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Vibration wird ausgelöscht

Technik. - Vibrationen von Maschinen belasten nicht nur menschliche Ohren, sondern auch die Bauteile der Maschinen selbst. Wissenschaftler aus fünf Fraunhofer-Instituten beschäftigen sich in einem speziellen Projekt mit diesem Problem. Sie verwenden Piezokeramiken, die mechanische in elektrische Energie und umgekehrt verwandeln können. So kann ein Gegenschall erzeugt werden, der die Vibrationen auslöscht.

Von Wolfgang Noelke |
    Wuchtige, tonnenschwere klotzige Maschinen standen in den Fabrikhallen von gestern. Mit flinken Robotern, schnellrotierenden Werkzeugmaschinen sind heutige Fabrikhallen ausgestattet. Produktionsvorgänge will man immer schneller erledigen. Grenzen der Schnelligkeit werden aber gesetzt von den beweglichen Materialien der Maschinen. Leichtere Komponenten sind zwar schneller, geraten jedoch auch einfacher in gefährliche zerstörerische Eigenschwingungen. Ein Problem, mit dem sich Dr. Tobias Melz am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit in Darmstadt beschäftigt. In einem, wie ein Aquarium aussehenden etwa 40 Zentimeter großem Kubus aus dickem Plexiglas hängt ein Lautsprecher. Eine Seite des Kubus besteht aus einer Metallplatte, die sofort hörbar zu schwingen beginnt, wenn Dr. Melz einen Ton aus dem Lautsprecher sendet. Kabel führen aber auch in hinter der Metallplatte aufgeklebte Plättchen. Die sollen diese Eigenschwingung des Metalls eliminieren:

    "Diese kleinen Plättchen sind piezokeramische Scheiben. Piezokeramiken sind Materialien, die mechanische in elektrische Energie und umgekehrt verwandeln können. In diesem Fall, wenn die Platte schwingt, haben wir mechanische Energie, die schwingt und diese wird gewandelt und wir können mit den Keramiken genau das Gegenteil produzieren. Ich schalte das System noch mal an. Die Störung ist vorhanden und jetzt muss ich hier diese Aktoren so ansteuern, dass ich den perfekten Gegenschall erzeuge. Ich versuche das mal. Letztendlich setze ich die gleiche Frequenz auf die Platte darauf."

    Dr. Melz schwächt mit Gegenschall den Ton um knapp 15 Dezibel. Auf dem Oszilloskop stehen die Wellen zweier Sinuskurven genau gegeneinander:

    " Es ist genau so, dass diese Lautsprecher- Sinuskurve jetzt durch eine Piezo- Sinuskurve überlagert wird, die so angeregt wird, dass die beiden sich auslöschen. Um dieses System zu betreiben, brauch ich ein ganz klein bisschen Piezo-Material. Das ist eine ganz dünne Scheibe, von vielleicht hundert Mikrometer, also Null Komma ein Millimeter Dicke und sehr wenig Energie, um diese elektrisch zu erregen. "

    Doch nicht nur Schwingungen in Flächen lassen sich aktiv dämpfen: Piezokeramiken drehen und biegen auch Rohre und sogar zerklüftete gegossene Leichtmetalle. Das alles nur im Mikro- oder Millimeterbereich, doch das reicht aus, störende oder sogar zerstörende Schwingungen aktiv abzufangen. Beispielsweise bei Triebwerkaufhängungen in Flugzeugen oder bei Motoraufhängungen. Die Systeme sind bereits lernfähig und reagieren auf wechselnde Belastungen und die damit verbundenen unterschiedlichen Resonanzfrequenzen selbständig. Das Vorbild für die aktive Schwingungsdämpfung ist beispielsweise ein Mensch, dem das Balancieren eines bis zum Rand gefüllten Wasserglases mehr oder weniger gut gelingt. Mit dem Unterschied, dass es die Technik inzwischen perfekt beherrscht. So perfekt, dass sogar die im Wasserspiegel sichtbaren Schwingungen eines rüttelnden Generators, neben dem das Wasserglas auf einer Tischplatte steht, vollständig ausgeblendet werden:

    " Was Sie hier sehen ist eine aktive Lagerung eines Wasserglasbehälters, das heißt: Die Störung, die vom Kompressor kommt, erregt dieses Wasserglas. Wenn ich jetzt diese aktive Verbindung aktiviere, piezokeramisch gegenphasig eingreife, kann ich erreichen, dass dieses Wasserglas - ich mach das jetzt mal - zur Ruhe kommt. Ich betätige den Regler und die Schwingungen, wie Sie sehen können ist verschwunden. Das System ist aktiv gelagert. "

    Preiswerte Steuerungen machen Adaptronik heute bezahlbar und so reicht das Ideenspektrum von der piezosensorischen Unterlegscheibe bis hin zum lautlosen schwingungsfreien Dieselmotor für Forschungsschiffe:

    " Stellen Sie sich vor: Motoren laufen, Sie wollen durch ein Mikroskop schauen und haben kein scharfes Bild. Oder schauen Sie in Richtung Optische Kommunikation: Sie wollen per Laser kommunizieren. Das ist eine zukünftige Applikation, an der wir arbeiten. Und da ist es so, dass feinste Vibrationen diesen Laserstrahl defokussieren. Und wenn Sie diesen Laser aktiv beruhigen können, dann können Sie sicherstellen, dass Sie über viele hunderttausend Kilometer, wie es in der Raumfahrt beispielsweise gebraucht wird, tatsächlich sicher kommunizieren können."
    An einem Tripod werden Werkstücke befestigt: Die wie eine Manschette umschliessenden Piezo-Elemente können Torsion und Biegung in verschiedenen Richtungen ausgleichen.
    An einem Tripod werden Werkstücke befestigt: Die wie eine Manschette umschliessenden Piezo-Elemente können Torsion und Biegung in verschiedenen Richtungen ausgleichen. (Wolfgang Noelke)