Die Industrie- und Handelskammer an der Kölner Bankenmeile "Unter Sachsenhausen": Vertreter der städtischen Wirtschaftsförderung, der IHK und der Handwerkskammer haben soeben das "Startercenter NRW Köln" offiziell eröffnet. Die verschiedenen Anlaufstellen für Unternehmensgründer sind damit organisatorisch zusammengelegt.
Gleich, an welche Tür der potenzielle Existenzgründer in Zukunft klopft – ob er bei den Kammern oder bei der Stadt vorspricht: Überall soll er die gleichen fundierten Auskünfte und Starthilfen auf dem Weg in die Selbstständigkeit bekommen. Firmengründer sollen es einfacher haben; schnell und unbürokratisch in ihre neue Existenz starten können - so zumindest der Anspruch der neuen "Startercenter".
Eine Frage jedoch bleibt auch beim Lokaltermin in Köln unbeantwortet: Wer kümmert sich künftig um die ausländischen Existenzgründer - und wie? Denn Fakt ist: Zahlreiche Modellprojekte, die sich die Förderung dieser speziellen Zielgruppe auf die Fahnen geschrieben haben, laufen aus oder sind schon geschlossen - nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Und das, obwohl die Migranten unter den Existenzgründern die Gruppe sind, die sich am dynamischsten entwickelt - und zwar schon seit Jahren.
Das belegen Studien, beispielsweise der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW oder des Instituts für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim. Demnach ist insgesamt gut jeder zehnte Gründer ausländischer Herkunft, Tendenz steigend. Gab es Mitte der 70er Jahre gerade einmal 56.000 ausländische Selbstständige in der alten Bundesrepublik, waren es 2006 bereits knapp 578.000 im wiedervereinigten Deutschland. Davon sind rund zwei Drittel auch rechtlich gesehen Ausländer, etwa ein Drittel verfügt über einen deutschen Pass.
Der rasante Anstieg bei den ausländischen Unternehmensgründern wurde in der jüngsten Vergangenheit vor allem von den türkischen Selbstständigen getragen: Ihre Zahl hat sich seit Anfang der 90er-Jahre sogar verdoppelt: Rechnet man die eingebürgerten Deutsch-Türken mit dazu, gibt es inzwischen 71.000 türkische Unternehmer in Deutschland.
Hier geht es um mehr als nur um Döner-Kebap-Buden und Änderungsschneidereien. Denn das Klischee, dass Ausländer hauptsächlich Gemüseläden oder Imbissbuden aufmachen, stimmt so nicht mehr.
Ludmilla Izrailova etwa war bereits in ihrer Heimat Russland als Kosmetikerin selbstständig. Da ihre Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt wurde, schulte sie zur Altenpflegerin um und gründete einen Pflegedienst. Dem Brasilianer Eduardo Arrays wurde sein Job als Bürokaufmann zu langweilig und deswegen stellte er in Eigenregie eine Event-Agentur mit Samba-Tänzern auf die Beine.
Immer mehr Migranten der zweiten und dritten Generation bauen sich außerdem mit sogenannten wissensintensiven Dienstleistungen eine Existenz auf und eröffnen beispielsweise eine Kanzlei als Anwalt oder Steuerberater. Rene Leicht vom Institut für Mittelstandsforschung in Mannheim erklärt, warum das so ist:
"Die jungen Akademiker entdecken hier eine Nische, in die sie vorstoßen. Das heißt, sie beraten ihre Landsleute und versorgen ihre Landsleute mit Dienstleistungen und stellen sich so mehr oder weniger als Vermittler zwischen den beiden Kulturen dar. Sie haben das Wissen, die kulturelle Kompetenz, um einerseits ihre eigene Ethnie zu bedienen. Sie haben andererseits aber auch das Wissen und die Instrumente, die man in der Mehrheitsgesellschaft braucht, um hier in eine Vermittlungsposition zu rücken."
Dieses Potenzial belegen auch die Zahlen des KfW-Gründungsmonitors. In dem Bericht werden jährlich die Struktur und die Dynamik des Gründungsgeschehens in Deutschland analysiert. Demnach können Gründer ausländischer Herkunft seltener eine abgeschlossene Lehre vorweisen als deutsche Neu-Unternehmer. Dafür aber ist ihre Akademikerquote höher. Immer mehr ausländische Existenzgründer verlassen daher die typischen Gastarbeiterberufe der ersten Generation, in denen ihre Eltern tätig waren.
Sevinc Elmaci ist eine stämmige, resolut wirkende Mittdreißigerin - schulterlange, dichte schwarze Locken, hellblaues Sakko, darauf eine schlichte weiße Perlenkette. Die Inhaberin der Nachhilfeschule "Lernkreis Extra International" hat den klassischen Migrationshintergrund: Mit sieben Jahren kam sie mit ihrer Familie aus Zentralanatolien nach Deutschland, lebt nun seit 30 Jahren hier und besitzt einen deutschen Pass.
Elmaci hat Ingenieurwissenschaften studiert und nach ihrem Abschluss bei einem Automobilzulieferer Terminals programmiert und zusammengesetzt. Aber immer nur in einem Büro zu sitzen und stets dasselbe zu tun, darauf hatte sie irgendwann keine Lust mehr:.
"Für mich habe ich dann festgestellt, dass ich vielleicht im Vertrieb oder in der Präsentation, im Marketing besser aufgehoben wäre. Und später in diese Schiene reinzurutschen, das wäre schwierig gewesen. Und außerdem habe ich mich selber analysiert, was mir gefällt und was nicht und da habe ich dann immer mehr den Drang gehabt, dass ich das mit der Nachhilfeschule noch fester machen sollte."
Während ihres Studiums hatte sie bereits Kindern von Bekannten Unterricht gegeben und sich in einer Nachhilfeschule etwas dazu verdient. Eine spezielle Förderung für Ausländerkinder sah sie dort allerdings nicht. Und in den Moscheen und Vereinen der Nachbarschaft wurde zwar Nachhilfe angeboten, aber in sehr großen Gruppen ohne Blick auf individuelle Lernprobleme. So entstand die Idee für Elmacis Unternehmen "Lernkreis extra international" – mit durchaus idealistischem Hintergrund:
"In der Zukunft wird es so sein, dass ein Viertel der Bundesbevölkerung Menschen sein werden, die Migrationshintergrund haben. Und wir können es uns überhaupt nicht erlauben, dass die Kinder da ungebildet bleiben. Wenn da Nachhilfe ist, dann sollte man es jetzt schon ausbügeln, nachher ist es zu spät."
International ist nicht nur Elmacis Kundenstamm, sondern auch die Beratung, in der mal Türkisch, Deutsch oder auch Englisch gesprochen wird. Die Nachhilfe hingegen, sei es in Mathe oder anderen Fächern, unterrichtet Elmaci auf Deutsch. Seit knapp einem halben Jahr hilft sie nun sowohl Kindern als auch Erwachsenen, die beispielsweise ihr Englisch verbessern wollen, in ihrer eigenen Schule auf die Sprünge.
"In der Werbung muss ich noch einiges machen, ich verteile meine Flyer und Visitenkarten überall, wo ich kann. Aber ich muss mich auch sehr intensiv mit den Schulen in Kontakt bringen, das muss ich noch machen.
Also, ich hab schon einige Schulen angesprochen, aber nicht alle, weil mir im Moment die Zeit fehlt. Ich kann nur in den Vormittagsstunden in die Schulen gehen und mich denen präsentieren, vorstellen. Am Nachmittag habe ich meine Veranstaltungen."
So wie Sevinc Elmaci starten viele Gründer ausländischer Herkunft risikofreudig in die Selbstständigkeit. Sie fackeln nicht lang, wenn sie die Idee für eine Unternehmung im Kopf haben - Schwellenangst vor dem Sprung ins kalte Wasser ist so gut wie nicht vorhanden.
Eine Tatsache, die auch Mathias Härchen aus seiner Beratungserfahrung bestätigen kann. Er ist bei der IHK Köln für die Unternehmensförderung zuständig und verantwortet die Beratung im neuen StarterCenter:
"Es lässt sich doch feststellen, dass Deutsche oftmals mehr Überwindung brauchen, aus der abhängigen Beschäftigung sich erstmals selbstständig zu machen als das bei Gründern mit Migrationshintergrund der Fall ist. Aber es ist schon so, dass man, wenn man sich erstmal eingerichtet hat in einem Angestelltenleben, es unwahrscheinlich schwer ist, weil es einfach eben nicht zur Kultur gehört hier so sehr, dass man sich vielleicht auch als Unternehmer in eigener Sache versteht."
Dafür, dass sich Migranten vergleichsweise schnell in das Abenteuer Selbstständigkeit stürzen, gibt es allerdings häufig auch ein zwingendes ökonomisches Motiv. Neben dem Prestige des eigenen Geschäfts stellt die Existenzgründung eine simple Überlebensstrategie dar. Denn für viele Migranten ist die Selbstständigkeit die bessere Alternative zur Arbeitslosigkeit.
Mit einer fatalen Konsequenz: Denn Ausländer starten nicht nur schneller, sondern auch wesentlich unbedachter in die Selbstständigkeit als Deutsche. Manchmal fehlt die Berufserfahrung, oft vor allem das von den Banken geforderte Eigenkapital. Viele unterschätzen die Mühlen der Bürokratie und die Auswahlverfahren der Banken bei der Kreditvergabe.
Mathias Härchen: "Es gibt manchmal Finanzierungsschwierigkeiten, weil der Wunsch und das Selbstverständnis schneller zu gründen, das kollidiert dann einfach manchmal mit den Anforderungen, die hier bestehen. Manche sind dann doch erstmal konsterniert, welche Anforderungen sie erfüllen müssen. Manchmal hat man schon das Gefühl, dass die Unterstützung vielleicht aus der Familie suggeriert, komm mach dich selbstständig, das ist alles gar nicht so schwierig.
Die kommen optimistisch hin und stellen fest, es ist gar nicht so einfach, es wird mehr Eigenkapital verlangt zum Beispiel, das man auch selbst einbringen soll. Wenn es denn eine Gründung aus der Arbeitslosigkeit ist, ist es denn auch oftmals schwierig eine Tragfähigkeit dazustellen, wenn die eigenen persönlichen Reserven gar nicht so hoch sind."
Finanzierungsprobleme sind nicht die einzigen Hürden, die vor allem für ausländische Gründer schwer zu überwinden sind. Manchmal fehlen schon die formalen Qualifikationen, häufig können sie zudem keine Branchenerfahrungen auf dem Gebiet ihres neuen Unternehmens vorweisen. Der spontane Entschluss, die Notlage der Arbeitslosigkeit mit der Gründung eines eigenen kleinen Unternehmens zu beenden, spiegelt sich häufig in einer insgesamt schlechten Vorbereitung.
Die Dortmunder Nordstadt ist nicht das beste Viertel der Stadt: Viel heruntergekommener sozialer Wohnungsbau: Häuser, an denen der Anstrich abblättert und selbst die Graffiti alt sind, Ladenlokale mit heruntergelassenen Rollläden. Die Geschäfte, die noch nicht geschlossen haben, preisen "Elektrogeräte aus zweiter Hand" oder "An- und Verkauf" an; daneben finden sich Imbissbuden und Kioske. Die Arbeitslosenquote ist mit rund 25 Prozent die höchste in der ganzen Stadt.
In den 50er Jahren, als in Dortmund noch das Wirtschaftswunder boomte, siedelten sich in diesem Stadtteil die Gastarbeiter an. Bis heute wohnen hauptsächlich Ausländer im ehemaligen Arbeiterviertel. Caner Aver vom Zentrum für Türkeistudien hat hier bis vor kurzem das Modellprojekt "Ethnische Ökonomie" geleitet: Mithilfe der europäischen Initiative "Urban II" sollten damit Existenzgründungen und Unternehmen von Migranten im sozialen Brennpunkt Nordstadt gefördert werden.
"Ziel von URBAN ist es, Fördermittel in krisenbetroffenen Stadtteilen zu konzentrieren, für die ein innovativer und integrierter Handlungsansatz zur Lösung von kumuliert auftretenden Problemen, wie hoher Arbeitslosigkeit, ungenügender sozialer Infrastruktur, schlechter Umweltbedingungen oder hoher Kriminalität, verfolgt wird."
Die Beratung ausländischer Existenzgründer war ein solcher Handlungsansatz - und nach Avers Ansicht auch notwendig. Schwierigkeiten gab und gibt es seiner Meinung nach vor allem, weil die potenziellen Unternehmer die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht gut genug kennen:
"Wenn Sie einen Kiosk eröffnen möchten, brauchen Sie kein Unternehmenskonzept in dem Sinne, kein stark ausformuliertes. Bei Ideen, die dann eben weitergehen, ist häufig die Konkretisierung des Problems zum einen nicht vorhanden, zum anderen ist aber auch eine gewisse Marktanalyse, Wettbewerbsanalyse nicht vorhanden beziehungsweise diese Existenzgründer können das alleine nicht machen. Wenn sie zu einem Unternehmensberater gehen, müssen sie einen Haufen Geld bezahlen, was sie sich nicht leisten können, weil sie ALG II-Empfänger sind."
Auch für die 35-jährige Ayse Özdemir war die Beratungsstelle "Ethnische Ökonomie" vor einigen Jahren die wichtigste Anlaufstelle. Die gebürtige Türkin und gelernte Physiotherapeutin verlor ihren Job in einer Oberhausener Praxis, als diese verkauft wurde. Erschrocken über den Ansturm beim Arbeitsamt beschloss sie, sich selbstständig zu machen – mit einer eigenen Physiotherapie-Praxis in der Dortmunder Nordstadt.
"Danach habe ich die Ärzte besucht, die hier in Dortmund ansässig sind, habe halt hier erlebt, dass mindestens 60.000 Ausländer hier leben – in der Nordstadt vor allem – über mehrere Generationen hier leben und auch mehrere Kulturen zusammen vereint sind, eine gewisse Vielfalt von Multikulti hier herrscht. Und das hat mir den Mut gegeben, mich hier selbstständig zu machen."
Ganz bewusst suchte sich die gebürtige Lüdenscheiderin die Dortmunder Nordstadt als Standort aus, wo sie eine Marktlücke ausgemacht hatte.
"Wir wollen gezielt den Bedürfnissen der Frauen, die hier vorhanden sind, entgegenkommen. Wir kennen die kulturellen Hintergründe und wir wissen auch, weil wir selbst den Islam als Religion haben, was wir beachten müssen, was wir ansprechen können, wo wir uns zurückhalten müssen und das ist halt unser Konzept gewesen. Das hat gefruchtet. Nach drei Jahren können wir sagen: Wir haben zwei Vollzeit-Arbeitsplätze geschaffen und möchten uns natürlich auch weiter qualifizieren und auch vergrößern."
Anfangs hatte Özdemir damit kalkuliert, dass sie mit drei Patienten täglich genug Geld verdienen könnte, um die Miete zu zahlen. Daraus sind heute bis zu 40 Patienten pro Tag geworden. Daher ist sie nicht nur auf der Suche nach einer weiteren Vollzeitkraft als Physiotherapeutin, sondern auch nach neuen Praxisräumen.
Viele Gründungen mit Migrationshintergrund sind trotz möglicher Startprobleme also ein Wirtschaftsfaktor – auch und gerade mit Blick auf Arbeitsplätze, wie der Soziologe Rene Leicht erläutert:
"Wir gehen davon aus, dass inzwischen nahezu etwa 300.000 Arbeitsplätze in Deutschland allein durch die türkische Community geschaffen werden. Das heißt eben, insgesamt – wenn man sich das über alle Ethnien anschauen würde, über alle Nationalitäten hinweg – dann würden wir auf eine sehr hohe Zahl an Arbeitsplätzen kommen, die durch Migranten, die sich selbstständig machen, geschaffen werden."
Das bedeutet auch, dass die neu etablierten Unternehmen viele Menschen einstellen, die ansonsten in der Arbeitslosigkeit gelandet wären. Für den hiesigen Arbeitsmarkt sind die ausländischen Existenzgründer eine spürbare Bereicherung: Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung der Uni Mannheim beläuft sich die Zahl der durch sie geschaffenen Jobs auf etwa 1,1 Millionen, den Arbeitsplatz der Gründer mit eingeschlossen. Das zeigt, welches volkswirtschaftliche Potenzial in der Existenzgründung von Migranten liegt.
Potenzial, das zum Teil brach liegt. Denn vor allem ausländische Existenzgründer schätzen häufig ihren eigenen Informationsbedarf nicht realistisch ein – und gehen daher nur selten zu den Beratungsstellen von Wirtschaftsförderung, Kammer oder Arbeitsagentur: Studien zufolge nimmt nur knapp jeder siebte ausländische Gründer diese Art von Starthilfe in Anspruch. Dazu kommt, dass sich die künftigen Unternehmer in den kommunalen Beratungsstellen nicht immer gut aufgehoben fühlen, wie die Nachhilfe-Lehrerin Elmaci berichtet:
"Man wird sehr oft unterschätzt. Zum Beispiel, als ich mich beim Arbeitsberater vorgestellt habe, der war der festen Überzeugung, dass ich erst einmal so einen Deutschkurs belegen sollte. Die gehen erst mal davon aus, wenn jemand Ausländer ist, die können nicht so gut Deutsch.
Ich habe gesagt, ich brauche keinen Deutschkurs, ich kann Ihnen, wenn Sie möchten, Deutsch beibringen, aber ich brauche keinen Deutschkurs. Mir wäre es lieber, wenn Sie mir zuständige Stellen sagen könnten, wo ich mich besser vorbereiten kann auf die Selbstständigkeit."
Eine Beratung speziell abgestimmt auf die Bedürfnisse ausländischer Existenzgründer scheint demnach also durchaus sinnvoll zu sein. Eine Beratung also, die sowohl betriebswirtschaftliche Fragen klärt als auch die interkulturellen Probleme im Auge behält. Einzelne Modellprojekte in den Brennpunkten größerer Städte reichen hier nach Ansicht von Caner Aver aber nicht aus:
"Mit Modellprojekten ist es nicht getan, da werden Sie keine Nachhaltigkeit erleben. Deswegen muss man das bei den Kammern, Wirtschaftsförderungen installieren. Dort müssen Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten, die dem Thema auch mächtig sind. Das heißt, die Kammern, die Wirtschaftsförderung müssten sich derartig aufstellen, dass Personen mit Migrationshintergrund – sei es jetzt russisch-, arabisch- oder türkisch-sprachig, je nachdem, wo der Bedarf liegt in der Kommune – Menschen dort eingestellt werden, um diese Personen zielgruppengerecht anzusprechen und auch zu fördern."
Genau das aber gehört nach Ansicht der Kammern nicht zu den Aufgaben der kommunalen Wirtschaftsförderung. Mathias Härchen von der IHK Köln sieht sogar die Migranten in der Pflicht:
"Genauso besteht natürlich umgekehrt auch der Zwang für Unternehmen, die sich hier niederlassen wollen oder eben Migranten, die vielleicht noch nicht so integriert sind, sich darum zu kümmern, dass sie sich mit den kulturellen Eigenarten von Deutschland bekannt machen müssen. Das ist einfach so. Da muss man natürlich sehen, dass man, allein um eine zielgruppengerechte Ansprache seiner potenziellen Kundschaft hinzubekommen, dass man sich natürlich drum kümmert, wie erreiche ich die denn.
Und wenn dazu auch kulturelle Eigenarten gehören, muss ich die natürlich kennen. Das muss aber jedes Unternehmen. Da gibt es natürlich auf jeden Fall noch die Anforderung, dass man über solche Beratungseinrichtungen sicherlich noch ergänzend auch eine Art von Förderung erhält. Das können die Startercenter nicht bieten. Unser Ansatz ist mehr der betriebswirtschaftliche, dass wir versuchen, vor allem kaufmännische Kenntnislücken zu schließen, wenn sie denn bestehen."
Um das Potenzial der ausländischen Gründer für die kommunale Wirtschaft zu nutzen, müsste eine spezielle Förderung möglicherweise schon wesentlich früher greifen. Der Wirtschaftsforscher Rene Leicht schlägt daher vor, bereits in den Schulen in die Nachhaltigkeit späterer Existenzgründungen zu investieren:
"Wenn es insgesamt gelingt, die Migranten stärker an Bildung zu beteiligen, dann wird es auch so sein, dass wir mittelfristig auch mehr Gründer haben, die das Zeug und die Ressourcen haben, ihr Unternehmen zu einer Erfolgsgeschichte zu führen. Insofern denke ich generell, der wichtigste Ansatz liegt darin, in Schulen die Gründer für die Zukunft heranzuziehen."
Gleich, an welche Tür der potenzielle Existenzgründer in Zukunft klopft – ob er bei den Kammern oder bei der Stadt vorspricht: Überall soll er die gleichen fundierten Auskünfte und Starthilfen auf dem Weg in die Selbstständigkeit bekommen. Firmengründer sollen es einfacher haben; schnell und unbürokratisch in ihre neue Existenz starten können - so zumindest der Anspruch der neuen "Startercenter".
Eine Frage jedoch bleibt auch beim Lokaltermin in Köln unbeantwortet: Wer kümmert sich künftig um die ausländischen Existenzgründer - und wie? Denn Fakt ist: Zahlreiche Modellprojekte, die sich die Förderung dieser speziellen Zielgruppe auf die Fahnen geschrieben haben, laufen aus oder sind schon geschlossen - nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Und das, obwohl die Migranten unter den Existenzgründern die Gruppe sind, die sich am dynamischsten entwickelt - und zwar schon seit Jahren.
Das belegen Studien, beispielsweise der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW oder des Instituts für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim. Demnach ist insgesamt gut jeder zehnte Gründer ausländischer Herkunft, Tendenz steigend. Gab es Mitte der 70er Jahre gerade einmal 56.000 ausländische Selbstständige in der alten Bundesrepublik, waren es 2006 bereits knapp 578.000 im wiedervereinigten Deutschland. Davon sind rund zwei Drittel auch rechtlich gesehen Ausländer, etwa ein Drittel verfügt über einen deutschen Pass.
Der rasante Anstieg bei den ausländischen Unternehmensgründern wurde in der jüngsten Vergangenheit vor allem von den türkischen Selbstständigen getragen: Ihre Zahl hat sich seit Anfang der 90er-Jahre sogar verdoppelt: Rechnet man die eingebürgerten Deutsch-Türken mit dazu, gibt es inzwischen 71.000 türkische Unternehmer in Deutschland.
Hier geht es um mehr als nur um Döner-Kebap-Buden und Änderungsschneidereien. Denn das Klischee, dass Ausländer hauptsächlich Gemüseläden oder Imbissbuden aufmachen, stimmt so nicht mehr.
Ludmilla Izrailova etwa war bereits in ihrer Heimat Russland als Kosmetikerin selbstständig. Da ihre Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt wurde, schulte sie zur Altenpflegerin um und gründete einen Pflegedienst. Dem Brasilianer Eduardo Arrays wurde sein Job als Bürokaufmann zu langweilig und deswegen stellte er in Eigenregie eine Event-Agentur mit Samba-Tänzern auf die Beine.
Immer mehr Migranten der zweiten und dritten Generation bauen sich außerdem mit sogenannten wissensintensiven Dienstleistungen eine Existenz auf und eröffnen beispielsweise eine Kanzlei als Anwalt oder Steuerberater. Rene Leicht vom Institut für Mittelstandsforschung in Mannheim erklärt, warum das so ist:
"Die jungen Akademiker entdecken hier eine Nische, in die sie vorstoßen. Das heißt, sie beraten ihre Landsleute und versorgen ihre Landsleute mit Dienstleistungen und stellen sich so mehr oder weniger als Vermittler zwischen den beiden Kulturen dar. Sie haben das Wissen, die kulturelle Kompetenz, um einerseits ihre eigene Ethnie zu bedienen. Sie haben andererseits aber auch das Wissen und die Instrumente, die man in der Mehrheitsgesellschaft braucht, um hier in eine Vermittlungsposition zu rücken."
Dieses Potenzial belegen auch die Zahlen des KfW-Gründungsmonitors. In dem Bericht werden jährlich die Struktur und die Dynamik des Gründungsgeschehens in Deutschland analysiert. Demnach können Gründer ausländischer Herkunft seltener eine abgeschlossene Lehre vorweisen als deutsche Neu-Unternehmer. Dafür aber ist ihre Akademikerquote höher. Immer mehr ausländische Existenzgründer verlassen daher die typischen Gastarbeiterberufe der ersten Generation, in denen ihre Eltern tätig waren.
Sevinc Elmaci ist eine stämmige, resolut wirkende Mittdreißigerin - schulterlange, dichte schwarze Locken, hellblaues Sakko, darauf eine schlichte weiße Perlenkette. Die Inhaberin der Nachhilfeschule "Lernkreis Extra International" hat den klassischen Migrationshintergrund: Mit sieben Jahren kam sie mit ihrer Familie aus Zentralanatolien nach Deutschland, lebt nun seit 30 Jahren hier und besitzt einen deutschen Pass.
Elmaci hat Ingenieurwissenschaften studiert und nach ihrem Abschluss bei einem Automobilzulieferer Terminals programmiert und zusammengesetzt. Aber immer nur in einem Büro zu sitzen und stets dasselbe zu tun, darauf hatte sie irgendwann keine Lust mehr:.
"Für mich habe ich dann festgestellt, dass ich vielleicht im Vertrieb oder in der Präsentation, im Marketing besser aufgehoben wäre. Und später in diese Schiene reinzurutschen, das wäre schwierig gewesen. Und außerdem habe ich mich selber analysiert, was mir gefällt und was nicht und da habe ich dann immer mehr den Drang gehabt, dass ich das mit der Nachhilfeschule noch fester machen sollte."
Während ihres Studiums hatte sie bereits Kindern von Bekannten Unterricht gegeben und sich in einer Nachhilfeschule etwas dazu verdient. Eine spezielle Förderung für Ausländerkinder sah sie dort allerdings nicht. Und in den Moscheen und Vereinen der Nachbarschaft wurde zwar Nachhilfe angeboten, aber in sehr großen Gruppen ohne Blick auf individuelle Lernprobleme. So entstand die Idee für Elmacis Unternehmen "Lernkreis extra international" – mit durchaus idealistischem Hintergrund:
"In der Zukunft wird es so sein, dass ein Viertel der Bundesbevölkerung Menschen sein werden, die Migrationshintergrund haben. Und wir können es uns überhaupt nicht erlauben, dass die Kinder da ungebildet bleiben. Wenn da Nachhilfe ist, dann sollte man es jetzt schon ausbügeln, nachher ist es zu spät."
International ist nicht nur Elmacis Kundenstamm, sondern auch die Beratung, in der mal Türkisch, Deutsch oder auch Englisch gesprochen wird. Die Nachhilfe hingegen, sei es in Mathe oder anderen Fächern, unterrichtet Elmaci auf Deutsch. Seit knapp einem halben Jahr hilft sie nun sowohl Kindern als auch Erwachsenen, die beispielsweise ihr Englisch verbessern wollen, in ihrer eigenen Schule auf die Sprünge.
"In der Werbung muss ich noch einiges machen, ich verteile meine Flyer und Visitenkarten überall, wo ich kann. Aber ich muss mich auch sehr intensiv mit den Schulen in Kontakt bringen, das muss ich noch machen.
Also, ich hab schon einige Schulen angesprochen, aber nicht alle, weil mir im Moment die Zeit fehlt. Ich kann nur in den Vormittagsstunden in die Schulen gehen und mich denen präsentieren, vorstellen. Am Nachmittag habe ich meine Veranstaltungen."
So wie Sevinc Elmaci starten viele Gründer ausländischer Herkunft risikofreudig in die Selbstständigkeit. Sie fackeln nicht lang, wenn sie die Idee für eine Unternehmung im Kopf haben - Schwellenangst vor dem Sprung ins kalte Wasser ist so gut wie nicht vorhanden.
Eine Tatsache, die auch Mathias Härchen aus seiner Beratungserfahrung bestätigen kann. Er ist bei der IHK Köln für die Unternehmensförderung zuständig und verantwortet die Beratung im neuen StarterCenter:
"Es lässt sich doch feststellen, dass Deutsche oftmals mehr Überwindung brauchen, aus der abhängigen Beschäftigung sich erstmals selbstständig zu machen als das bei Gründern mit Migrationshintergrund der Fall ist. Aber es ist schon so, dass man, wenn man sich erstmal eingerichtet hat in einem Angestelltenleben, es unwahrscheinlich schwer ist, weil es einfach eben nicht zur Kultur gehört hier so sehr, dass man sich vielleicht auch als Unternehmer in eigener Sache versteht."
Dafür, dass sich Migranten vergleichsweise schnell in das Abenteuer Selbstständigkeit stürzen, gibt es allerdings häufig auch ein zwingendes ökonomisches Motiv. Neben dem Prestige des eigenen Geschäfts stellt die Existenzgründung eine simple Überlebensstrategie dar. Denn für viele Migranten ist die Selbstständigkeit die bessere Alternative zur Arbeitslosigkeit.
Mit einer fatalen Konsequenz: Denn Ausländer starten nicht nur schneller, sondern auch wesentlich unbedachter in die Selbstständigkeit als Deutsche. Manchmal fehlt die Berufserfahrung, oft vor allem das von den Banken geforderte Eigenkapital. Viele unterschätzen die Mühlen der Bürokratie und die Auswahlverfahren der Banken bei der Kreditvergabe.
Mathias Härchen: "Es gibt manchmal Finanzierungsschwierigkeiten, weil der Wunsch und das Selbstverständnis schneller zu gründen, das kollidiert dann einfach manchmal mit den Anforderungen, die hier bestehen. Manche sind dann doch erstmal konsterniert, welche Anforderungen sie erfüllen müssen. Manchmal hat man schon das Gefühl, dass die Unterstützung vielleicht aus der Familie suggeriert, komm mach dich selbstständig, das ist alles gar nicht so schwierig.
Die kommen optimistisch hin und stellen fest, es ist gar nicht so einfach, es wird mehr Eigenkapital verlangt zum Beispiel, das man auch selbst einbringen soll. Wenn es denn eine Gründung aus der Arbeitslosigkeit ist, ist es denn auch oftmals schwierig eine Tragfähigkeit dazustellen, wenn die eigenen persönlichen Reserven gar nicht so hoch sind."
Finanzierungsprobleme sind nicht die einzigen Hürden, die vor allem für ausländische Gründer schwer zu überwinden sind. Manchmal fehlen schon die formalen Qualifikationen, häufig können sie zudem keine Branchenerfahrungen auf dem Gebiet ihres neuen Unternehmens vorweisen. Der spontane Entschluss, die Notlage der Arbeitslosigkeit mit der Gründung eines eigenen kleinen Unternehmens zu beenden, spiegelt sich häufig in einer insgesamt schlechten Vorbereitung.
Die Dortmunder Nordstadt ist nicht das beste Viertel der Stadt: Viel heruntergekommener sozialer Wohnungsbau: Häuser, an denen der Anstrich abblättert und selbst die Graffiti alt sind, Ladenlokale mit heruntergelassenen Rollläden. Die Geschäfte, die noch nicht geschlossen haben, preisen "Elektrogeräte aus zweiter Hand" oder "An- und Verkauf" an; daneben finden sich Imbissbuden und Kioske. Die Arbeitslosenquote ist mit rund 25 Prozent die höchste in der ganzen Stadt.
In den 50er Jahren, als in Dortmund noch das Wirtschaftswunder boomte, siedelten sich in diesem Stadtteil die Gastarbeiter an. Bis heute wohnen hauptsächlich Ausländer im ehemaligen Arbeiterviertel. Caner Aver vom Zentrum für Türkeistudien hat hier bis vor kurzem das Modellprojekt "Ethnische Ökonomie" geleitet: Mithilfe der europäischen Initiative "Urban II" sollten damit Existenzgründungen und Unternehmen von Migranten im sozialen Brennpunkt Nordstadt gefördert werden.
"Ziel von URBAN ist es, Fördermittel in krisenbetroffenen Stadtteilen zu konzentrieren, für die ein innovativer und integrierter Handlungsansatz zur Lösung von kumuliert auftretenden Problemen, wie hoher Arbeitslosigkeit, ungenügender sozialer Infrastruktur, schlechter Umweltbedingungen oder hoher Kriminalität, verfolgt wird."
Die Beratung ausländischer Existenzgründer war ein solcher Handlungsansatz - und nach Avers Ansicht auch notwendig. Schwierigkeiten gab und gibt es seiner Meinung nach vor allem, weil die potenziellen Unternehmer die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht gut genug kennen:
"Wenn Sie einen Kiosk eröffnen möchten, brauchen Sie kein Unternehmenskonzept in dem Sinne, kein stark ausformuliertes. Bei Ideen, die dann eben weitergehen, ist häufig die Konkretisierung des Problems zum einen nicht vorhanden, zum anderen ist aber auch eine gewisse Marktanalyse, Wettbewerbsanalyse nicht vorhanden beziehungsweise diese Existenzgründer können das alleine nicht machen. Wenn sie zu einem Unternehmensberater gehen, müssen sie einen Haufen Geld bezahlen, was sie sich nicht leisten können, weil sie ALG II-Empfänger sind."
Auch für die 35-jährige Ayse Özdemir war die Beratungsstelle "Ethnische Ökonomie" vor einigen Jahren die wichtigste Anlaufstelle. Die gebürtige Türkin und gelernte Physiotherapeutin verlor ihren Job in einer Oberhausener Praxis, als diese verkauft wurde. Erschrocken über den Ansturm beim Arbeitsamt beschloss sie, sich selbstständig zu machen – mit einer eigenen Physiotherapie-Praxis in der Dortmunder Nordstadt.
"Danach habe ich die Ärzte besucht, die hier in Dortmund ansässig sind, habe halt hier erlebt, dass mindestens 60.000 Ausländer hier leben – in der Nordstadt vor allem – über mehrere Generationen hier leben und auch mehrere Kulturen zusammen vereint sind, eine gewisse Vielfalt von Multikulti hier herrscht. Und das hat mir den Mut gegeben, mich hier selbstständig zu machen."
Ganz bewusst suchte sich die gebürtige Lüdenscheiderin die Dortmunder Nordstadt als Standort aus, wo sie eine Marktlücke ausgemacht hatte.
"Wir wollen gezielt den Bedürfnissen der Frauen, die hier vorhanden sind, entgegenkommen. Wir kennen die kulturellen Hintergründe und wir wissen auch, weil wir selbst den Islam als Religion haben, was wir beachten müssen, was wir ansprechen können, wo wir uns zurückhalten müssen und das ist halt unser Konzept gewesen. Das hat gefruchtet. Nach drei Jahren können wir sagen: Wir haben zwei Vollzeit-Arbeitsplätze geschaffen und möchten uns natürlich auch weiter qualifizieren und auch vergrößern."
Anfangs hatte Özdemir damit kalkuliert, dass sie mit drei Patienten täglich genug Geld verdienen könnte, um die Miete zu zahlen. Daraus sind heute bis zu 40 Patienten pro Tag geworden. Daher ist sie nicht nur auf der Suche nach einer weiteren Vollzeitkraft als Physiotherapeutin, sondern auch nach neuen Praxisräumen.
Viele Gründungen mit Migrationshintergrund sind trotz möglicher Startprobleme also ein Wirtschaftsfaktor – auch und gerade mit Blick auf Arbeitsplätze, wie der Soziologe Rene Leicht erläutert:
"Wir gehen davon aus, dass inzwischen nahezu etwa 300.000 Arbeitsplätze in Deutschland allein durch die türkische Community geschaffen werden. Das heißt eben, insgesamt – wenn man sich das über alle Ethnien anschauen würde, über alle Nationalitäten hinweg – dann würden wir auf eine sehr hohe Zahl an Arbeitsplätzen kommen, die durch Migranten, die sich selbstständig machen, geschaffen werden."
Das bedeutet auch, dass die neu etablierten Unternehmen viele Menschen einstellen, die ansonsten in der Arbeitslosigkeit gelandet wären. Für den hiesigen Arbeitsmarkt sind die ausländischen Existenzgründer eine spürbare Bereicherung: Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung der Uni Mannheim beläuft sich die Zahl der durch sie geschaffenen Jobs auf etwa 1,1 Millionen, den Arbeitsplatz der Gründer mit eingeschlossen. Das zeigt, welches volkswirtschaftliche Potenzial in der Existenzgründung von Migranten liegt.
Potenzial, das zum Teil brach liegt. Denn vor allem ausländische Existenzgründer schätzen häufig ihren eigenen Informationsbedarf nicht realistisch ein – und gehen daher nur selten zu den Beratungsstellen von Wirtschaftsförderung, Kammer oder Arbeitsagentur: Studien zufolge nimmt nur knapp jeder siebte ausländische Gründer diese Art von Starthilfe in Anspruch. Dazu kommt, dass sich die künftigen Unternehmer in den kommunalen Beratungsstellen nicht immer gut aufgehoben fühlen, wie die Nachhilfe-Lehrerin Elmaci berichtet:
"Man wird sehr oft unterschätzt. Zum Beispiel, als ich mich beim Arbeitsberater vorgestellt habe, der war der festen Überzeugung, dass ich erst einmal so einen Deutschkurs belegen sollte. Die gehen erst mal davon aus, wenn jemand Ausländer ist, die können nicht so gut Deutsch.
Ich habe gesagt, ich brauche keinen Deutschkurs, ich kann Ihnen, wenn Sie möchten, Deutsch beibringen, aber ich brauche keinen Deutschkurs. Mir wäre es lieber, wenn Sie mir zuständige Stellen sagen könnten, wo ich mich besser vorbereiten kann auf die Selbstständigkeit."
Eine Beratung speziell abgestimmt auf die Bedürfnisse ausländischer Existenzgründer scheint demnach also durchaus sinnvoll zu sein. Eine Beratung also, die sowohl betriebswirtschaftliche Fragen klärt als auch die interkulturellen Probleme im Auge behält. Einzelne Modellprojekte in den Brennpunkten größerer Städte reichen hier nach Ansicht von Caner Aver aber nicht aus:
"Mit Modellprojekten ist es nicht getan, da werden Sie keine Nachhaltigkeit erleben. Deswegen muss man das bei den Kammern, Wirtschaftsförderungen installieren. Dort müssen Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten, die dem Thema auch mächtig sind. Das heißt, die Kammern, die Wirtschaftsförderung müssten sich derartig aufstellen, dass Personen mit Migrationshintergrund – sei es jetzt russisch-, arabisch- oder türkisch-sprachig, je nachdem, wo der Bedarf liegt in der Kommune – Menschen dort eingestellt werden, um diese Personen zielgruppengerecht anzusprechen und auch zu fördern."
Genau das aber gehört nach Ansicht der Kammern nicht zu den Aufgaben der kommunalen Wirtschaftsförderung. Mathias Härchen von der IHK Köln sieht sogar die Migranten in der Pflicht:
"Genauso besteht natürlich umgekehrt auch der Zwang für Unternehmen, die sich hier niederlassen wollen oder eben Migranten, die vielleicht noch nicht so integriert sind, sich darum zu kümmern, dass sie sich mit den kulturellen Eigenarten von Deutschland bekannt machen müssen. Das ist einfach so. Da muss man natürlich sehen, dass man, allein um eine zielgruppengerechte Ansprache seiner potenziellen Kundschaft hinzubekommen, dass man sich natürlich drum kümmert, wie erreiche ich die denn.
Und wenn dazu auch kulturelle Eigenarten gehören, muss ich die natürlich kennen. Das muss aber jedes Unternehmen. Da gibt es natürlich auf jeden Fall noch die Anforderung, dass man über solche Beratungseinrichtungen sicherlich noch ergänzend auch eine Art von Förderung erhält. Das können die Startercenter nicht bieten. Unser Ansatz ist mehr der betriebswirtschaftliche, dass wir versuchen, vor allem kaufmännische Kenntnislücken zu schließen, wenn sie denn bestehen."
Um das Potenzial der ausländischen Gründer für die kommunale Wirtschaft zu nutzen, müsste eine spezielle Förderung möglicherweise schon wesentlich früher greifen. Der Wirtschaftsforscher Rene Leicht schlägt daher vor, bereits in den Schulen in die Nachhaltigkeit späterer Existenzgründungen zu investieren:
"Wenn es insgesamt gelingt, die Migranten stärker an Bildung zu beteiligen, dann wird es auch so sein, dass wir mittelfristig auch mehr Gründer haben, die das Zeug und die Ressourcen haben, ihr Unternehmen zu einer Erfolgsgeschichte zu führen. Insofern denke ich generell, der wichtigste Ansatz liegt darin, in Schulen die Gründer für die Zukunft heranzuziehen."