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Viele Spenden für die ''Biobank''

Medizin. – Seit rund zwei Wochen liegt das menschliche Erbgut offiziell entziffert vor. Doch statt sich jetzt der aufwändigen Analyse der immensen Datenmengen zu widmen, gehen die Forscher erneut auf die Gen-Pirsch. In einem ausgesprochenen Wettstreit werden weltweit komplexe Datenbanken aufgebaut, in denen Blutproben und Gesundheitsdaten einzelner Bevölkerungsgruppen abgebildet werden sollen. Von solchen Biobanken versprechen sich Experten Hinweise auf den exakten Ursprung bestimmter Erkrankungen. Auch auf der zurzeit in England stattfindenden Europäischen Tagung der Humangenetiker steht das Thema auf der Agenda.

    Ginge es nach dem Wunsch von Genetikern, dann würde jede Krankheit durch nur eine einzelne Erbanlage allein verursacht. Ein bekanntes Beispiel für eine kleine genetische Veränderung mit großer Wirkung ist die Mukoviszidose. Humangenetiker wie Thomas Meitinger aus München sprechen dabei von so genannten monogenen Krankheiten: "Ein geänderter Buchstabe im Genom von drei Milliarden Basenpaaren genügt, um mit einer hohen Sicherheit eine monogene Erkrankung hervorzurufen." Heute wissen Genetiker genau, wie sie die Erbanlage für eine monogene Krankheit finden und wie sie die Funktionen dieses Gens weiter untersuchen können. Allerdings sind die meisten monogenen Krankheiten längst erforscht. Viele weiße Flecken finden sich dagegen auf der Karte jener Erbanlagen, die nicht unbedingt krank machen, sondern erst im Zusammenspiel mit bestimmten Umweltbedingungen zum Ausbruch eines Leidens oder auch nur zu einem erhöhten Risiko führen können.

    Doch diese genetischen Zeitbomben auszumachen, ist indes deutlich schwieriger: "Dabei genügen nicht mehr Einzelfälle, sondern es bedarf Daten aus ganzen Populationen und eine große Gruppe von Erkrankten, die man über statistische Methoden mit einer entsprechenden Kontrollgruppe vergleicht", resümiert Meitinger die Sisyphusarbeit. Das Motto lautet "Je mehr, desto besser", um bestimmten Gengruppen einen Hang zu üblem Einfluss auf die Gesundheit nachzuweisen. Statt aber immer neue Gruppen von Kranken und Gesunden zu testen, zu befragen und Blutproben zu sammeln, gehen einige Projekte einen anderen Weg. Sie erfassen gleich ganze Bevölkerungsgruppen oder Bevölkerungen in genetischen Datenbanken samt Blutproben und Gesundheitsdaten der Spender. Das bekannteste Projekt einer solchen Biobank findet seit vier Jahren in Island statt. Weil schnelle, verwertbare Erfolge für die Pharmaforschung in dem zunächst umstrittenen Vorhaben ausblieben, zog sich der Hauptsponsor Hoffmann La Roche kürzlich sogar aus dem Projekt zurück. Jetzt läuft die isländische Biobank auf Sparflamme.

    Ähnliche Probleme hat ein ambitioniertes Vorhaben in Estland, das in den kommenden Jahren eine Million Blutproben sammeln will. "Wir haben gerade ein Pilotprojekt in drei Regionen beendet. Dabei ging es darum, herauszufinden, was noch verbessert werden muss," erklärt Andres Metspalu, Universitätsprofessor in Tartu und Initiator des Projektes. Einige Schwachstellen, wie Computerprobleme und eine verbesserte Ausbildung der teilnehmenden Hausärzte, konnten so beseitigt werden und das Vorhaben kann in seine Hauptphase treten. Mangelnde Erfolge und mühsam fließende Mittel können die Initiatoren offenbar nicht abhalten, denn auch in Großbritannien und anderen Ländern stehen neue Biobanken in den Startlöchern. Metspalu setzt bei diesem Wettlauf auf den gewonnenen Vorpsrung: "Wenn wir schon vor zehn Jahren begonnen hätten, würden wir heute schon auswerten. Wenn Sie einen großen Berg erklimmen wollen, müssen Sie halt so früh wie möglich losgehen." Trotz aller Bedenken und Diskussionen belegt das Treffen der europäischen Genetiker, dass zweifellos immer mehr Biobanken entstehen werden. Daher müsse zukünftig vor allem die internationale Zusammenarbeit geregelt sowie ethische und Datenschutz-Standards vereinbart werden.

    [Quelle: Michael Lange]