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"Viele seiner Ideen sind eigentlich Mainstream geworden"

Er ist der König in spe seit seiner Kindheit, er war verheiratet mit der wohl beliebtesten aller Prinzessinnen weltweit, der verstorbenen Diana, seine neue Gemahlin Camilla wurde zunächst leidenschaftlich gehasst - wie auch viele seiner Ideen bespöttelt wurden. Doch aus "Prince Charles" ist über die Jahre auch ein respektierter Visionär geworden - eine nicht unkönigliche Eigenschaft.

    Rainer Berthold Schossig: Und wieder einmal ein runder Geburtstag im britischen Königshaus. Der ewige Thronfolger, Prinz Charles, er wird heute 60. Es gab eine Reihe üblicher Festlichkeiten, die Charles ehrten, Königin Elizabeth II. hat ihm gestern im Buckingham Palace einen offiziellen Empfang ausgerichtet. Heute donnerten über 100 Salutschüsse über den Hyde Park, und morgen werden die Royals in kleinem Kreis auf dem Lande feiern. Doch was tut dieser Mann eigentlich, zumal nach dem tragischen Tod seiner Frau Diana, der populären Königin der Herzen? Frage an Jürgen Krönig in London, seit gefühlten vier Jahrzehnten wartet der Prinz nun auf die Thronfolge. Doch seine 82-jährige Mutter, sie will nicht. Bleibt da denn mehr als ein Leben in der Warteschleife?

    Jürgen Krönig: Man muss sagen, aus dem Prinzen, der oft bespöttelt wurde, aus diesem Mann, der als exzentrisch, versponnen und etwas komisch galt, ist mittlerweile jemand geworden, von dem man akzeptiert, dass er in vielen Dingen, sei es Medizin, sei es Landwirtschaft, sei es Architektur, richtig gelegen hat. Und viele seiner Ideen sind eigentlich Mainstream geworden.

    Schossig: Das müssen Sie jetzt aber noch ein bisschen erklären, Herr Krönig. Was heißt, aus einem Sonderling ist ein Mainstreamvertreter geworden?

    Krönig: Das heißt, viele seiner Ideen, die damals etwas absonderlich galten, Sie erinnern sich vielleicht an die berühmte Bemerkung, ein Furunkel im Gesicht des Freundes, angesichts des Modells eines Erweiterungsbaus der berühmten National Gallery am Trafalgar Square. Und er hat sich mit Händen und Füßen gegen diesen Bau gewehrt, ein modernistischer Bauentwurf, der dann auch schließlich abgelehnt wurde. Das hat ihn damals den Widerstand der gesamten Architekturzunft eingeheimst. Er galt als rückwärtsgewandt, als retro. Mittlerweile ist sein Architekturprojekt Poundbury, sein Musterdorf, das nahe von Dorchester in der Grafschaft Dorset entstanden ist …

    Schossig: Was ja auch als Kitsch verbellt worden war ursprünglich?

    Krönig: Genau, als Pastiche zumindest und als altmodisch. Das gilt geradezu als vorbildlich. Und dieses Dorf, dass die Autos zurückgedrängt hat, das versucht hat, Wohn- und Arbeitsplätze zusammenzubringen, das ist geradezu vorbildlich. Und der Premier und der zuständige Minister für Hausbau haben es sich angeschaut und wollen dieses Konzept übernehmen für viele andere Projekte. Das ist ja eine gewisse Rechtfertigung und Genugtuung für den Prinzen.

    Schossig: Der Prinz, das ist auch schon viele Jahre her, da hat er kritisiert, dass die alten Kirchtürme der alten Stadt weichen müssten dem Dorado der Banker. Mittlerweile ist Saint Paul’s Cathedral ja kaum noch zu sehen von der Themse aus. Auch da ja anscheinend mittlerweile durchaus ein problematischer Punkt, der verstanden wird heute?

    Krönig: Sie haben völlig recht. Wer die Realität Londons kennt, der muss schmerzlich mit anschauen, wie die schöne historische Vista da verschwunden ist. Das heißt ja nicht, dass man grundsätzlich gegen moderne Bauten oder Hochhäuser ist, sondern nur wohin sollen sie gesetzt werden und soll man die traditionellen Vistas respektieren. Und dafür hat er plädiert. Insofern auch das ein Beispiel dafür, dass seine Kritik, die damals als ein bisschen altmodisch und komisch galt, heute ganz anders gesehen wird. Das Gleiche gilt für Medizin, das Gleiche gilt für die Biolandwirtschaft, für die er sich eingesetzt hat. Und er wurde belächelt. Mittlerweile sind organisch-biologische Produkte, unter anderem hergestellt von seiner Duchy of Cornwall, extrem erfolgreich. Und vor allem auch ist man gewahr geworden seines Einsatzes zur Aussöhnung von Kultur und Religion. Das war immer ein sehr enorm wichtiges Anliegen für ihn, die Aussöhnung zum Beispiel mit dem Islam.

    Schossig: Man könnte fast sagen, dass Institut des Prinzen of Wales hat durchaus positive gesellschaftliche Funktionen. Bekannt ist ja auch, dass Charles vor Jahren eine Stiftung gegründet hat, die sich jungen Leuten aus benachteiligten Gruppen widmet. Welchen Erfolg hat er denn damit gehabt?

    Krönig: Die "Times" sagte heute in ihrem Leitartikel, dass The Prince’s Trust vor zwei 32 Jahren gegründet und sich in der Tat, wie Sie sagen, kümmert um Jugendliche, um Langzeitarbeitslose, um Exhäftlinge, dass dieses die erfolgreichste Stiftung der gesamten westlichen Welt sei, was Effizienz betrifft. Das ist seine Jugendarmee gegen Arbeitslosigkeit und Langeweile, die er schon Ende der 80er-Jahre vorgeschlagen hat. Und auch das sind Ideen, die heute aufgegriffen werden, weil man sich fragt, muss man nicht viel mehr tun, um diese Jugendlichen, die auf einen schiefen Weg geraten sind, wieder zurückzuführen.

    Schossig: Den Kontakt zum Glamour hat er nie verloren?

    Krönig: Nein, gerade auch, weil er natürlich ganz geschickt einsetzt Pop- und Rockstars und Komiker, um Geld reinzuholen für seinen Prince’s Trust. Und er hat insgesamt 51 Millionen Pfund zusammengebracht im Laufe dieser Zeit durch, unter anderem, Galakonzerte von Popstars, die für ihn freiwillig aufgetreten sind.

    Schossig: Soweit Jürgen Krönig aus London über die erstaunliche Verwandlung des ewigen britischen Thronfolgers Prinz Charles, der heute seinen 60. Geburtstag feiert.