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Vielschreiber und Wegbereiter

Georg Philipp Telemann galt in der Musikgeschichte lange Zeit als Vielschreiber und profilierungssüchtiger Musiker. Diese Art der Abqualifizierung entstand im 19. Jahrhundert. Heute wird er als Wegbereiter vom barocken zum neuen klassischen Stil geschätzt.

Von Christiane Lehnigk | 28.03.2005
    Musikbeispiel: Georg Philipp Telemann - Sonata in F-Dur TWV 43:F1, 2.Satz

    Georg Philipp Telemann galt in der Musikgeschichtsschreibung lange Zeit als Vielschreiber und profilierungssüchtiger Musiker. Diese Art der Abqualifizierung entstand im 19. Jahrhundert, in einer Zeit, in der jedoch sein Werk kaum bekannt war.

    Telemann war einer der profiliertesten Komponisten seiner Zeit, und wurde damals allgemein als der führende deutsche Komponist von Anfang bis Mitte des 18. Jahrhunderts angesehen, der keineswegs im Schatten Bachs stand. Die Polarität der beiden so unterschiedlichen Musiker wurde erst im 19. Jahrhundert konstruiert. Es war ihm, wie kaum einem anderen Zeitgenossen gelungen, sich und seine Werke zu vermarkten. Seine Sammlung von Gebrauchsmusiken ist einzigartig und zeigt, wie sehr sich Telemann an den jeweiligen Bedingungen orientieren konnte. Seine großen Zyklen ließ er im Druck, oft im Eigenstich, verbreiten, was seinen Werken weit über Deutschland hinaus zu großer Popularität verhalf.

    Er hat für fast jedes Instrument komponiert und dabei ein großes Gespür für den Geschmack des Publikums und die Bedürfnisse der professionellen Musiker und Sänger wie auch der musikliebenden Amateure bewiesen. Fließende Melodiebehandlung und unkomplizierte Strukturen waren bestimmende Elemente in seinen Werken. Dabei gelang es ihm, die französischen und englischen Einflüsse mit dem deutschen Stil zu verbinden, der allgemein als "gelehrte und arbeitsame Vielstimmigkeit" bezeichnet wurde.

    Die neue, auch wissenschaftliche Beschäftigung mit Telemann bedingte auch, dass der umtriebige Komponist jetzt außerdem als Wegbereiter vom barocken zum neuen klassischen Stil gewertschätzt wurde, wobei es noch weiterhin Einiges zu entdecken gibt.

    Die Quartette und Quintette aus dem Werkverzeichnis 43 und 44, die Harmonie Universelle auf dieser CD einspielte, entstanden ungefähr um die Zeit zwischen 1705 und 1725 und dokumentieren den französisch-italienisch-deutschen vermischten Stil. Bevor Telemann 1721 zum Musikdirektor der Hansestadt Hamburg avancierte, war er zunächst Kapellmeister in Sorau, Eisenach und Frankfurt gewesen. Die Quartette und Quintette waren mit ihren technischen und musikalischen Ansprüchen sicher nicht für Laien geschrieben sondern den Virtuosen der Hofkapellen zugedacht. Diese Aufnahme präsentiert 5 der 6 Werke erstmals in ihrer originalen Erstversion und der Besetzung von 2 Violinen, 1 oder 2 Bratschen, Violoncello und Cembalo.

    Hier der 1. und 2. Satz ,"Affetuoso" und "Allegro", aus der Sonata à cinque in F-dur. Es spielen : Florian Deuter und Mónica Waismann – Violine, David Glidden und Deirdre Dowling – Viola, Pierre Augustin Lay – Violoncello und Philippe Grisvard – Cembalo.

    Musikbeispiel: Georg Philipp Telemann - Sonata à 5 F-Dur TWV 44:11, 1.+2.Satz

    Harmonie Universelle ist ein junges, internationales Ensemble, das sich 2003 in Frankreich gegründet hat, wo sich die Mitglieder während ihres Engagements bei einem der renommiertesten Barockorchester, "Les Musiciens du Louvre" unter der Leitung von Mark Minkowski kennenlernten. Inzwischen ist das Ensemble in Köln beheimatet.

    Der Name des Ensembles ist dem bekannten Musiktraktat des Philosophen Marin Mersenne von 1627 entnommen, in dem eine Vielfalt musiktheoretischer Bereiche behandelt werden, in Aussagen, die auch heute noch gültig sind. Der Schwerpunkt des Repertoires liegt auf dem kammermusikalischen Repertoire des 17. und 18. Jahrhunderts, in dem es noch viel Neues zu entdecken gilt.

    An der Spitze steht der Geiger Florian Deuter, der einige Jahre bei Musica Antiqua Köln spielte, Konzertmeister bei den Musiciens, sowie dem Amsterdam Baroque Orchestra, dem Gabrieli Consort und der Chapelle Royale war.

    Zu dem festen Kern des Ensembles gehören die argentinische Geigerin Mónica Waismann, der kanadische Geiger und Bratschist David Glidden, der französische Cellist Pierre Augustin Lay und der französische Cembalist und Organist Philippe Grisvard. Die vorliegende Aufnahme mit Quartetten und Quintetten von Georg Philipp Telemann und Johann Friedrich Fasch ist die erste, vielversprechende CD des Ensembles, und sie zeigt, wie es den Musikern gelungen ist, in kurzer Zeit zu einem eigenen Stil zu finden.

    Dieser Stil zeichnet sich gleichermaßen durch Spielfreude wie Eleganz aus, der Klang verschmilzt zu einem homogenen Ganzen und auch die Ornamentierung dokumentiert ein fundiertes Wissen der zeitgenössischen Quellen. Vor allem in den langsamen Sätzen entsteht eine Innigkeit des Ausdrucks, den man in vielen anderen Ensembles vergeblich sucht.

    Hören Sie hier die ersten beiden Sätze des A-dur Concerto von Telemann zu vier Stimmen.

    Musikbeispiel: Georg Philipp Telemann - Concerto A-dur TWV 43:A4, 1.+2. Satz

    Neben die Sonaten und Concerti zu vier und fünf Stimmen von Georg Philipp Telemann hat das Ensemble Harmonie Universelle noch ein Quartett des Zeitgenossen Johann Friedrich Fasch gestellt, das in dieser Besetzung in seinem Werk ein Unikat darstellt. Wenn Fasch auch individuelle Charakteristika verwendet, so scheint er sich doch stilistisch an Telemanns Quartetten zu orientieren und auch die konzertierenden Elemente aufzunehmen.

    Musikbeispiel: Johann Friedrich Fasch - Sonata à 4 d-moll, 4.Satz (Ausschnitt)

    Diskografische Angaben

    Titel: "Telemann und Fasch"
    Ensemble: Harmonie Universelle
    Label: Eloquentia (Vertrieb: Harmonia Mundi France)
    Labelcode: LC 7045
    Bestell-Nr.: EL 0502