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Viehtrieb in Australien

Stockmen lautet der australische Begriff für die Viehtreiber. Und

Von Margarete Blümel |
    zu diesen Viehtreibern gehören zu einem Gutteil die Ureinwohner
    dieses Kontinents, nicht zuletzt, weil die Aborigines traditionell mit dem Leben und Überleben im Busch vertraut sind. Qualitäten, die inzwischen hoch im Kurs stehen, setzen doch viele Farmer mittlerweile wieder auf die altbewährte Methode des Viehtriebs.

    Vor kurzem erst wurde Mick Campbell von der Leserschaft des Sydney Morning Herald zum typischen Australier gekürt. Eine Auszeichnung, die sich der Fünfzigjährige mit dem breitbeinigen Gang eines langjährigen Reiters allerdings mit einigen hundert seiner Zunft zu teilen hat. Den Stockmen oder drovers, Viehtreibern also, die - wie Mick Campbell - trotz ihres manchmal monatelangen Nomadentums mit niemandem auf dieser Welt ihr Leben zu tauschen bereit sind.

    Es ist diese Herausforderung, verstehen Sie? Nachts zum Beispiel, wenn Sie draußen im Busch schlafen, wenn die Wildhunde, die Dingos, um das Camp herum heulen und Sie denken: ' Mein Gott - wie weit ist es eigentlich bis zum nächsten Ort?!' Und Sie wissen es ganz einfach nicht, sind sich nicht einmal sicher, wo genau Sie sich in dem Moment befinden. Es ist diese Herausforderung, die Sie die ganze Zeit über begleitet.

    Über Tausende von Kilometern hinweg schlagen allein im australischen Bundesstaat New South Wales die Travelling Stock Routes, die Viehtriebrouten, eine Bresche durch das Buschland. Pfade, die vor mehr als hundertsechzig Jahren aus einem Dickicht wildwuchernder Farne, brachliegender Weiden und dichter Wälder entstanden sind. Wege, auf denen fortan, über Wochen und Monate hinweg, Hunderte, manchmal gar Tausende von Rindern, Wasser und Nahrung fanden, um schließlich an ihrem Bestimmungsort, dem Markt oder dem Schlachthof einer grossen Stadt, anzukommen. Pfade, auf denen in Abständen von zumeist 20 Kilometern ein Windrad oder ein Bach Wasser verheißt. Auch für den Stockman und die von ihm mitgeführten Reit - und Packtiere. Pferde, die der Stockman, wann immer nötig, selbst beschlägt.
    Selbstverständlich beschlage ich meine Pferde immer selbst!

    Zugegeben, sagt Mick Keo von der New South Wales Farmers Association, in den oft mehr als fünfzig Meter langen Lastwagen, den roadtrains, gehe der Transport der Tiere sehr viel schneller. Stehe doch einer solchen Fahrt von höchstens zwei, drei Tagen ein manchmal Monate währender Viehtrieb entgegen. Und doch kommen inzwischen immer mehr Farmer wieder auf die Dienste eines Stockmans zurück.

    Noch vor zehn Jahren etwa wurden die Tiere beinahe ausschließlich mithilfe von Helikoptern zusammengetrieben und in roadtrains transportiert. Jetzt kommt man mehr und mehr wieder auf die Viehtreiber zurück, weil die Tiere durch diese langsame, natürliche Art der Fortbewegung viel weniger Stress erleiden. Etliche der großen Farmen aus dem Norden etwa haben zu dieser Methode zurückgefunden. Auch, weil die Rinder so meist wohlgenährt ankommen.

    Zum Glück, sagt Mick Keo, gebe es noch immer eine ganze Reihe altgedienter Stockmen. Denn viele der jüngeren Leute dächten nicht mehr daran, ohne Gesellschaft, ohne gutgekühltes Bier und womöglich nur mit ein paar Honigameisen zum Frühstück wochenlang durch Australiens Buschland zu ziehen.

    Ein Viehtreiber muss sehr geduldig sein, sehr ruhig und er muss das Leben draußen mögen. Viele der jungen Leute, die einmal einen Viehtrieb mitgemacht haben, konnten alldem nichts abgewinnen. Man komme kaum voran, beklagten sie, und überhaupt sei das Dasein eines Stockmans ausgesprochen langweilig. Wohingegen viele altgediente Stockmen lieber mit ihren Tieren unterwegs sind als sich unter die Leute zu mischen. Und sie empfinden diese Tätigkeit als sehr befriedigend und erholsam.

    Was einen Stockman zum typischen Australier mache, fanden die Leser des Sydney Morning Herald, seien sein Durchhaltevermögen, seine Überlebensfähigkeit, das Vermögen, sich im Busch jeden Tag aufs Neue zu behaupten. Kurz: seine Pioniermentalität.

    Wenn Sie sich einmal darin zurechtfinden, ist der Busch ein wunderbarer Ort! Ich zumindest fühle mich im Busch vollkommen sicher. Anders als in der Stadt, wo Ihnen irgendein schräger Typ all ihre Sachen klaut! Sehen Sie, wenn ich da draußen bin und nicht gerade auf eine Schlange trete oder so - was soll ich da noch fürchten? Kein Halunke, nichts und niemand kann mir da etwas anhaben.