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Viel verbranntes Geld am Neuen Markt

Die Pläne von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) zur Wiederbelebung des Neuen Marktes sehen viele in der Finanzszene kritisch. Der wurde nämlich um die Jahrtausendwende zum Sinnbild für Kapitalvernichtung und Betrug.

Von Sina Fröhndrich | 19.08.2013
    Anfang März 1997. Deutsche Börse – in Frankfurt am Main. Das Telekommunikationsunternehmen Mobilcom geht an die Börse. Damit wird der Neue Markt eröffnet. Vorbild ist die Technologiebörse Nasdaq in den USA, die es zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als 20 Jahren gibt. Die Idee: Schnell wachsende IT-Unternehmen sollen mit dem Kapital von Privatpersonen auf dem Frankfurter Parkett zusammenfinden. Anlegern wird schneller Reichtum versprochen. Und junge Unternehmen aus Multimedia, Umwelttechnik oder Telekommunikation hoffen auf finanziellen Spielraum.

    Was genau die Firmen machen, wissen die Anleger allerdings meist gar nicht. Die Rechnung des Neuen Marktes scheint trotzdem aufzugehen - die Mobilcom-Aktie schießt allein im ersten Jahr um fast 2800 Prozent in die Höhe.

    Immer neue IT-Unternehmen wagen den Sprung an die Börse. In der Hochphase sind es mehr als 300. Die größten Unternehmen werden im Nemax 50 gelistet. Der Neue Markt boomt. Die Deutschen wollen mitverdienen – und entdecken die Aktie - wie nie zuvor. Banken locken mit Versprechungen. Die Bild-Zeitung spricht vom Geldrausch. Es gibt nur noch das Nach-Oben. Aber die kritischen Stimmen werden lauter. Vielen Unternehmen drohe der finanzielle Kollaps. Und trotzdem: Im April 2000 erfolgt der größte Börsengang am Neuen Markt.

    T-Online geht an die Börse. Volumen: knapp 2,5 Milliarden Euro. Aber die Talfahrt der "New Economy" hat längst begonnen. Gerade mal drei Jahre nach dem Start endet die Euphorie. Die Dotcom-Blase platzt, die Kurse brechen ein. Ein erstes Unternehmen meldet Insolvenz an. Namen weiterer Pleitekandidaten werden genannt. Tausende Anleger verlieren Geld. Der Neue Markt siecht dahin und offenbart sich als Zockermarkt: Bilanzen wurden gefälscht, Umsätze frei erfunden - jetzt beschäftigen sich Gerichte statt Anleger mit den einst vielversprechenden Unternehmen.

    Die Deutsche Börse hält trotzdem am Neuen Markt fest. Noch Anfang 2002 ist sie davon überzeugt: Daran führe kein Weg vorbei, der Neue Markt werde auch die folgenden Jahre in Europa dominieren. Nur wenige Monate später zieht sie dann doch die Reißleine und beschließt das Ende.

    Im Jahr darauf ist der Neue Markt Geschichte. Die Mobilcom-Aktie, die den Markt einst eröffnet hatte, ist nur noch ein Penny-Stock. Anders als andere schafft das Unternehmen aber noch die Wende – und fusioniert mit freenet. Andere Nemax-Unternehmen werden im Nachfolger TecDax übernommen. Vielen Deutschen ist der Aktienhandel mit dem Ende des Neuen Marktes allerdings vergangen.

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