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Vielseitiges Material mit Zukunft

Materialwissenschaft. – Titan ist ein sehr begehrtes Material. Es ist leicht und zugleich stabil, hitzebeständig und rostfrei. Das macht das Metall zu einem gefragten Material auch für die Medizin. Aktuelle Entwicklungen diskutieren 700 Experten auf dem 10. Titan-Weltkongress in Hamburg.

    Es gibt kaum eine Prothese, bei der Titan nicht zum Einsatz kommen könnte. Ein Schauskelett der Schweizer Firma Centerpulse Orthopedics zeigt, dass Gliedmaßen Wirbelsäule und Gebiss gut mit Implantaten unter Titanverwendung zurecht kämen. Das hat einen Grund. Firmenvertreter Markus Bindler erklärt: "Titan hat einen sehr hohen Korrosionswiderstand und ist hochfest. Es ist daher sehr gut geeignet für Implantate, die sehr hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt werden." Überdies bildet sich an der Oberfläche von Titanteilen sofort eine dünne Oxidschicht, die weitere Korrosion verhindert, so dass Titan im Körper nicht rostet. "Für Implantate ist Titan der Werkstoff erster Wahl", meint daher Jürgen Breme, Professor für metallische Werkstoffe an der Universität Saarbrücken. Hinzu kommt ein erst seit jüngstem bekannter weiterer Vorteil. Breme: "Diese Titanoxidschicht hat an der Oberfläche freie OH-Gruppen, an die zum Beispiel Aminosäuren angelagert werden können. Damit reagieren die Zellen und deshalb verwächst dieses Titan mit der Umgebung, d.h. mit dem Knochen und mit dem Weichgewebe."

    Dieser Effekt ist durchaus erwünscht, denn dadurch wird aus dem metallischen Fremdkörper fast so etwas wie körpereigenes Gewebe. Allerdings hat das Metall auch ungünstige Eigenschaften, vor allem sein hoher Verschleiß. "Deshalb wird bei den heutigen Hüftgelenksimplantaten noch eine Zwischenschicht von einem Polymer eingesetzt", erklärt Jürgen Breme. Allerdings ist der Kunststoff ein Schwachpunkt, weshalb Breme und andere eine Diamantbeschichtung oder speziell gehärtete Titanlegierungen vorzögen. "Das sind Titanwerkstoffe, die verstärkende Keramikpartikel enthalten wie zum Beispiel Titanborid", so Breme, "mit diesen Partikeln schafft man es auch, den Verschleiß praktisch gegen Null zu bringen. Da könnte man sich vorstellen, dass man diese Werkstoffe auch direkt gegeneinander laufen lassen kann, ohne diese Zwischenlage aus Kunststoff."

    Auch bei Zahnersatz setzt sich Titan inzwischen durch, schon seit längerem als künstliche Zahnwurzel, mehr und mehr auch als Unterbau für Brücken, Kronen oder Füllungen, den so genannten Inlays. "Kronen und Inlays werden durch Präzisions-Gießverfahren hergestellt, es ist aber bislang schwierig, beim Titan eine ausreichende Genauigkeit beim Gießen wie auch beim anschließenden mechanischen Bearbeiten hinzubekommen", sagt Mitsuo Niinomi, Professor an der japanischen Toyohashi Universität. Die weitgehende Genauigkeit muss aber sein, schließlich kann die menschliche Zunge Unterschiede bis auf zehn Mikrometer genau erspüren. Die Forscher arbeiten bereits an besseren, an genaueren Verfahren für die Titanbearbeitung. Sollten sie Erfolg haben, und davon geht Niinomi aus, könnte sich Titan in unseren Mündern dereinst einen festen Platz erobern – nicht zuletzt, weil es im Vergleich zu den derzeit verwendeten Metallen geradezu billig ist.

    [Quelle: Frank Grotelüschen]