
"Sei gutgelaunt, so als ob nichts wäre. Das wird deine Stimmung heben. Positives Denken bewirkt positive Kräfte und beschleunigt die Erfüllung aller deiner Wünsche. Aber du musst dich auch schützen vor fremden Energien. Du willst doch definitiv nicht ferngesteuert sein, oder? Wenn du also einmal deiner Wünsche nicht ganz sicher bist, dann stell dir einfach vor, du seist umgeben von einer unheimlich kraftvollen und sehr, sehr leuchtenden, hellen Sphäre, und du selbst liegst in ihrer Mitte. So schaffst du ein positives, schützendes Feld mit extrem hoher Energie, und fremde Wünsche können dich nicht mehr erreichen."
Die Szenerie, in der einem diese Ratschläge erteilt werden, könnte skurriler nicht anmuten. Eine Figur, deren Geschlecht man nicht wirklich errät, liegt in einem abgedunkelten Zimmer auf einem Podest aus Heuballen, eingehüllt in einen riesigen pinkfarbenen Outdoor-Schlafsack. Nur der Kopf schaut heraus, geschminkt mit einer Fledermaus-Maske, die an den Sänger Gene Simmons der Rockgruppe Kiss erinnert. Der Kopf spricht, über die gesamte Länge des Videos verbreitet er als mumienhaftes Orakel Ratschläge zur Lebenshilfe und erinnert so an die unheimlichen sprechenden Puppenköpfe des amerikanischen Videokünstlers Tony Oursler. Eindrücke von Ourslers schrillen, geisterhaften "Dummies" und der installierten Geisterwelten seines Kumpans Mike Kelley haben offenkundig in Stefan Panhans' Video-Welten Spuren hinterlassen. Aber der gebürtige Rheinländer versetzt die unheimliche Szenerie in ein höchst reales, alltägliches Umfeld. Die Geister sind jetzt Menschen wie du und ich: Aber was ihnen an Geisterhaftigkeit erhalten geblieben ist, ist ihre merkwürdige Steuerung durch ein virtuelles Unbewusstes. Die Phrasen der Lebenshilfe-Industrie kreieren eine Aura unerfüllter Individualität, aus Rollenspielen und Konsumwünschen, die den Medien entstammen und über das Internet beliebig zwischen Fantasie und Wirklichkeit hin- und herkopiert werden können.
Stefan Panhans' Portfolio als PDF-Download von www.stefanpanhans.com
Stefan Panhans' hat in den letzten gut fünfzehn Jahren zahlreiche Videoarbeiten zu dieser von virtuellen Rollenspielen durchsetzten Pseudowirklichkeit geschaffen, vielfigurige, sarkastisch überinszenierte Settings in selbstgebauten Kulissen – so wie in dieser Ausstellung etwa das "Pre-Afterwork-Ok-Clubset" aus dem Jahr 2013, eine Art Fitness-, Trainings- und Ruheraum für seltsam verkleidete Rollenspieler, oder die achtminütige Videoarbeit "Sorry", die in einem nachgebauten Großraumabteil eines Hochgeschwindigkeitszuges angesiedelt ist, in dem sich zahlreiche Widergänger von Alltags- und Medienrollen treffen und aneinander vorbeidrängen, vom Karl Lagerfeld-Verschnitt und dem anonymen pinkfarbigen TV-Bunny bis zu schwerbewaffneten Wichtigtuer-Beamten des Bundesgrenzschutzes.
Am allerstärksten und eindrucksvollsten sind aber Panhans' reduzierte, kammerspielartige Arbeiten, in denen er mit Einzelfiguren in einem völlig alltäglichen Umfeld auskommt. Gleich am Eingang der Ausstellung begegnet man einer Frau auf einem Laufgerät im Fitnesscenter – sie monologisiert nicht, wie bei Panhans sonst üblich, sondern sagt gar nichts: Sie spricht durch ihre Art des Trainings, das eher ein Survival zu sein scheint. Denn die Frau starrt beim Laufen beständig in eine imaginäre Ferne und duckt sich immer wieder weg, als ob sie unsichtbaren Hindernissen oder Geschossen ausweicht. Ohne Worte zeigt eine Arbeit im Obergeschoss der Ausstellung drei Köpfe, die sich anscheinend auf eine nicht hörbare Regieanweisung hin in verschiedene Richtungen wenden, wie beim Casting für Fotoagenturen, und nach beendeter Arbeit kurz ihr natürliches Gesicht wiedererlangen. Bei alldem geht es freilich immer gerade um die Suggestion des Authentischen, Natürlichen in einem extrem künstlichen Umfeld.
In dem Video "Pool" von 2004 lässt Panhans eine junge Frau in scheinbar natürlicher Umgebung in einem Auto sitzen und einen Monolog über die Besetzung eines Films halten, in dem die Schauspieler bloß ganz sie selbst sein und nur keine Rollen kopieren oder annehmen sollen, das wäre schließlich "langweilig". Es ist nicht zu erkennen, ob die Frau vielleicht wirklich mit jemandem spricht, vielleicht über die unsichtbare Freisprechanlage eines Handys. Es könnte aber auch eine Übung für ein bevorstehendes Gespräch sein. Vor allem aber klingt das, was da als Rollenmuster entworfen wird – Sei ganz du selbst! - eigentlich genau wie eine mögliche Rollenbeschreibung für einen Film von Stefan Panhans.