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Vielfältige Geständnisse

Im Thriller "Prisoners" entführt Hugh Jackman als besorgter Vater einen mutmaßlichen Täter, um ein Geständnis zu bekommen. Eine Frau am Krankenbett ihres Mannes legt in "Stein der Geduld" eine Lebensbeichte ab. Und in der Doku "Einzelkämpfer" lassen DDR-Sportler ihre Karriere Revue passieren.

    "Prisoners"
    "Wo sind die Mädchen? Wo – verdammt noch mal – sind sie? Wo sind die Mädchen? Hast du sie im Wald versteckt? Bist du schwerhörig?"

    Ein starker Auftakt. Packend beginnt "Prisoners". Zwei Mädchen sind wie vom Erdboden verschluckt. Vermutlich hat man sie entführt, womöglich missbraucht oder sogar ermordet. Der mutmaßliche Täter ist schnell gefasst. Doch die Polizei findet keinerlei Beweise und lässt den Mann nur wenig später wieder frei.

    "Alex Jones hat leider den IQ eines Zehnjährigen. Und es ist ganz unmöglich, dass jemand mit diesem IQ zwei Mädchen auf offener Straße entführt und dann irgendwie hat verschwinden lassen."

    Die Eltern der Mädchen sind entsetzt. Vor allem Hugh Jackman als einer der Väter kann nicht glauben, was ihm der von Jake Gyllenhall gespielte Detective berichtet.

    "Wäre doch möglich, dass er die Tat nicht allein begangen hat. Wie kann er so einen Camper fahren, wenn er den IQ eines Zehnjährigen hat?"
    "Jetzt hören Sie mal zu und halten Sie die Schnauze!"
    "Tun Sie mir bitte einen Gefallen und beruhigen Sie sich!"

    Statt sich aber zu beruhigen, nimmt ein verzweifelter und wütender Vater das Gesetz selbst in die Hand und verschleppt den Tatverdächtigen, um ein Geständnis aus ihm herauszupressen.

    Auch nach 30 Minuten ist "Prisoners" immer noch eine fesselnde Mischung aus Thriller und Charakterstudie, die mit ihrer düsteren Atmosphäre und der zermürbenden Spurensuche Sogwirkung erzeugt. Dann folgt eine Szene, die den Detective dabei zeigt, wie er aktenkundige Sexualstraftäter überprüft und auf eine Leiche stößt. Eine Szene, die Fragen aufwirft.

    Und Fragen werden einem in der Folge noch viele durch den Kopf schießen. Es sind Ungereimtheiten, die sich mit schlampiger Ermittlungsarbeit erklären lassen könnten. Aber es ist wohl eher schlampige Drehbucharbeit gewesen. Bis zur geradezu absurd-lachhaften Auflösung täuscht "Prisoners" den Zuschauer mit seinen atmosphärisch dichten Bildern und den großartig agierenden Darstellern. Blendwerk ist das und – trotz der Oscar-Gerüchte – ganz sicher kein Genre-Meilenstein wie "Das Schweigen der Lämmer". Zwiespältig.

    Stein der Geduld
    Seit Jahrzehnten bestimmt der Krieg den Alltag der Menschen in einer Stadt in Afghanistan. Der Tod ist auch im Haus einer jungen Mutter allgegenwärtig. Ihr Mann, getroffen von einer Kugel, liegt im Koma. Sie pflegt ihn so gut sie kann, denn Geld für Medikamente oder Ärzte hat sie keins. Die Frau ohne Namen, die im Zentrum der Handlung steht, legt am Krankenbett eine Art Lebensbeichte ab. Ihr Mann wird dabei zum "Stein der Geduld".

    In der persischen Mythologie hört sich der Stein alle Geheimnisse und Geständnisse an, bevor er vor Schmerz und Trauer am jüngsten Tag zerspringen wird.

    "Diese Zeit mit dir, in der ich spreche. Dieser tiefe Blick in meine Geheimnisse – wie ich sie ausspreche und du meinen Worten zuhörst. ... Du lebst solange, bis du mich von meinem Schmerz befreit hast. Nach zehn Jahren Ehe kann ich dir jetzt alles erzählen."

    Der in Afghanistan geborene Schriftsteller und Regisseur Atiq Rahimi hat mit "Stein der Geduld" seinen eigenen Roman verfilmt. Das Besondere von Rahimis Buch und Film ist nicht, welche Wirkung Krieg auf Menschen hat. Das haben schon viele andere Filme gezeigt. Wichtiger ist Rahimi hier die Selbstbefreiung seiner Protagonistin.

    Überwiegend besteht "Stein der Geduld" aus den Monologen der Hauptdarstellerin. Sie ist die Stimme der unterdrückten Frauen. Nicht nur in Afghanistan. Empfehlenswert.

    "Einzelkämpfer"
    "Das politische System hast du nie in Frage gestellt, oder?"
    "Nein. Mir ging´s doch gut. Ich habe doch in einem eigenen Kosmos gelebt. Ich wusste schon, was draußen los ist. Aber bis ´89 gab es ganz wenige, die dieses System in Frage gestellt haben."

    Udo Beyer, 1976 Olympiasieger im Kugelstoßen. Einer von vier Sportlern aus der ehemaligen DDR, die Sandra Kaudelka – selbst ehemalige Leistungssportlerin – in ihrer Dokumentation "Einzelkämpfer" porträtiert. Längst sind die Vier, die zu DDR-Zeiten als "Diplomaten in Trainingsanzügen" galten, aus dem Rampenlicht verschwunden. Wenn heute über Sport im zweiten deutschen Staat berichtet wird, dann in erster Linie über das DDR-System und vor allem über Doping.

    Für Sandra Kaudelka Grund genug, den Menschen hinter dem System zu zeigen. Denn – wie es schon der Titel ihrer Doku deutlich macht – sie alle waren "Einzelkämpfer". Und so lassen die vier Sportler ihre Karrieren Revue passieren, reden über Privilegien und Einschränkungen, über Wünsche und Ängste. Es ist nicht immer ein kritischer Blick auf die DDR-Vergangenheit, gerade dadurch aber auch ein umso ehrlicher. Empfehlenswert.