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Viel Geld für viel Rauch

Im Freistaat Bayern hängen seit Wochen Plakate: "Bayern sagt Nein zum totalen Rauchverbot". Dahinter steckt Franz Bergmüller, dessen Initiative weit kräftiger von der Industrie unterstützt wird, als er zugibt.

Von Michael Watzke | 01.07.2010
    Der oberbayerische Metzgermeister ist Sprecher der Initiative gegen die Verschärfung des derzeitigen Gesetzes. Er sieht sich als Kämpfer für die bayerischen Gastwirte, die bei einem totalen Rauchverbot Umsatzeinbrüche befürchten. Von den Wirten kommt auch das meiste Geld für die Kampagne, behauptet Franz Bergmüller. Und nicht etwa von der Tabak-Industrie.

    "Ich hasse eins: wenn einen die Gegenseite bezichtigt mit Verdächtigungen, die überhaupt nicht reell sind. Wir spielen mit offenen Karten. Ich hab's nicht nötig, dass ich falsche Zahlen verbreite."

    Die Zahlen laut Aktionsbündnis "Bayern sagt Nein": Nur ein Viertel ihres Gesamtbudgets in Höhe von 615.000 Euro zahle die Zigaretten-Industrie. Franz Bergmüller streitet vehement ab:

    " ... dass federführend hier die Zigarettenindustrie was macht. Sondern ich als Franz Bergmüller habe die Initiative gestartet. Und da kommen die meisten Gelder mit Abstand aus meinem Bereich."

    Stimmt das? Der Deutschlandfunk hat nachrecherchiert. Anruf beim Deutschen Zigarettenverband (DZV) in Berlin. Sprecher Peter Königsfeld bestätigt:

    "Der deutsche Zigarettenverband engagiert sich beim Aktionsbündnis 'Bayern sagt Nein' mit 150.000 Euro, um diesen Wahlkampf für den Bestand des derzeitigen Nichtraucherschutzgesetzes zu finanzieren."

    Soweit stimmen Bergmüllers Angaben also. Er hatte vom DZV noch weit mehr Geld gefordert, aber nicht bekommen. Den großen Zigarettenfirmen, sagt ein Insider, sei der Volksentscheid ziemlich egal. Er habe kaum Einfluss auf ihre Umsätze. Wichtiger sind andere Finanziers der Tabakbranche. Und die verschweigt Bergmüller. Anruf beim Bundesverband der Deutschen Tabakgroßhändler in Köln. Geschäftsführer Carsten Zenner bestätigt:

    "Der Bundesverband der deutschen Tabakgroßhändler unterstützt das Aktionsbündnis 'Bayern sagt Nein' mit 100.000 Euro plus gesetzliche Mehrwertsteuer."

    Ebenfalls 100.000 Euro zahlt der Verband der Rauchtabak-Industrie, räumt Geschäftsführer Franz Peter Marx ein. Ein weiterer Unterstützer aus der Tabakbranche: der Verband der Mittelständischen Tabakwirtschaft. Er ließ 1,7 Millionen Werbe-Feuerzeuge fertigen. Kosten: rund 100.000 Euro. Nochmals knapp 10.000 Euro kommen vom Bundesverband der Zigarren-Industrie. Macht unterm Strich: 460.000 Euro und damit nicht ein Viertel, sondern drei Viertel des 615.000-Euro-Budgets der Raucher-Kampagne. Weitere Unterstützer sind dabei noch gar nicht berücksichtigt - wie die Zeitschrift "Fine Tobacco", die die gesamte Internet-Kampagne der Raucher kostenlos betreut. Franz Bergmüller reagiert mit Gegenangriff. Die Nichtraucher-Initiative, behauptet er, werde verdeckt von der Pharmalobby unterstützt.

    "Zum Beispiel wird eine Vortragsreise von Reinhold Messner zum Nichtraucherschutz von Pfizer, einem bekannten Pharmakonzern, gesponsert. Das mal zu den Fakten. Und dann frag ich mich, ob da nicht ein Hintergedanke besteht."

    Sebastian Frankenberger, der 29 Jahre alte Initiator des Nichtraucher-Volksbegehrens und Mitglied der ÖDP, weist diese Vorwürfe zurück.

    "Die Pharma-Industrie hat uns Geld angeboten, sogar im 100.000er-Bereich. Wir haben das abgelehnt. Wir sind nach Parteiensatzung von der ÖDP – und das Spendenkonto ist ein ÖDP-Unterkonto – daran gebunden, keine Gelder aus der Wirtschaft, Industrie oder Unternehmen anzunehmen, auch nicht beim Volksentscheid."

    Frankenberger sieht sich als David, der gegen den Goliath der Raucherlobby kämpft. Sein Budget, das er auf 110.000 Euro beziffert, umfasse nur einen Bruchteil dessen der Gegenseite.

    "40.000 Euro aus Spenden aus der Bevölkerung, die Parteien leisten einen größeren Beitrag dazu, und der Rest kommt von Ärzteverbänden, Sportverbänden, die uns Geld zur Verfügung stellen."

    Was Frankenberger verschweigt: Seine mächtigen Mitstreiter unterstützen ihn größtenteils auf eigene Rechnung. Der Ärzteverband klebt in allen Praxen und Apotheken in Bayern Poster pro Nichtraucherschutz, der Bayerische Sportbund pflastert die Vereinsgaststätten zu. Die Kosten dafür tauchen bei Frankenberger nicht direkt auf. Auch die Nichtraucher tricksen also beim Budget. Aber trotz stattlicher Summen im Hintergrund: Es ist ein ausgeglichener Kampf zwischen dem Ja- und dem Nein-Lager. Die aktuellste Umfrage spiegelt das wider. Sie sagt ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Nichtrauchen oder Rauchen, den Nichtraucherschutz locker handhaben oder knallhart einfordern? Am Sonntag geht es vor allem darum, welches Lager mehr Menschen mobilisieren kann. Denn beim Volksentscheid reicht die einfache Mehrheit. Die Seite mit den meisten Stimmen gewinnt – egal, wie viele oder wenige Wahlberechtigte sich am Urnengang beteiligen.