Die sind 100 bis 200 Meter überm Haus und verursachen solchen Wirbel, dass die Pappeln, die vielleicht 100 Meter hoch sind, richtig zusammenklatschen. Und in der Luft geht es immer tsch, tsch, tsch. Und wenn da so ein armer Vogel ist, der segelt wirklich ab.
Wenn es nur die Pappeln wären, die unter den so genannten Wirbelschleppen leiden! Die Tiefflieger holen nämlich regelmäßig die Ziegel von Marion Honekamps Dach. Zwölf Mal ist das der 61-jährigen schon passiert. Das ist Berliner Rekord. Und einmal hätten die Ziegel um ein Haar ihren kleinen Enkel auf dem Fahrrad getroffen.
Der tritt da in seine Pedale und fährt da Reih rum, und die ganzen Ziegel kommen da runter. Sie können nicht zuspringen. Das geht alles so schnell. 20 Zentimeter, und der wäre erschlagen worden.
Leben am Flughafen Tegel - einem Flughafen mitten in der Stadt, einer Notlösung für das eingemauerte West-Berlin. Tegel platzt mit seinen rund 10 Millionen Passagieren im Jahr jetzt schon aus allen Nähten. Deshalb soll ein neuer Flughafen her, und zwar am alten DDR-Standort in Schönefeld am Südostrand Berlins. So ist es beschlossen, und so weit sind sich eigentlich auch alle einig. Alle? Nicht ganz. Zwei unbeugsame Bürgerinitiativen machen sich derzeit gegenseitig das Leben schwer. Die eine im Norden Berlins kämpft seit Jahren für die Schließung von Tegel, die andere im Südosten wehrt sich unermüdlich gegen den Ausbau von Schönefeld. Der Konflikt liegt auf der Hand: Schönefeld gegen Tegel. Los ging es nach der Entscheidung für einen Großflughafen in Schönefeld im Jahr 1996. Ferdi Breidbach von der Schönefelder Initiative:
Daraufhin hat die Bürgerinitiative Tegel eine Chance gesehen, nachdem der Standort Schönefeld von der Politik entschieden worden ist, das Problem nach Schönefeld zu verschieben. Das heißt, der Heilige St. Florian hat hier eine ganz große Rolle gespielt.
"Heiliger St. Florian, verschon mein Haus, zünd andere an", so das Prinzip im Berliner Flughafenstreit. Doch die Tegeler sehen sich ganz auf der Seite des Rechtsstaates. Rolf Bley von der Initiative gegen das Luftkreuz Tegel.
Der Flughafen Schönefeld wird ausgebaut, wird erweitert und soll dann die alleinige Flughafenfunktion für Berlin übernehmen. Da das eine politische Entscheidung ist, sehen wir im Moment keine Veranlassung, gegen diese Entscheidung zu opponieren.
So kann man es auch formulieren. Tatsächlich haben die Tegeler bereits mehrfach an den Berliner Senat appelliert, den Flugverkehr möglichst bald nach Schönefeld zu verlagern. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ferdi Breitbach von der Initiative gegen Schönefeld schäumte und wandte sich in einem offenen Brief an die, so wörtlich, Mini-Initiative in Tegel und warf den Verantwortlichen vor, sich mit ihrer egoistischen und unmoralischen Haltung an die verfehlte Berliner Landespolitik anzubiedern. Dafür droht er jetzt den Tegelern. Breidbach:
Vor allen Dingen muss man in der Einflugschneise von Tegel wissen, dass alle nichtbetroffenen Berliner nichts so gerne haben wie den Flughafen in Tegel. Und die günstigste Variante für den verschuldeten Berliner Haushalt ist, Tempelhof zu schließen und Schönefeld zu schließen. Und wahrscheinlich werden die Haushaltspolitiker auf die Idee kommen, dass es doch die schönste Lösung ist: Man baut noch ein bisschen an Tegel herum und hat dann für die nächsten 20 Jahre alle Probleme gelöst. Und die Berliner, die nicht betroffen sind, werden sich dann freuen.
Nach mehreren offenen Briefen, die alle im Internet nachzulesen sind, zum Beispiel unter www.buergerbewegung.de oder www.fluglaermpankow.de, eskaliert der Streit nun immer weiter. Noch geben sich die Tegeler gelassen, sagt Bley:
Herr Breidbach benutzt auch bei anderen Gelegenheiten sehr schlagkräftige Worte und Formulierungen. Also ich glaube, dieser offene Streit zur Zeit ist nicht unbedingt ernst zu nehmen.
Wer weiß. Denn die gegenseitigen Vorwürfe werden immer heftiger, aber auch skurriler. Ferdi Breidbach denkt schon laut darüber nach, ob die Tegeler Initiative vielleicht von der Flughafengesellschaft bestochen worden sein könnte. Und es kommt noch doller. Breidbach schreibt von einem Gerücht, wonach da so mancher Dachziegel gar nicht durch Wirbelschleppen sondern von Menschenhand zu Boden befördert worden sein soll. Marion Honekamp kriegt das alles nur am Rande mit. Sie ist, wie sollte es auch anders sein, für einen Ausbau von Schönefeld. Da wohnten die Leute viel weiter weg vom Flughafen, sagt sie. Nicht alle. Am Rande des Areals wird derzeit ein ganzes Dorf umgesiedelt. Es muss den neuen Startbahnen weichen. Während die einen sich streiten, schaffen die anderen Fakten.