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Videodays in Köln
YouTube als Leitmedium einer Generation

Autogramme waren gestern. Heute stehen Teenager stundenlang für ein Selfie mit einem YouTube-Star an: Die Videodays in Köln geltem als Europas größtes YouTuber-Treffen. Für die einen sind sie Fernsehen und Fotoalben der Zukunft, für die anderen Müllplätze des Internets.

Von Peter Backof | 22.08.2016
    Besucher stehen am 19.08.2016 in Köln beim YouTuber-Treffen "VideoDays" vor der Bühne.
    Besucher stehen am 19.08.2016 in Köln beim YouTuber-Treffen "Videodays" vor der Bühne (picture alliance / dpa / Maja Hitij)
    "Um ein YouTuber zu werden, muss man halt auch was leisten."
    Man muss halt bestimmtes Equipment haben für den Anfang. Also ich will jetzt nicht sagen, dass jeder irgendwie das beste Mikrophon oder sowas haben muss. Man kann mit einer einfachen Kamera anfangen und sich dann immer weiter hoch bauen."
    Karriere als Game - oder: Die totale Verspielisierung des Lebens, kurz: Gamification. Erwerbe technische Fähigkeiten, erwerbe Ansehenspunkte, dann schaffst du den Levelsprung. Vom ersten V-Log und Follow-Me-Around, Formate aus dem Kinderzimmer, zum YouTube-Star. Doch nicht jeder und jede der 12.000 Besucher dieses wohl größten YouTuber-Treffens in Europa will auch selber Star werden. Zwar gehen sie diese Riesenveranstaltung in der Lanxess- Arena, größte Halle Deutschlands, ganz "konzentriert" und "fokussiert" an, in langen Schlangen; aufgeregte Flash-Mob-Atmosphäre, hinter jedem Pfeiler der Arena könnten plötzlich ApeCrime, Dagi Bee, Lisa und Lena, hervorkommen.
    "Oh mein Gott! Lisa und Lena! Ey, die sind draußen!"
    Aber! - Sie sind dann auch mal kritisch und reflektiert. Für die einen geht es Richtung Karriere, für die anderen ist das eine Selbstfindung.
    "Wenn man einmal ein Video hochgeladen hat, ist es schwer wieder runterzuholen. Das ist der Nachteil dran."
    In der Pubertät können sich die Ansichten im Vierteljahrestakt komplett wandeln. Peinlich, was man kürzlich noch von sich gab! Oder so ein Werk dümpelt unangeklickt im Channel herum. Noch peinlicher!
    Leitmedium dieser Generation
    "Ich bin selber YouTuber und dann darf ich auch im Backstage-Bereich hin und das macht richtig viel Spaß, weil man sieht dann Leute, die man so nicht sieht. Da kann man sich unterhalten, was das Jahr über so passiert ist."
    Leandro Palme aus Gelsenkirchen ist – für seine 12 Jahre – schon recht weit gekommen, im Game des Lebens. Einige der 12.000 Besucher der Video Days erkennen ihn. Leandro hat einen YouTube-Kanal mit 20.000 Abonnenten. Hip Hop-Tanz ist sein Bereich. Dort ist er der Kinderstar, der Größere alt aussehen lässt. Eine dieser Nachwuchs-Competitions hat er kommentiert und moderiert, im selbstgedrehten Video, das dann - von YouTube - empfohlen wurde – also Nutzern angezeigt wurde, die danach gar nicht gesucht hatten. Das nächste Upgrade wäre jetzt, dass sie auch Schlange stehen, für ein Selfie mit ihm, wie für ApeCrime, Lisa und Lena. YouTube ist das Leitmedium für diese Generation, das ist der klare Gesamteindruck.
    "Über kurz oder lang wird Fernsehen aussterben, beziehungsweise sich wandeln in eine selbstbestimmtere Form. Es werden immer mehr YouTuber groß werden. Weil die Zielgruppe sich mit denen identifizieren kann. Man sagt: Das ist wie der Typ von nebenan. Ist er ja auch meistens. Und das Gefühl, nicht alleine zu sein, wenn man YouTube guckt: Und ich glaube genau deshalb ist es so unglaublich populär."
    Erklärt Lukas Müller am Stand der Firma Canon. Viele Kamera-, Handy- und Software-Unternehmen haben sich rund um die Arena postiert. Auch die Marketingmaßnahmen sind gamifiziert. Bei Canon gewinnt die "Cinnamon-Challenge", wer am schnellsten einen Löffel Zimt herunterschlucken kann. Die Ergebnisse werden im Netz gestreamt. Staubtrocken macht lustig. "Echt" lustig:
    Lukas Müller: "Was macht ein Video authentisch? Das wird als Marketingmittel eingesetzt, keine Frage. Ich glaube, die Kids sind clever. Die wissen, was ist authentisch und was ist nicht authentisch. Wenn man im authentischen Sektor mitspielen will, muss man das sehr authentisch herstellen."
    Product Placement als Nebenverdienst
    "Ungeschminkt", so heißt eine erfolgreiche Serie auf YouTube. Ungeschminkt im übertragenen Sinn. Auf YouTube ist Kosmetik Thema Nummer 1. Wenn ein Teenager aus seinem Badezimmer sendet, im witzigen Nachwuchsmoderatoren-Ton, dann wirkt das echt, aber ebenso absichtlich sind dann dort Produkte platziert und der Teenager kann sein Taschengeld aufbessern, weil er für Clips, Banner und Product Placement ein bisschen Geld bekommt. Neu ist das grundsätzlich nicht: Auch heute schon lange Erwachsene galten auf dem Schulhof mehr mit Markenturnschuhen, Anreiz und Druck für andere. Neu ist aber schon, wie der Social Media-Gedanke - jeder und jede ist ein potenzieller Prosumer, produziert und konsumiert gleichzeitig – das Medienverhalten der Jugend bestimmt. Mit klar messbaren Erfolgen, anklick-demokratisch. Das könnte man zumindest hineininterpretieren.
    Leandro Palme: "Taschengeld auffüllen und so. Also ich mache es, um Spaß zu haben, nicht um Geld zu verdienen."
    Die Inszenierung der Video-Days ist dann aber doch recht konventionell. Die Stars kommen nicht zum Anfassen um die Ecke. Sie sind abgeschirmt. Sie sind, wie man in Online-Sprache korrekt sagen würde: "geschützt". Ein Selfie mit ihnen, das klappt nur für die wenigsten. Auch das ist natürlich in einem Game des Lebens: Gewollt.