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Viel Lärm um nichts

Der 28-jährige Nachwuchsregisseur Jan Philipp Gloger bekam eine große Chance am Bayerischen Staatsschauspiel: Er durfte Shakespeares "Viel Lärm um nichts" inszenieren. Heraus kam eine recht harmlose Bühnenschau.

Von Sven Ricklefs | 22.01.2010
    Der Krieg ist aus, man kommt nach Haus, was läge da näher als nach der Gewalt sich mal der Liebe zu widmen, die einen wollen heiraten, die anderen nicht, man narrt und spielt und treibt Intrigen, die bei Shakespeare schon mal bitterernst werden können. Dann kriegt man sich und schon beginnt der Krieg wieder. So ist das in "Viel Lärm um nichts".

    Eingelullt von Tangoklängen und vor allem italienischen Liebesschnulzen hat Regisseur Jan Philipp Gloger Shakespeare rasant-böses Liebeskarussell in Szene gesetzt, schließlich ist man in Italien - und da es zudem auch viel um die Ehre geht und die locker sitzenden Waffen, hat Gloger das ganze flugs ins Mafiamilieu verlegt. Da wird aus dem aristokratischen Mantel der Nadelstreifen und aus dem Degen der Revolver.

    Ein durchaus naheliegender und dekorativer Einfall, nur bringen tut er nicht viel. Zumindest nicht in dieser Inszenierung. Denn abgesehen von ihm zeigt Gloger keinen wirklichen Zugriff auf Shakespeares Stück, das nicht nur das Gefühl der Liebe wie so oft bei diesem Autor schlechthin in Zweifel zieht und die Manipulierbarkeit von Gefühlen ausstellt, sondern die Liebe zugleich auch gefährlich nahe an der Gewalt ansiedelt. Doch von dieser Gefährlichkeit ist in Gloger-Inszenierung so rein gar nichts zu spüren.

    Über weite Strecken spult er auf der Bühne des Bayerischen Staatsschauspiels ein Fiktionstheater ab, dessen gewollter Mafia-Realismus eher etwas unfreiwillig Komisches oder auch nur Albernes hat. Den Rest dominiert ein anbiederndes Rampentheater, getrimmt allein auf den Wohlfühleffekt des Publikums. Einzig Stephanie Leue und Shenja Lacher als das komische Paar Benedikt und Beatrice ragen dabei noch positiv aus dem Ensemble heraus.

    Sonst aber geht viel von Shakespeares bitterem Pointenfeuerwerk im zahnlosen Zugriff unter. Auf der einen Seite ist schon verwunderlich überhaupt noch eine solche Art von Theater zu sehen, zumal nicht in der sogenannten Provinz, sondern in einem der eigentlich größten, reichsten und wichtigsten Theater Deutschlands, inszeniert noch dazu von einem Regisseur unter 30. Zum anderen verwundert es auch wiederum nicht, denn der über die Jahrzehnte als Intendant in München in Ehren ergraute inzwischen 74-jährige Dieter Dorn, fördert wohl bewusst einzig junge Regisseure, die von seiner Auffassung von sogenannt textgetreuem Schauspielertheater zumindest nicht schmerzhaft abweichen. Und so liegt naturgemäß auch der letztlich harmlose Inszenierungsstil von Jan-Philipp Gloger ganz auf der Linie des Hauses.

    Diese Art von Theater aber nimmt man wohl gerade noch jenen Regisseuren der alten Generation ab, wie eben Dieter Dorn oder dem in München seit Jahrzehnten im Jahrestakt auftauchenden Thomas Langhoff. Kein Wunder, dass das Bayerische Staatsschauspiel überregional schon seit langem nicht mehr wahrgenommen wird. Wohl nur eine Inszenierung hat in den letzten Spielzeiten aufmerken lassen, jene von Büchners Woyzeck. Und dass der Regisseur dieser Produktion ausgerechnet Martin Kusej heißt, das wiederum lässt für München nur hoffen, übernimmt der doch im Herbst 2011 selbst das Bayerische Staatsschauspiel als Nachfolger von Dieter Dorn.