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Viele Spielarten des Techno

Auf den Berlin Music Days - Kurztitel "BerMuDa" - gibt es vier Tage in angesagten Clubs Partys, Workshops, Vorträge und Filme – und am Ende ein großes Konzert auf dem Flughafen Tempelhof.

Von Oliver Kranz | 30.10.2012
    Tagsüber gibt es Workshops und Vorträge, abends Konzerte und Partys in den teilnehmenden Clubs – so war es auch bei der Berlin Music Week. Und doch sind die beiden Festivals grundverschieden. Während die Music Week vom Berliner Wirtschaftssenator initiiert wurde, sind die Music Days eine Veranstaltung der Macher. Sie konzentrieren sich auf elektronische Musik. Die Vermischung der Stilrichtungen, die es bei der Berlin Music Week gab, halten die Organisatoren für unsinnig.

    "Zumal Musik auch immer was mit Jugendkultur zu tun hat, mit Abgrenzung, mit Selbstdefinition. Und gerade solche jungen Leute achten sehr stark darauf, in welchen Zusammenhängen solche Formate präsentiert werden."

    Steffen Hack, Spitzname Stoffel, ist Betreiber des Watergate, eines angesagten Clubs an der Oberbaumbrücke in Kreuzberg. Als er die Berlin Music Days vor drei Jahren ins Leben rief, war gerade die Popkomm abgesagt worden.

    "Wir haben uns von der Popkomm nie vertreten gefühlt, aber trotzdem war es nicht unwichtig, so einen Treffpunkt in der Stadt zu haben. Dann haben wir gesagt: Okay, dann versuchen wir ein authentisches Format zu schaffen. Just zur selben Zeit hat sich der Berliner Senat, Wirtschaftssenat, zusammen mit der Club Commission und der Berlin Music Commission zusammengesetzt und hat auch an einem Nachfolgeprojekt der Popkomm gearbeitet."

    Steffen Hack wurde zur Mitarbeit eingeladen, doch er lehnte ab. Sein Misstrauen gegen den Berliner Senat sitzt tief.

    "Wir haben als Berliner Club kein Interesse daran, mit denen, die aus unserer Wahrnehmung an unserer Verdrängung arbeiten, zusammen ein Format zu machen. Es geht ja dem Senat nicht um den Erhalt der Clubkultur. Wir sind denen, denke ich mal, völlig egal. Die verstehen uns auch überhaupt nicht. Sie sind nur in ihrem Selbsterhalt interessiert."

    Bei diesem Thema kann sich der Watergate-Chef in Rage reden. Er glaubt, dass Politiker vor allem danach streben, finanziell handlungsfähig zu bleiben. Da Berlin hohe Schulden hat, wurde in den letzten Jahren sehr viel Tafelsilber verkauft – kommunal geführte Unternehmen, Immobilien und Grundstücke. Und das – so Steffen Hack – treibe die Mieten in die Höhe.

    "Die Clubkultur hier in Berlin ist aus dem Umstand entstanden, dass die Kapitalisierung des Quadratmeters, wie ich das immer bezeichne, hier nicht vonstattengegangen ist. Weil aufgrund der historischen Situation, der Insellage, dieser Kelch an uns vorbeigezogen ist. Ansonsten wären wir natürlich als Bundeshauptstadt auf einem ähnlichen Niveau, wie Paris, London, New York oder Moskau. Unsere Politiker, in meiner Wahrnehmung marktradikale Fundamentalisten, ist ihr Ansinnen, die Stadt genau dahin zu führen, wo die anderen sind. Da muss man schauen, dass man Investoren hierher holt, dass man die Stadt in einen Wachstumsprozess bekommt. Man sieht ja auch, was die Politik hier macht: Sie baut einen großen Flughafen beziehungsweise sie versucht, einen zu bauen. Sie lässt eine Stadtautobahn weiterbauen, was meiner Meinung nach im 21. Jahrhundert absoluter Nonsens ist."

    Und am Ende – so Steffen Hack – sei für die wirklich wichtigen Projekte kein Geld mehr da. Er ist froh, seinen Club ohne öffentliche Fördergelder aufgebaut zu haben. Das verleiht ihm in der Szene eine hohe Glaubwürdigkeit.

    "Clubs, die sonst nicht dabei sind bei Clubnächten in Berlin, die sind bei BerMuDa dabei. Auch viele Booking-Agenturen und PR-Agenturen sind auf diesem BerMuDa-Lab, um sich auszutauschen."

    Jan Kühn vom Berlin Mitte Institut hält selbst einen Vortrag im BerMuDa-Lab. Sein Thema: "Die Ökonomie des Underground".

    "Da hat sich so eine eigene Wertschöpfungskette herausgebildet, eine eigene Infrastruktur aus Clubs, Labels, aus Agenturen, aus Geschäften – sogar eigene Vertriebe gibt es im Techno - die insgesamt so eine Grundstruktur haben, dass die Musikästhetik für die immer noch einen höheren Stellenwert hat, als der Verkaufswert von dem, was sie da die ganze Zeit machen."

    Daher – so Jan Kühn – gebe es so viele verschiedene Spielarten des Techno und nicht nur einen einzigen verbindlichen Massensound. Clubs bemühen sich, ihr Publikum von Türstehern selektieren zu lassen. Auch darüber wird bei den Berlin Music Days diskutiert.
    Wer darf herein, wer nicht? – Was für die einen ein erniedrigendes Ritual ist, sehen andere als legitimes Mittel, die Einzigartigkeit der Clubs zu bewahren.

    "Berlin, das wissen wir alle, das ist der Hotspot weltweit für junge Menschen. In dieser halben Woche versuchen wir, ein komprimiertes Schaufenster darzustellen von dem, was es hier in der Stadt an Geschichten um die elektronische Musikkultur herum zu erleben gibt. Sei es, das wir hier im Kater Holzig Filme zeigen, dass die De:Bug verschiedene Softwareanwendungen von Musikfirmen für elektronische Musik oder andere Musik vorstellt, also das Leute dort reinschnuppern können, wie funktioniert das. Es gibt sogar Lötkurse, wo man an verschiedenen Geschichten rumschrauben kann."

    Denn Steffen Hack hat vor allem die Musikmacher im Blick. Fürs breite Publikum wird es die Clubabende geben und FlyBerMuDa – ein großes Konzert auf dem ehemaligen Flughafen in Tempelhof:

    "Dort machen wir in drei Hangars einen Rave. Wir haben dieses Jahr Sven Väth dabei, Luciano, Fritz Kalkbrenner, der sein neues Album vorstellt, Digitalism, Pan-Pot, Chris Liebing - also eigentlich die Crème de la Crème der elektronischen Musik."

    FlyBerMuDa bietet also für jeden etwas an. Und das zu sehr sozialen Preisen. Fünf Euro kostet der Festivalpass pro Tag – billiger kann man Clubkultur kaum irgendwo erleben.

    Infos:
    Berlin Music Days vom 31. Oktober bis 03. November 2012