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Vetternwirtschaft un Korruption verhindern jede Modernisierung

Vor dem Parlament von Asunción protestiert die Beamten-Gewerkschaft. Die Regierung will ihre Rentenbeiträge erhöhen und Privilegien streichen. Heute soll das neue Sparprogramm verabschiedet werden, und die Abgeordneten müssen sich durch das Spalier von wütenden Gewerkschaftern kämpfen.

Gaby Weber | 13.11.2002
    Seit Wochen steigen die Paraguayer auf die Barrikaden, täglich wird der Unmut größer. Kleinbauern sperren tagelang die Landstraßen, Unternehmer protestieren, Landwirte blockieren mit Traktoren die Zufahrtswege in die Städte. Sie fordern den Rücktritt von Präsident Luis González Macchi und eine Ablehnung des Sparprogramms. Der erste Sekretär des Beamtenverbandes, Pablo Aquino (sprich: akíno), hat etwa 50 Leute zusammengetrommelt. Allesamt Funktionäre.

    In diesem Moment wird das "Gesetz des wirtschaftlichen Notstandes” beraten. Wir als Gewerkschaft sind nicht grundsätzlich gegen Sparpolitik. Im Gegenteil. Artikel eins bis neun betreffen die Beamten ja nicht. Aber es sollen auch unsere Rentenbeiträge von 14 auf 18 Prozent erhöht und unsere Altersbezüge verringert werden. Das wollen wir verhindern.

    Nicht der Internationale Währungsfonds, wie die Demonstranten meinen, hat das Sparprogramm gefordert. Der IWF fordert lediglich einen ausgeglichenen Staatshaushalt, meint der liberale Senator Francisco de Vargas.

    Im letzten Monat konnten wir die Gehälter nicht rechtzeitig zahlen, weil das Geld in der Staatskasse fehlte. Wir haben vom IWF einen Kredit von 200 Millionen Dollar beantragt, für Landstraßen und den Ausbau unserer Infrastruktur. Bedingung für diesen Kredit ist die Eigenleistung von ebenfalls 200 Millionen. Die wollten wir eigentlich mit dem Verkauf der Telephongesellschaft Copaco aufbringen, die Privatisierung scheiterte aber an internen Widerständen. Deshalb muß das Sparprogramm verabschiedet werden. Wir wollen die Mehrwertsteuer auf elf Prozent anheben, den Rentenbeitrag erhöhen und die Altersbezüge von Polizei und Militärs an die der übrigen Arbeitnehmer anpassen. In Zukunft sollen sich alle mit 93 Prozent ihres letzten Gehaltes begnügen.

    Doch der Protest der Gewerkschafter hatte Erfolg. Die Abgeordneten änderten mehrere Artikel und schickten die Vorlage in die Ausschüsse zurück. Und bis die einen neuen Vorschlag erarbeiten, wird viel Wasser den Rio Paraguay hinunter fließen. Solange bleibt alles beim Alten. Zwar macht das "Alte” die Paraguayer schon lange nicht mehr satt, das Land befindet sich seit sieben Jahren in einer tiefen Rezession, achtzig Prozent der Menschen sind arm, viele der sechs Millionen hungern. Doch es scheint keine politische Kraft zu geben, die die sozialen Proteste in eine politische Alternative verwandeln kann. Immer noch gibt in Paraguay, im Herzen Südamerikas, e i n e Partei seit 55 Jahren ohne Unterbrechung den Ton an: die Colorado-Partei. Sie ist die dienstälteste Regierungspartei der Welt, seit in Mexiko die PRI abgewählt wurde und die KPdSU nicht mehr existiert.

    Die Colorados, das sind die "Roten". Die Farbe sagt aber nichts über ihre Ideologie aus. Die Colorado-Partei hat sich stets als anti-kommunistische Festung verstanden und alles bekämpft, was nur im Entferntesten mit sozialistischen Ideen zu tun haben könnte. Die Parteigrößen kontrollieren den Rauschgifthandel und den Schmuggel von Waren aller Art: nachgemachte Markenartikel, Software und gestohlene Autos. Karriere macht man über die Partei, Vetternwirtschaft und Korruption verhindern einen modernen Staatsapparat. Auch Pablo Aquino, der erste Gewerkschafts-Sekretär, trägt, wie die meisten Demonstranten, ein rotes Halstuch.

    Ich bin Mitglied der ANR, der Nationalen, Republikanischen Vereinigung, wie die Coloradopartei offiziell heißt. Ich habe fast die gesamte Stroessner-Diktatur, dreißig Jahre, im Exil verbringen müssen. Im Moment befindet sich meine Partei im Zustand der totalen Anarchie. Die Anführer respektieren nicht unsere historischen Leitsätze, die die fortschrittlichsten Lateinamerikas und vielleicht der ganzen Welt sind. Unser Parteiprogramm ist humanistisch prägt, es ist nationalistisch und lehnt faschistische Ideen total ab.

    In den 55 Jahren ANR-Regierung gingen alle Modernisierungsversuche an dem Land vorbei. Dabei hatte vieles besser werden sollen in Paraguay , als 1989 der langjährige Diktator, der deutschstämmige Alfredo Stroessner, aus dem Amt gejagt worden war. Freiheit und Wohlstand sollten einziehen. Mit den Nachbarn Brasilien, Argentinien und Uruguay gründete Paraguay den Mercosur, den "gemeinsamen Markt des Südens”. Und einige Jahre ging es bergauf. Doch politische Reformen blieben aus, Vetternwirtschaft und Korruption nahmen sogar zu. Seit Mitte der neunziger Jahre wächst die Volkswirtschaft kaum noch. Ein Importeur klagt:

    Dies ist der schlimmste Moment , den wir je erlebt haben. Meine Kunden haben ihre industriellen Aktivitäten entweder vollkommen eingestellt oder auf ein Drittel heruntergefahren. Es läuft nichts mehr.

    Der gebürtige Uruguayer Mario Tito lebt seit 21 Jahren in Asunción. Er hat es zu etwas gebracht. Heute arbeiten 17 Angestellte in seiner Firma Provindus. Er unterhält ein Büro in São Paulo und in Buenos Aires. Er importiert Industriebedarf, Rohre, Scharniere, Motoren und Kugellager.

    Seit vier Monaten vergeben die Banken keine Darlehen und finanzieren keine Importe mehr. Alte Kredite werden eingetrieben, niemand kann umschulden. Meine Bank begründete das mit dem Länderrisiko. Paraguay sei nicht kreditwürdig.

    Die internationale Finanzwelt zeigt Paraguay die rote Karte. Und das hängt nur zum Teil mit der Wirtschaftskrise Argentiniens und der akuten Finanznot Brasiliens zusammen. Die Probleme sind hausgemacht. Jahrelang pumpten Banken Milliarden ins Land, vor allem in die beiden Wasserkraftwerke Itaipú und Yacyretá . Das meiste Geld versickerte in den Taschen korrupter Politiker, so ein deutscher Sojaexporteur in Asunción:

    Die goldenen Jahre Paraguays sind vorbei. Die großen Gelder aus den Bauten der Wasserkraftwerke sind verbraucht, und jetzt wird die Rechnung kassiert.

    Die Politiker haben ihre Vermögen im Ausland deponiert, in der Schweiz und zunehmend in den USA. Die Rechnung wird dem Volk präsentiert. Und dem geht es täglich schlechter. Zwar herrscht seit fast vierzehn Jahren, zumindest auf dem Papier, Demokratie. Doch für die Armen hat sie weder Freiheit noch Wohlstand gebracht. Die Kochtöpfe sind heute leerer als vor dreizehn Jahren. Viele sehnen sich nach den Zeiten der Diktatur zurück. Demokratie bedeutet, hat der Geschäftsmann Tito beobachtet, daß sich heute die Politiker aller Parteien aus den Töpfen bedienen, während es früher nur der Diktator und seine engsten Vertrauten aus der Colorado-Partei waren.

    Ich schäme mich, es zu sagen. Aber materiell ging es dem Volk unter Stroessner besser. Als er 1989 davon gejagt worden war, waren wir alle glücklich, die Menschenrechte sollten wieder gelten. Aber der wirtschaftliche Aufschwung dauerte nur wenige Jahre. Dann übernahm Carlos Wasmosy die Regierung. Er blähte noch einmal den Beamtenapparat auf und bediente sich zusammen mit seinen Parteifreunden schamlos. Und natürlich kamen äußere Faktoren hinzu. Aber die meisten Leute erinnern sich an bessere Zeiten unter der Diktatur und verdrängen die Repressionen. Immer mehr wünschen sich den Diktator zurück.

    Von 1954 bis 89 hat Alfredo Stroessner das Land beherrscht. Er machte systematisch Jagd auf alle Andersdenkenden, auch auf Widersacher in seiner Partei. Zehntausende wurden gefoltert und ermordet, eine Viertel Million flüchtete in dieser Zeit ins Ausland. Davon will Epifanio Arias nichts wissen. Seit zwanzig Jahren fährt er Taxi. Sein Standplatz ist der Internationale Flughafen.

    Ich bin Stroessner-Anhänger. Sehen Sie, dort hinten.

    An der Heckscheibe klebt ein Aufkleber: ich bin Stronista. Verspricht er sich von Stroessner eine Lösung? Er schüttelt den Kopf. Der frühere Diktator ist 89 Jahre alt und lebt in Brasilia. Er wird wohl nicht mehr zurück kommen. Aber vielleicht der ehemalige General Lino Oviedo? Auch er ist Colorado, und die Armen sehen ihn als Retter in der Not. Auch Epifanio hofft auf seine harte Hand.

    Heute wird nichts mehr respektiert. Die Verbrecher morden wie sie wollen. Alle sind korrupt und niemand fürchtet, erwischt oder bestraft zu werden. Demokratie ist nichts für Lateinamerika. Hier in Paraguay werden die Menschenrechte zu sehr respektiert. Mir gefallen zwar die Menschenrechte, es muss sie geben. Aber sie müssen Grenzen haben. Ein Mörder soll sich nicht hinter den Menschenrechten verstecken können.

    Die Regierung wolle nur Steuern kassieren, jedes Jahr mehr. Und die versickern in dunklen Kanälen. Ob sich Stroessner nicht auch bedient habe?

    Es gab auch damals Korruption. Ich bestreite das nicht. Aber es ging uns besser.

    Er muß an einer Ampel halten. Ein kleines Mädchen, barfuß, in Lumpen, hält seine Hand durch das Autofenster. "Eine Münze”, bettelt es.

    Sehen Sie, bettelnde Kinder hat es unter Stroessner nicht gegeben. Das tut doch weh, diese Mädchen auf der Straße zu sehen.

    Auch unter Stroessner gab es bettelnde Kinder und Kriminalität, aber die Presse wurde zensiert. Die Mehrheit der Bevölkerung lebte in tiefer Armut, nur die Parteispitzen und ein paar Generäle bereicherten sich. Das große Geld kam erst in den letzten Jahren der Stroessner-Diktatur, mit den Milliardenkrediten für den Bau der Wasserkraftwerke Itaipú und Yacyretá. Trotzdem gab es während der Diktatur eine soziale Basis. Polizei und Milizen der Colorado-Partei gingen zwar gegen die Bauernbewegung vor und ermordeten die Anführer, stellten sich dann aber selbst an die Spitze der Agrarbewegung und übernahmen deren Forderung nach einer Landreform. An vielen Orten ging diese Rechnung auf. Und es waren auch andere Zeiten. Damals hatte Paraguay genügend Staats-Land, um es zu verschenken, erinnert sich der deutsche Geschäftsmann Ulrich Bauer.

    Also schon unter Stroessner gabs ja hier eine Landreform. Daß jeder der über 10.000 HA in Ostparaguay oder 20.000 HA im Chaco hatte, zehn Prozent seines Landes aufteilen mußte, und gegen ganz kleine Raten verkaufen. Ich kannte damals selbst, als ich nach Paraguay kam, selbst solche Beispiele, die Bauern haben dann Tabak angebaut und dem Eigentümer das Land dann in Tabak bezahlt. Und das war eigentlich immer leicht für Kleinbauern, hier Land zu bekommen, auch heute noch, durch Landbesetzungen, wo die Leute ja nicht wieder vertrieben werden, das sind ganz seltene Fälle. Und dennoch, sie haben vor allem Urwald besetzt und das Holz so schnell wie möglich verkauft. Und heute, ich hab da Photos gesehen, ist das Land eine Halbwüste, es wächst nur was, wenn es regnet. Und der Wald ist sehr wichtig gegen die austrocknenden Winde, und gegen die Hitze, der ist nicht mehr da. Wenn es einen Monat nicht regnet, dann verdorren die Ernten und die Leute stehen vor dem Nichts. Das ist dann so wie im Nordosten von Brasilien.

    Ulrich Bauer leitet die Alpa Aktiengesellschaft in Asunción. Seine Geschäfte laufen gut, Soja ist auf dem Weltmarkt unbegrenzt abzusetzen. Während die Banken der Industrie und Importeuren Darlehen verweigern, hat er, der Exporteur, keine Schwierigkeiten.

    Wir kaufen bei den Großbauern, oder den mechanisierten Großbauern auf, deren Größe aber auch ständig wächst. Das heißt die kleinen Leute, die 50 oder 100 HA haben, scheiden langsam wieder aus. So wie es ja auch in Brasilien der Fall war und vergrößern die Anzahl der Menschen die Arbeit suchen, viele gehen auch zurück nach Brasilien weil sie von dort stammen. Die es geschafft haben, die die Borderline der Rentabilität überwinden konnten durch Mechanisierung, denen geht es im Moment gut.

    Doch das sind nur wenige. Auch Ulrich Bauer sieht mit Sorge in die Zukunft. Jedes Jahr wächst die Bevölkerung um 2,7 Prozent, das Bildungsniveau und das Pro-Kopf-Einkommen sinken stetig. Es gibt kaum noch Land in Staatsbesitz, das verteilt werden könnte. Die Hälfte der Menschen lebt auf dem Land, aber wirtschaftlich überleben können nur die Großbauern.

    Wir reden ja bei Sojabohnen und Weizen und Mais bei den mechanisierten Bauern von den eingewanderten Brasilianern, das sind ungefähr 30.000 Bauern auf etwa 1,5 Million Hektar. Wir reden bei den Kleinbauern nur von Paraguayern. Leute die keinen Traktor haben, die noch mit Ochsenpflug arbeiten, zum Teil mit Hacke das Unkraut vernichten. Bei Baumwolle müssen sie allerdings auch sprühen, müssen das finanzieren, sie haben wenig Ahnung, wie man Zinsen berechnet und ob man sie erwirtschaftet. Und wir müssen für diese Leute einen Markt schaffen, d amit sie ihre Produkte verkaufen können. Weil es den Menschen hier immer noch nicht klar ist, daß sie auf dem gleichen Weg sind wie Europa, wo der Kleinbauer ja auch vor 200 Jahren in die Stadt gegangen ist, weil er auf dem Land nicht mehr überleben konnte.

    Die Regierung müßte einen Binnenmarkt schaffen, auf dem Kleinbauern ihre Produkte anbieten können. Doch die seit 55 Jahren regierende Colorado-Partei ist durch und durch korrupt. Paraguay hält, was Korruption angeht, den kontinentalen Rekord, so die Nichtregierungsorganisation Transparency International. Und Besserung ist nicht in Sicht.

    Ende September besuchte Unicef das Hochsicherheitsgefängnis Emboscada. Dort sind keine politischen Gefangenen untergebracht, aber die Anführer einer Gefängnis- Revolte jugendlicher Straftäter. Zu der 30-köpfigen Delegation gehörten Richter, Ärzte und der stellvertretende Justizminister. Sie wollten die Haftbedingungen vor Ort überprüfen. Doch diesmal war ihr Besuch nicht Wochen vorher sondern nur einen Tag davor angemeldet worden, so die GTZ-Mitarbeiterin, Andrea Heisel.

    Emboscada ist ein relativ altes Gefängnis, ein altes Gemäuer, und da gibt’s einen Innenhof, einen Patio, wo die uns alles zurecht gemacht haben. Und dann haben einige Gefangene lautstark auf sich aufmerksam gemacht, das sollte erst verhindert werden von den Guardias und es war eigentlich auch nicht unsere Aufgabe, uns darum zu kümmern, und dann haben wir feststellen müssen, dass es mehrere Leute mit Verletzungen hab, einer mit relativ schlimmen Verletzungen, der angab uns gegenüber, er sei von einem Sondereinsatzkommando der Polizei überfallen und zusammen geschlagen worden. Es gab zwei Isolierzellen, die völlig überbelegt waren, die eine mit fünf die andere mit acht Personen. Ich würde schätzen, das sind Zellen vier Meter mal zwei Meter, ohne Licht, ohne Fenster, ohne sanitäre Einrichtungen und die hatten alle extreme Spuren von Gewalteinwirkungen, konnten wir da feststellen und die sich alle unseren Mediziner, die wir dabei hatten, vorgeführt worden. Und eine Staatsanwältin war da, die dann die Strafanzeigen aufgenommen hat.

    Der Richter ordnete eine Untersuchung und die Überweisung der verletzten Häftlinge ins Krankenhaus an. Die Haftanstalt wurde unter Zwangsverwaltung gestellt, und am nächsten Tag stand alles in der Zeitung. Dem Oberstaatsanwalt Marco Antonio Alcaraz ist die Angelegenheit peinlich.

    Die Vorfälle im Hochsicherheitsgefängnis Emboscada dürfen nicht verallgemeinert werden. Gottseidank und dank des Eingreifens unserer Behörden wurden der Zwischenfall entdeckt und entsprechende Schritte eingeleitet.

    Doch bei diesen Untersuchungen kommt nie etwas heraus.

    Die neuen Gesetze, darunter die neue Strafprozeßordnung, haben nicht verhindert, daß Folter eine gängige Verhörmethode geblieben ist, sagt Belarmino Balbuena, Koordinator der Bauernbewegung.. "Die neuen Gesetze funktionieren nur für die Reichen", so der Bauer, "wenn ein Landloser eine Kuh stiehlt, weil er Hunger hat, muß er mit einer Strafe bis zu zehn Jahren rechnen. Wenn ein Gutsbesitzer Landbesetzer erschießt, verdrückt er sich zwei Monate und danach redet niemand mehr davon”. Fast achtzig Tote hat die Bewegung in den letzten Jahren zu verzeichnen, bei den Räumungen besetzter Ländereien werden schwangere Frauen vergewaltigt und mißhandelt”. Kein Verantwortlicher ist dafür unter Anklage gestellt worden. Balbuena koordiniert auch die derzeitigen Proteste gegen die Regierung:

    Wir fordern im Moment nicht den Rücktritt von Präsident González Macchi. Er vertritt wie die anderen Politiker ein Entwicklungsmodell, das der internationale Währungsfonds verordnet. Wenn er morgen abtritt, übernimmt der Präsident des Kongresses - Calaverna – die Regierung. Er hat bislang seine Partei immer auf die offizielle Linie eingeschworen.

    Die Proteste in Paraguay gehen weiter. Jedes Mal geht die Polizei gewalttätiger vor. Die letzte Demonstration setzten die Organisatoren freiwillig aus. Sie hatten Angst, daß hinter den Kulissen der Ex-General Lino Oviedo die Fäden zieht

    Oviedo hat Leute mit krimineller Vergangenheit um sich versammelt. Er hat viel Geld und nutzt die Not der Bauern aus. Er bezahlt sie für die Teilnahme an den Protesten. Er mißbraucht sie für seine Zwecke. Sie gehen auf die Straße, lassen sich von der Polizei zusammen schlagen, und nur Oviedo profitiert davon.

    Der Ex-General plant offensichtlich einen Staatsstreich. Er hatte 1989 den Diktator Stroessner abgesetzt und sich selbst an die Macht gebracht. Er soll den Schmuggel und den Rauschgifthandel koordinieren und gilt als reichster Mann Paraguays. Die USA betrachten ihn – den unberechenbaren Nationalisten und Faschisten - als Bedrohung. Unter anderem wegen der Ermordung des früheren Präsidenten Luis María Argaña sucht ihn die paraguayische Justiz. Brasilien hat ihm politisches Asyl gewährt. Dort übernimmt aber im Januar die linke Arbeiterpartei PT die Regierung, und dann werden sich Oviedo und der fast 90-jährige Stroessner nach einem neuen Wohnort umschauen müssen. Die Zeit drängt. Oviedo muß sich beeilen, wenn er noch in diesem Jahr durch einen Volksaufstand an die Macht gelangen will.