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"Viel Wind um nichts"

Die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur sieht das Buch "Aisha" von Sherry Jones nicht als einen Beitrag zum Dialog mit dem Islam. Themen der islamischen Frühgeschichte wie der Umgang Mohammeds mit den Juden würden geschönt und hätten wenig mit der historischen Realität zu tun.

Katajun Amirpur im Gespräch mit Beatrix Novy |
    Beatrix Novy: Historische Romane sind ein altes und heute wieder sehr erfolgreiches Genre, vielleicht gerade weil das allgemeine Geschichtswissen auf einem historischen Tiefstand ist. Das Allermeiste ist allerdings völlig unhistorische und zusammenrecherchierte Massenproduktion. Die Autorin Sherry Jones hat auch ohne besondere Vorkenntnisse angefangen, aber sie hatte ein Anliegen, als sie einen Roman über "Aisha", die Lieblingsfrau des Propheten Mohammed schrieb. Sie wollte was beitragen zum Verständnis des Islam. Und nun macht das Buch seit Wochen Geisterschlagzeilen, weil eine amerikanische Islamwissenschaftlerin es als Softporno bezeichnete und auch Aufregung und sogar viel Schlimmeres in der islamischen Welt prophezeite. Da wird es zur Mutprobe, so ein Buch zu verlegen. Morgen erscheint die deutsche Ausgabe im mutigen Pendo Verlag, deshalb die Frage an Katajun Amirpur, auch sie Islamwissenschafterin, ob denn das Buch der Hitze der Debatte entspricht.

    Katajun Amirpur: Nun, ich glaube, es ist ein wohlgemeintes Anliegen, Verständnis zu wecken. Aber, nein, man kann nicht sagen, dass ihr das wirklich gelungen ist. Dazu ist es dann wirklich viel zu wenig an der historischen Realität dran, was sie da schreibt. Im Gegenteil, man könnte sogar den Vorwurf erheben, dass ganz viele etwas kritische Begebenheiten der Frühgeschichte des Islams einfach ausgeblendet werden. So hilft es dann auch nicht weiter, wenn man sagt, man versucht unter dem Deckmäntelchen, das alles gut ist oder dass man Dialog mit dem Islam propagieren möchte, dann wirklich alles wegzuschneiden, was eventuell an der Vorgeschichte des Islam Schwierigkeiten machen könnte. Ich glaube nicht, dass dieses ein wirklich glückliches Ansinnen ist und vor allem nicht, dass man dem gerecht geworden ist.

    Novy: Das heißt, sie ist sogar eher unkritischer als andere Veröffentlichungen?

    Amirpur: Das auf jeden Fall. Gerade, wenn man Passagen nimmt oder Themen der islamischen Frühgeschichte wie der Umgang Mohammeds mit den Juden. Das wird so dermaßen beschönigt, dass man sich eigentlich als jemand, der ein bisschen Ahnung hat von der Materie, nur an den Kopf packen kann und sich denkt, was soll denn das jetzt. Dann kann man natürlich argumentieren, das Buch ist nun mal ein Roman, es ist Fiktion, aber dann sollte es auch bei diesem Anspruch bleiben, dann sollte es bei dem Anspruch bleiben, sie wollte schlicht ein kleines nettes Romänchen schreiben, was keine anspruchsvolle Literatur ist, aber auch nicht völlig schlecht zu lesen. Man kann durchaus runterlesen. Aber bei dem Anspruch sollte es dann auch bleiben, und dann muss man nun wahrscheinlich nicht so daherkommen und sagen, man wollte zur Völkerverständigung beitragen.

    Novy: Na, aber vielleicht wäre es das ja auch gewesen und geblieben, was Sie da gerade skizziert haben, wenn nicht Denise Spellberg gewesen wäre, die amerikanische Islamwissenschaftlerin, die ja dem Buch überhaupt erst die Aufmerksamkeit verschafft hat. Warum? Wer ist Denise Spellberg?

    Amirpur: Denise Spellberg ist eine Spezialistin für islamische Frühgeschichte. Sie ist Professorin in den Vereinigten Staaten und sie ist vor allem Spezialistin für die Lieblingsfrau des Propheten, für Aisha, um die es um Wesentlichen geht in diesem Buch. Deswegen hat man sie gefragt, ob sie nicht einen sogenannten Blurb schreiben möchte, das sind diese kleinen Zeilen auf dem Buchdeckel, wo steht, unbedingt lesen, ganz, ganz hervorragendes Buch, weil sie eben als Spezialistin für dieses Thema gilt. Und Denise Spellberg hat das Buch gelesen, hat sich die Haare gerauft und gesagt, das ist A völlig unwissenschaftlich und ahistorisch, aber B ist es einfach auch so, dass Muslime sich in irgendeiner Art und Weise beleidigt fühlen könnten und dass es sogar zu irgendwelchen terroristischen Anschlägen kommen könnte gegen den Verlag. Das hat sie dem Verlag mitgeteilt. Und der Verlag hat dann beschlossen, das Buch nicht zu veröffentlichen.

    Novy: Aber zu solchen Drohungen ist es doch bisher so gut wie gar nicht gekommen offenbar?

    Amirpur: Ist es eigentlich nicht, nein. Und es wäre auch wahrscheinlich gar nicht zu solchen Drohungen gekommen, weil man erst durch diese ganze Affäre und so ist das Ganze in der Presse gelandet, so ist es unheimlich breitgetreten worden, und so hat das Ganze dann erst eine Aufmerksamkeit erfahren, die es ohne Denise Spellberg und die Affäre wahrscheinlich niemals bekommen hätte. Wahrscheinlich hätte niemand großartig von diesem Roman Notiz genommen. Dazu ist er auch einfach viel zu schlecht. Aber so hat man im vorausseilendem Gehorsam, ist man hingegangen und hat sich selber zensiert und dadurch wurde das zu einer riesengroßen Geschichte. Und dann war fast klar bei so einer Steilvorlage, dass irgendeiner islamischer Hassprediger kommt, das Ganze aufgreift und sagt, oh, da steht wahrscheinlich was ganz, ganz Schlimmes drin, jemand, der es wahrscheinlich selber gar nicht gelesen hat. Und dann kommt es zu was wie einem Anschlag, wie er dann doch passiert ist vor einigen Tagen in London bei dem Verlagshaus, wo es in Großbritannien herauskommen sollte, das Buch.

    Novy: Das Buch, das nun in Deutschland erscheint, kann man guten Gewissens vergessen?

    Amirpur: Im Zweifel schon, ja.

    Novy: Es gibt Besseres, sagen wir so?

    Amirpur: Es gibt sehr viele Bessere. Es ist nicht unbedingt lesenswert. Man verschenkt jetzt auch nicht allzu viel Zeit, wenn man sich das mal gemütlich zu Gemüte führen möchte, aber es ist auf jeden Fall kein wichtiges Buch. Und es ist unglaublich viel Wind um Nichts gemacht worden.

    Novy: Klare Worte von Katajun Amirpur über "Aisha" von Sherry Jones.