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"Vieles kommt jetzt auf die Auslegung an"

Nach langen Diskussionen haben die Ministerpräsidenten der Länder einem Entwurf zur Neuregelung des Rundfunkstaatsvertrages zugestimmt. Ein Schwerpunkt ist die Stärkung sogenannter sendungsbezogener Internetinhalte. Günter Müchler, Programmdirektor des Deutschlandradios, sieht darin eine Bestätigung des Internetangebots von Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur.

12.06.2008
    Karin Fischer: Noch selten ist um einen neuen Rundfunkstaatsvertrag mit so harten Bandagen gerungen worden. Die Gräben zwischen Zeitungsverlegern, privaten Fernsehanbietern und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurden in den letzten Wochen und Monaten fast täglich tiefer ausgehoben, unter strammer Mitwirkung der eigenen Organe. ARD und ZDF glauben sich von der eigenen Zukunft abgeschnitten, wenn sie ihr Programmangebot nicht auch im Netz verbreiten dürfen und malten prophylaktisch schon mal das Gespenst einer Republik ohne Qualitätsjournalismus an die Wand. Die Zeitungsverleger protestierten gegen die Ausweitung des Netzangebotes als "elektronische Presse", weil die Öffentlich-Rechtlichen aufgrund der Gebührenfinanzierung Wettbewerbsvorteile haben. Und die EU-Kommissare pochen darauf, dass der neue Entwurf auch mit EU-Gesetzen in Einklang zu bringen ist. Heute ist ein Kompromiss gefunden worden, den wir kurz skizzieren und bewerten wollen. Dr. Günter Müchler, der Programmdirektor von Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur, ist im Studio. Herr Müchler, als solcher sind Sie Sympathisant und Partner der ARD, wie fortschrittlich oder wie beschränkend sind die neuen Regeln?

    Günter Müchler: Ich glaube, Frau Fischer, dass wir mit dem jetzt gefundenen Kompromiss ganz gut werden leben können. Wir standen ja von Anfang an gar nicht im Fokus der Auseinandersetzung, einer Auseinandersetzung, die nach meinem Dafürhalten überhaupt etwas hysterisch geführt worden ist. Im Kern ging und geht es wohl auch noch immer um die Berücksichtigung der Unterhaltung, also speziell eines Anliegens des Fernsehens von ARD und ZDF. Worüber ich mich sehr freue, ist, dass die Kostenbegrenzung für Internet-Aufwendungen aufgehoben wird, denn das war eine ganz irreführende Regelung, die zu einem paradoxen Ergebnis geführt hat, nämlich zu dem Ergebnis, dass diejenigen Programme, die besonders viel eigenen Stoff produziert haben und produzieren, bei der Umsetzung ins Internet über Entgelte für die Autorinnen und Autoren sehr viel zahlen mussten, was auch vollständig in Ordnung ist. Aber solche Programme, die nur recyceln, die hatten mit dieser Kostenbegrenzung niemals ein Problem, hingegen wir ein großes. Und wenn diese Begrenzung jetzt aufgehoben wird, heißt es nicht, dass wir mit der geöffneten Hand zum Gebührenzahler gehen und sagen, wir wollen jetzt mehr Geld haben, mehr Gebühr von euch bekommen, das heißt nur, dass wir frei sind, selbst zu sagen, wie viel uns das Internet im Rahmen der uns zugewiesenen Gebühr wert ist. Und das ist ein großer Vorteil.

    Fischer: Es gibt in den neuen Regelungen regelrechte Tabus, wenn Sie Unterhaltung sagen, wie zum Beispiel Kontaktbörsen, Beratungsdienste, Freizeittipps. Sport geht weiterhin, wenn auch zeitlich beschränkt. Und ein Terminus ist sicher zurecht sehr, sehr abgewogen worden, denn dieser Begriff kann weiter oder enger ausgelegt werden, das ist der Begriff "sendungsbezogen". Was bedeutet, dass die Öffentlich-Rechtlichen auf sendungsbezogene Inhalte beschränkt werden sollen?

    Müchler: Ich will das an unserem Beispiel exemplifizieren, weil man sich im eigenen Laden immer am allerbesten auskennt. Wir machen in unserem Internet-Auftritt nur das, was mit unseren Sendungen unmittelbar zu tun hat. Wir machen keine Spiele und verkaufen keine Bratpfannen und anderes, so wie wir ja überhaupt mit unserem Programm Informationen machen, Kultur machen, Bildung machen. Und das wird auch im Interesse der Gebührenzahler weiterhin möglich sein.

    Fischer: Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff nimmt an, dass die bestehenden Online-Angebote der ARD nicht im Widerspruch zum neuen Entwurf des Staatsvertrags stehen. Sie haben es gesagt, der Deutschlandfunk muss sich als Informationsprogramm da ohnehin weniger Sorgen machen, dennoch die Frage: Ist denn die Möglichkeit der Weiterentwicklung der Öffentlich-Rechtlichen im Netz damit auch wohl gewährleistet?

    Müchler: Ich hoffe das. Vieles kommt jetzt auf die Auslegung an, da gibt es ganz komplizierte Kompromisswege, und manche Kanone, die an diesem Artilleriekampf beteiligt ist, ist mit Worthülsen gefüttert. Ich hoffe, dass die Zukunft gewährleistet ist, und genau das hat ja auch das Karlsruher Bundesverfassungsgericht im vergangenen Herbst gesagt, indem es festgestellt hat, dass die Öffentlich-Rechtlichen eine Entwicklungsgarantie haben, auch unter den Bedingungen des digitalen Zeitalters.

    Fischer: Sie haben vorher den hysterischen Tonfall erwähnt. Wie bewerten Sie am heutigen Tag diese zum Teil sehr harten Auseinandersetzungen?

    Müchler: Also das ist ein Machtkampf, bei dem es um Wettbewerbsfelder geht und bei dem es nach meinem Eindruck um eine überzogene Einschätzung des Internets geht. Es gibt ja den einen oder anderen, der sagt, die Zukunft der Massenkommunikation wird allein beim Internet liegen. Ich bin der festen Überzeugung, dass solche Vorhersagen schon bald in dem großen Buch auftauchen werden, indem die Irrtümer der Moderne verzeichnet sind. Nein, das Internet wird ein wichtiges Medium auch in Zukunft sein, aber es wird die Zeitungen nicht verdrängen, nicht das Fernsehen und speziell nicht das Radio verdrängen, denn das Radio ist der Freund des Internets.