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Viele kleine Fortschritte

Medizin. - Viele neue wirksame Krebsmedikamente stehen kurz vor der Zulassung oder werden demnächst in großen Studien getestet. Und die Mediziner kombinieren altbekannte Behandlungsformen wie die Chemotherapie mit neuartigen Ansätzen. All diese kleinen Schritte zusammen führen dazu, dass die Betroffenen deutlich öfter geheilt werden können oder wenigstens länger überleben.

Von William Vorsatz |
    Unter den Krebserkrankungen ist Lungenkrebs besonders häufig. Die Heilungschancen sind gering. Nur 15 Prozent aller Betroffenen leben nach fünf Jahren noch. Aber in jüngster Zeit haben die Mediziner teilweise auch deutliche Fortschritte erreicht. Professor Michael Thomas von der Justus-Liebig-Universität Giessen:

    "Wenn man zum Beispiel das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom herausgreift - wir unterscheiden sogenannte kleinzellige von nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen - ist es dort so, dass in den Tumorstadien, die operiert werden können, durch den Einsatz der zusätzlichen Chemotherapie, und diese hat sich als wichtig in den letzten fünf Jahren gezeigt, dass durch den zusätzlichen Einsatz der Chemotherapie die Langzeitüberlebensraten in bestimmten Stadien zum Beispiel von 40 auf 60 Prozent nach fünf Jahren gesteigert werden können."

    Chemotherapien werden beim Lungenkrebs zwar schon seit 25 Jahren angewendet. Vor allem jedoch in späteren Stadien mit Metastasen. Bisher dienten sie vor allem der Eindämmung der Krebserkrankung, verlangsamten lediglich das Wachstum der Tumoren. Aktuelle große Studienzeigen aber, dass Chemotherapeutika mehr können. Thomas:

    "Das Neue, was wir jetzt wissen, ist, dass eine Chemotherapie zusätzlich zur Operation, die so genannte adjuvante Chemotherapie, wirklich Heilung ermöglicht bei diesen Patienten."

    Die chemotherapeutischen Medikamente sind in den letzten drei, vier Jahren bedeutend verbessert worden. Sie können untereinander kombiniert werden und so den Krebs von verschiedenen Seiten angreifen. Während die chemische Therapie vor allem die Zellkerne im Krebsgewebe angreift und die Zellteilung verhindert, blockiert die biologische Behandlung, die so genannte Target Therapy, vor allem die Entwicklung der Krebszellen, hemmt beispielsweise deren Wachstum oder die Gefäßbildung. Die Targettherapie ist gut verträglich. Der Darmkrebsspezialist Professor Hans-Joachim Schmoll von der Medizinischen Hochschule Hannover:
    "Das Entscheidende ist: Weil die Krebszelle diese Wachstrumsmechanismen in großem Ausmaß hat, und das gilt gerade für den Darmkrebs, auch für Lungenkrebs und für andere Tumoren, aber ganz besonders für den Darmkrebs - während normale Körperzellen sie nicht in dem Ausmaß haben, es sei denn, ich habe gerade eine Wunde, die zuheilen muss, dann ist diese Mechanismus aktiv - dadurch wirkt diese Therapie vorwiegend auf den Tumor. Klar, Nebenwirkungen gibt es, Hautreaktionen wie Akne, was man so kennt als Mensch, so junger Mann, aber das ist tolerierbar."

    Noch ist die Chemotherapie wichtiger: Aber die Target Therapie gewinnt mehr und mehr an Bedeutung: Die Mediziner profitieren jetzt von den Ergebnissen vieler Jahre molekularer Grundlagenforschung. Wie funktioniert eine normale Zelle und was macht die Krebszelle anders? Wenn die Forscher die Unterschiede verstehen, können sie genau dort ansetzen. Schmoll:

    "Wenn man diese Dinge miteinander kombiniert, also eine Hemmung der Gefäße, diesen epidermalen Wachstumsfaktor plus die Chemotherapie, dann gibt es Rückbildungsraten, die gehen in den Bereich von 80 Prozent."

    Die neuen hochwirksamen Medikamente gegen Krebs kommen vor allem von kleinen innovativen Pharmafirmen. Diese müssen sich dann meist große Pharma-Konzerne mit genügend finanziellem Stehvermögen suchen, um die anschließend notwendigen Studien durchzuhalten. Forschungskrankenhäuser wie der Medizinischen Hochschule in Hannover setzen große Hoffnungen in die neuen Medikamente. Schmoll:

    "Es sind, zum Glück, muss man sagen, Unmengen, und Unmengen viel versprechender. Aber ganz konkret, nehmen wir mal den Darmkrebs, da stehen ungefähr zehn, zwölf von diesen hoch modernen Medikamenten vor der Prüfung beim Menschen."