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Videonale in Bonn
Das Leben – Eine Dauerperformance?

Unter dem Leitthema "Perform!" greift das Programm der 16. Videonale den Trend zur Selbstdarstellung in der Leistungsgesellschaft auf. 43 Arbeiten aus der Medienkunst zeigen die Welt dabei als eine Aneinanderreihung von Inszenierungen und regen zum Nachdenken darüber an, welche Mechanismen dahinter stecken.

Von Marco Müller | 16.02.2017
    Ein Frau betrachtet am 14.02.2017 in Bonn im Rahmen der Videonale im Kunstmuseum das Video "As much as anyone" von Banjamin Ramirez Perez.
    Ein Frau betrachtet am 14.02.2017 in Bonn im Rahmen der Videonale im Kunstmuseum das Video "As much as anyone" von Banjamin Ramirez Perez. (picture alliance / Oliver Berg/dpa)
    "No! I got sick, I totally passed out on the stage and i didn't know what was going on for twenty seconds apparently."
    Schauspielen, bis der Arzt kommt, Performen bis zum Umfallen – in Stefan Ramirez –Perez' Film "As much as anyone" erzählen vier Schauspielerinnen davon, wie hart es ist, sich in Los Angeles über Wasser zu halten und wie ihr Leben so zur Dauerperformance wurde. Zusammenbrüche und Krisen auf ihrem Weg stellen sie vor der Kamera nach. Der Film passt gleich in doppelter Hinsicht zum Motto "Perform" der 16. Videonale in Bonn, das für die Leiterin Tasja Langenbach auf der Hand lag:
    "Sei es im Arbeitsleben, sei es, man öffnet den Computer und schaut sich die neuesten Selfievideos an: Es geht ja immer mehr um Inszenierung, sich selbst in Szene zu setzen, seine eigene Leistung in Szene zu setzen. Das war einfach auffällig, dass das Wort "Perform" oder "Perform dich doch mal ein bisschen besser" häufiger zu hören ist. Und dann gibt es natürlich die andere Seite, und das ist eher das künstlerische Moment, wo man auch beobachten kann, dass viele junge Künstler gerade wieder mit performativen Formaten arbeiten."
    Synonym für Leistung und Selbstdarstellung
    Videokunst begann vor 50 Jahren mit Performances vor der Kamera – und doch könnte das Thema kaum aktueller kaum sein. War die "Performance" früher eine Befreiung vom Kunst-Establishment, ist "Performance" heute zum Synonym für Leistung und Selbstdarstellung geworden. Passend dazu erwartet den Videonale-Besucher auf einem der wandgroßen Screens eine Möglichkeit zur Selbstoptimierung in der Leistungsgesellschaft: Ein Coaching-Institut.
    "Hello welcome – please have seat. Make yourself comfortable. So: Is this your first coaching sesssion here? Great!"
    Irgendetwas an dem Institut, das der Zuschauer mit der subjektiven Kamera betritt, stimmt allerdings nicht. Die Angestellten tragen seltsame rosa Uniformen und ihre Sätze wirken stereotyp und irritierend. Der Film "This is not a competition" zeigt Aufnahmen aus einer Kunst-Installation, in der – unter Videobeobachtung – ein fiktives, inszeniertes Coaching-Institut besucht werden konnte. Die Grenze zwischen realitätsnahen und satirischen Elementen darin haben die Künstlerin Ale Bachlechner und ihr Team bewusst aufgehoben.
    "Was wir gern wollten – in dieser Überzeichnung, dass es ganz klar ein Set ist, dass Texte als Slogans erkannt werden – ist, dass du deine Alltagsperformance einfach mal weglassen kannst, weil es nicht eine reale Begegnung ist, die da passiert, sondern es ist ein Spiel. Meine Erfahrung ist: Manchmal setzt da so eine Entspannung ein, dass man sogar ein bisschen was wirklich preisgeben kann.
    Blick in den Spiegel unserer Zeit
    Als Zuschauer erkennt man dabei, dass schon fast das ganze Leben zur Bühne geworden ist. Tasja Langenbach sieht die Videonale als Gelegenheit für die Besucher, inne zu halten, und beim Betrachten der Videos zu hinterfragen, wie nahezu permanente Inszenierungen im Alltag unser Leben prägen:
    "Ich finde es in der Ausstellung spannend verschiedene Momente von Inszenierungen, mit denen wir in unserem Alltag konfrontiert sind, nachzuerleben oder auch vorgespielt zu bekommen und darüber einfach einmal nachzudenken: Was passiert eigentlich, wenn ich mich auf die Straße begebe, den Fernseher anschalte, wenn ich mich Internet bewege? So ein bisschen die Mechanismen dahinter zu verstehen, aber auch die Vielfalt von Inszenierungsmöglichkeiten auf sich wirken zu lassen."
    Wie schön Inszenierungen sein können, zeigt das Video "A Rebours" von Stefan Panhans. Er hat darin ungenügende Bewegungen von Avataren aus Computerspielen mit echten Tänzern zu Musik choreografiert. Ferngesteuert gehen sie ins Nichts und machen digitale Leere und Diskommunikation dreidimensional. Wie hier sind viele Werke auf der Videonale am Ende vor allem ein lohnender Blick in den Spiegel unserer Zeit. Was man sieht, ist nicht immer schön, aber eindrucksvoll, wahrhaftig und regt zum Nachdenken an– gute Kunst eben: Videokunst.