos.
    Sind für die Luftreinhaltung Fahrverbote nötig? (dpa / Karl-Josef Hildenbrand)
    "Ich muss feststellen, dass der Druck der Automobilindustrie auf die Politik so massiv ist, dass selbst ein grüner Ministerpräsident nicht zum ersten Mal einknickt", sagte Resch im Dlf. "Das sollte uns ein bisschen zu denken geben, wer in Deutschland wirklich die Macht hat."
    Die grün-schwarze Landesregierung in Stuttgart will von Fahrverboten absehen, wenn ältere Dieselfahrzeuge nachgerüstet werden. Sie reagiert damit auf rechtliche Bedenken des Bundes.
    "Schmutziger Deal" mit der Industrie
    Das "eheähnliche Verhältnis" zwischen der Automobilindistrie und Regierungen führe zu "schwierigen Situationen für eine Demokratie", kritisierte Resch. Dem baden-württembergischen Regierungschef Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) hielt er allerdings zugute, dass dieser "Eis gebrochen" habe, indem er als erster Ministerpräsident überhaupt Fahrverbote angekündigt habe.
    Jetzt sei Kretschmann einen "schmutzigen Deal" mit der Industrie eingegangen. Die Deutsche Umwelthilfe werde ihm aber einen "Strich durch die Rechnung machen". Morgen werde sich zeigen, ob das Verwaltungsgericht Stuttgart den Verzicht auf die Fahrverbote akzeptieren werde.
    Klage vor dem Verwaltungsgericht
    Das Verwaltungsgericht verhandelt am Mittwoch eine Klage der Umwelthilfe. Im neuen Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt sind die bislang für das kommende Jahr vorgesehenen Fahrverbote als ein Mittel für bessere Luft festgeschrieben. Dieser Plan werde nun "im Wesentlichen entschärft", betonte Resch.
    Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe
    Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (imago stock&people / Jürgen Heinrich)
    Er bemängelte, die schwarz-grüne Landesregierung setze offenbar nur auf eine "vage Ankündigung, dass die Automobilindustrie mit einer Softwarelösung irgendwelche Verbesserungen machen könnte".
    Die vom Verwaltungsgericht bereits geforderte Einhaltung der Luftqualitätswerte in Stuttgart von Januar 2018 an sei damit aber nicht zu bewerkstelligen - "das erreichen Sie ausschließlich über eine weitgehende Aussperrung von Dieselfahrzeugen". Deswegen gehe die Umwelthilfe davon aus, dass dieses Modell vor Gericht scheitern werde.
    Auch Bayern gegen Fahrverbote
    Die bayerische Staatsregierung hat derweil ein Maßnahmenpaket für bessere Luftqualität beschlossen. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte in München, Ziel sei es, so schnell wie möglich den Stickoxid-Grenzwert in den Großstädten einzuhalten.
    Pauschale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge wolle man aber vermeiden. Zu dem Paket zählen die zügige Nachrüstung älterer Diesel-Pkw, eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs, der rasche Ausbau der E-Mobilität und die Förderung des Radverkehrs.
    VDA bekräftigt seine Haltung
    Der Verband der Automobilindustrie (VDA) bekräftigte noch einmal seine Sicht der Dinge, wonach Diesel-Fahrverbote der falsche Weg sind, um die Luftqualität zu verbessern. VDA-Präsident Matthias Wissmann sagte in Berlin, den Verbrennungsmotor politisch abzuschalten, hielte er für einen schweren strategischen Fehler. Allgemeine Leitplanken und Preissignale seien hingegen in Ordnung.
    Gemeinsam mit dem Präsidenten des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, verwies Wissmann auf eine Studie, nach der insgesamt 600.000 Arbeitsplätze in Deutschland direkt oder indirekt an der Entwicklung und am Bau von Diesel- und Benzinautos hängen. Fuest plädierte dafür, anstelle von Verboten eine "Konkurrenz der Technologien" zuzulassen.
    (gri/jasi)