Mombasa, Kenia. Postkartenidylle. Der Indische Ozean rauscht, Palmen wiegen sich leicht in der Abendbrise. In den Hotels unterhalten sich die Touristen über ihre Safaris in den Wildparks, schwärmen von Löwen und Elefanten, von Giraffen, Büffel- und Zebraherden.
Jahr für Jahr kommen rund eine Million Touristen, darunter 200.000 Deutsche. Der Tourismus ist eine der größten Einnahmequellen für das Land, das 1963 unabhängig wurde. Damals wurde in Anwesenheit von Prinz Philipp der Union Jack eingeholt und Kenias Flagge zu den Klängen der neuen Nationalhymne aufgezogen
Die Engländer übergaben dem ersten Präsidenten, dem legendären Jomo Kenyatta, dem Mann mit dem Fliegenwedel, eine geordnete Kolonie: ein funktionierendes Straßennetz, eine ordentliche Verwaltung, Schulen und Krankenhäuser. Aber sie hinterließen auch ein paar Probleme, die bis heute nachwirken. Die Kolonialherren hatten einige Grenzen recht willkürlich mit dem Lineal gezogen, hatten zusammengewürfelt, was nicht zusammen gehörte: So musste ein Sammelsurium von Stämmen, Sprachen und Religionen erst zu einer Nation zusammenwachsen.
Um das so genannte "Nationbuilding" zu fördern, entschlossen sich viele "Gründerväter", so auch Kenyatta, vorhandene Parteien, die meist nach Stammesgrenzen organisiert waren, aufzulösen und in einer Einheitspartei zusammenzufassen. Den "Rest von Zusammengehörigkeit" sollte dann der Präsident als Integrationsfigur schaffen: Sein Bild hing in jedem Büro, war auf jeder Briefmarke und auf jedem Geldschein zu sehen.
Jubelchöre besingen ihn morgens und abends, im Radio und Fernsehen, wenn er wegfliegt und wenn er wiederkommt, bei offiziellen Anlässen, an Sonn- und Feiertagen.
Als der Ostblock sich auflöste, fragten auch afrikanische Zeitungen:
Wann wird der große Wind mit Namen Demokratie, der über Osteuropa hinwegfegte, die Kokosnusspalmen Afrikas schütteln?
Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts war auch die Zeit der Einheitsparteien zu Ende. Auf Druck des Westens musste auch Daniel arap Moi in Kenia demokratische Parteien zulassen, die sich oft entlang ethnischer Linien bildeten. Im Land gibt es rund 40 Volksgruppen. Die Kikuyus sind mit rund 20 Prozent der größte Stamm, aber die Luos sind, zusammen mit den ihnen verwandten Luhyas, ein wichtiger Stimmblock. Keine dieser Ethnien ist groß genug, um allein zu regieren, aber groß genug, um ihren Anteil an der Macht zu fordern. Ein ähnliches Völkergemisch wie im früheren Jugoslawien.
Diese Kräfteverhältnis hatte schon Staatsgründer Kenyatta, der lange im Gefängnis saß, bei seiner Regierung berücksichtigt:
"Wir sind herausgekommen und können sagen, wir waren in einer Universität. Wir haben im Gefängnis über Politik mehr gelernt als draußen."
Bei der letzten Wahl 2002 in Kenia brachte es die Opposition zum ersten Mal fertig, ein Wahlbündnis, die Regenbogen-Koalition, zu bilden und sich auf einen gemeinsamen Gegen-Kandidaten zu einigen: der Kikuyu Mwai Kibaki sollte Daniel arap Moi ablösen. Und Raila Odinga, Sohn des legendären früheren Vize-Präsidenten, brachte die Luo-Stimmen ein, ohne die ein Wahlsieg nicht zu schaffen war. Dafür sollte er, nach einer Verfassungsänderung, Ministerpräsident werden. Aber kaum an der Macht, wollte Kibaki von diesen Absprachen nichts mehr wissen, versprach aber bei seiner Amtseinführung vor fünf Jahren:
"Ich fordere Euch alle auf: Unterstützt die Regierung beim Kampf gegen die Korruption!"
In Kenia herrschte damals regelrechte Aufbruchstimmung. Selbst in den Slum-Vierteln wurde, früher undenkbar, Polizisten oder städtischen Beamten das kleine Bestechungsgeld "chai", das Suaheli-Wort für Tee, verweigert. Aber es dauerte nicht lange und es kamen die ersten dicken Korruptionsskandale der neuen Regierung ans Tageslicht. Die versprochene Verfassungsreform wurde immer wieder vertagt und ist bis heute nicht verwirklicht.
Raila Odinga war es irgendwann leid, fühlte sich betrogen und verließ das Kabinett. Obwohl er selbst relativ wohlhabend ist, wurde er zum Kandidaten der Armen, bei denen nichts vom Wirtschaftsboom ankommt, auf den der Präsident so stolz ist. Auch in Kenia werden die Reichen reicher und die Armen ärmer.
Während in Nairobis Straßen die neuesten Mercedes- und BMW-Modelle fahren, muss noch immer knapp die Hälfte der Bevölkerung ohne Strom und Wasser mit einem Dollar pro Tag, nicht mal ein Euro, dahin vegetieren. Daher wurde Odinga nicht müde, im Wahlkampf immer wieder zu betonen:
"Eines unserer Hauptziele ist die Bekämpfung der Armut!"
Er hatte das richtige Thema getroffen. Über Wochen führte Odinga in Meinungsumfragen vor Kibaki, eine Sensation in Afrika, wo Regierungen die Opposition mit allen Mitteln behindern und Wähler dazu neigen, den Häuptling, sprich Staatspräsidenten, zu bestätigen.
Darum ließ auch Kibaki noch schnell vor der Wahl einige Mitglieder der Wahlkommission gegen seine Getreuen auswechseln. Als die Stimmauszählung begann, wurde der Vorsprung der Opposition schnell deutlich: Reihenweise verloren prominente Minister und Politiker ihre Parlamentssitze gegen namenlose Neulinge, gewann die Opposition die meisten Sitze im Parlament.
Nur bei Auszählung der Präsidentenstimmzettel war plötzlich alles ganz anders, wurde Odingas Vorsprung immer kleiner und der von Kibaki immer größer. Bis dann der Wahlleiter in einer tumultartigen Szene überraschend das angebliche Wahlergebnis verkündete: Der neue Präsident war der alte, Kibaki wurde in einer Blitzzeremonie vereidigt.
Inzwischen hat der Wahlleiter zugegeben, er sei unter Druck gesetzt worden, Kibaki schnell zum Sieger zu erklären, er wisse aber nicht, ob er wirklich gewonnen habe.
Kein Wunder, dass die Luos, die im Westen Kenias zuhause sind, sich wieder einmal betrogen fühlen. Kein Wunder, dass gerade die Ärmsten auf die Straße gingen, ihrer Wut mit demolierten Autos und geplünderten Geschäften Luft machten.
Viele Kenianer sind geschockt, dass ausgerechnet in ihrem Land, bisher eine Insel des Friedens in Ost-Afrika, ein Bürgerkrieg drohen könnte. Aber Kenias Ruf als Musterland dürfte endgültig dahin sein. Viele Touristen dürften das Land vorerst meiden. Damit werden einige der über Hunderttausend Kellner, Musiker, Fahrer oder Touristenführer ihren Job verlieren. Somit werden die "kleinen Leute" und die Ärmsten den Preis für die verpfuschten Wahlen bezahlen müssen.
Jahr für Jahr kommen rund eine Million Touristen, darunter 200.000 Deutsche. Der Tourismus ist eine der größten Einnahmequellen für das Land, das 1963 unabhängig wurde. Damals wurde in Anwesenheit von Prinz Philipp der Union Jack eingeholt und Kenias Flagge zu den Klängen der neuen Nationalhymne aufgezogen
Die Engländer übergaben dem ersten Präsidenten, dem legendären Jomo Kenyatta, dem Mann mit dem Fliegenwedel, eine geordnete Kolonie: ein funktionierendes Straßennetz, eine ordentliche Verwaltung, Schulen und Krankenhäuser. Aber sie hinterließen auch ein paar Probleme, die bis heute nachwirken. Die Kolonialherren hatten einige Grenzen recht willkürlich mit dem Lineal gezogen, hatten zusammengewürfelt, was nicht zusammen gehörte: So musste ein Sammelsurium von Stämmen, Sprachen und Religionen erst zu einer Nation zusammenwachsen.
Um das so genannte "Nationbuilding" zu fördern, entschlossen sich viele "Gründerväter", so auch Kenyatta, vorhandene Parteien, die meist nach Stammesgrenzen organisiert waren, aufzulösen und in einer Einheitspartei zusammenzufassen. Den "Rest von Zusammengehörigkeit" sollte dann der Präsident als Integrationsfigur schaffen: Sein Bild hing in jedem Büro, war auf jeder Briefmarke und auf jedem Geldschein zu sehen.
Jubelchöre besingen ihn morgens und abends, im Radio und Fernsehen, wenn er wegfliegt und wenn er wiederkommt, bei offiziellen Anlässen, an Sonn- und Feiertagen.
Als der Ostblock sich auflöste, fragten auch afrikanische Zeitungen:
Wann wird der große Wind mit Namen Demokratie, der über Osteuropa hinwegfegte, die Kokosnusspalmen Afrikas schütteln?
Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts war auch die Zeit der Einheitsparteien zu Ende. Auf Druck des Westens musste auch Daniel arap Moi in Kenia demokratische Parteien zulassen, die sich oft entlang ethnischer Linien bildeten. Im Land gibt es rund 40 Volksgruppen. Die Kikuyus sind mit rund 20 Prozent der größte Stamm, aber die Luos sind, zusammen mit den ihnen verwandten Luhyas, ein wichtiger Stimmblock. Keine dieser Ethnien ist groß genug, um allein zu regieren, aber groß genug, um ihren Anteil an der Macht zu fordern. Ein ähnliches Völkergemisch wie im früheren Jugoslawien.
Diese Kräfteverhältnis hatte schon Staatsgründer Kenyatta, der lange im Gefängnis saß, bei seiner Regierung berücksichtigt:
"Wir sind herausgekommen und können sagen, wir waren in einer Universität. Wir haben im Gefängnis über Politik mehr gelernt als draußen."
Bei der letzten Wahl 2002 in Kenia brachte es die Opposition zum ersten Mal fertig, ein Wahlbündnis, die Regenbogen-Koalition, zu bilden und sich auf einen gemeinsamen Gegen-Kandidaten zu einigen: der Kikuyu Mwai Kibaki sollte Daniel arap Moi ablösen. Und Raila Odinga, Sohn des legendären früheren Vize-Präsidenten, brachte die Luo-Stimmen ein, ohne die ein Wahlsieg nicht zu schaffen war. Dafür sollte er, nach einer Verfassungsänderung, Ministerpräsident werden. Aber kaum an der Macht, wollte Kibaki von diesen Absprachen nichts mehr wissen, versprach aber bei seiner Amtseinführung vor fünf Jahren:
"Ich fordere Euch alle auf: Unterstützt die Regierung beim Kampf gegen die Korruption!"
In Kenia herrschte damals regelrechte Aufbruchstimmung. Selbst in den Slum-Vierteln wurde, früher undenkbar, Polizisten oder städtischen Beamten das kleine Bestechungsgeld "chai", das Suaheli-Wort für Tee, verweigert. Aber es dauerte nicht lange und es kamen die ersten dicken Korruptionsskandale der neuen Regierung ans Tageslicht. Die versprochene Verfassungsreform wurde immer wieder vertagt und ist bis heute nicht verwirklicht.
Raila Odinga war es irgendwann leid, fühlte sich betrogen und verließ das Kabinett. Obwohl er selbst relativ wohlhabend ist, wurde er zum Kandidaten der Armen, bei denen nichts vom Wirtschaftsboom ankommt, auf den der Präsident so stolz ist. Auch in Kenia werden die Reichen reicher und die Armen ärmer.
Während in Nairobis Straßen die neuesten Mercedes- und BMW-Modelle fahren, muss noch immer knapp die Hälfte der Bevölkerung ohne Strom und Wasser mit einem Dollar pro Tag, nicht mal ein Euro, dahin vegetieren. Daher wurde Odinga nicht müde, im Wahlkampf immer wieder zu betonen:
"Eines unserer Hauptziele ist die Bekämpfung der Armut!"
Er hatte das richtige Thema getroffen. Über Wochen führte Odinga in Meinungsumfragen vor Kibaki, eine Sensation in Afrika, wo Regierungen die Opposition mit allen Mitteln behindern und Wähler dazu neigen, den Häuptling, sprich Staatspräsidenten, zu bestätigen.
Darum ließ auch Kibaki noch schnell vor der Wahl einige Mitglieder der Wahlkommission gegen seine Getreuen auswechseln. Als die Stimmauszählung begann, wurde der Vorsprung der Opposition schnell deutlich: Reihenweise verloren prominente Minister und Politiker ihre Parlamentssitze gegen namenlose Neulinge, gewann die Opposition die meisten Sitze im Parlament.
Nur bei Auszählung der Präsidentenstimmzettel war plötzlich alles ganz anders, wurde Odingas Vorsprung immer kleiner und der von Kibaki immer größer. Bis dann der Wahlleiter in einer tumultartigen Szene überraschend das angebliche Wahlergebnis verkündete: Der neue Präsident war der alte, Kibaki wurde in einer Blitzzeremonie vereidigt.
Inzwischen hat der Wahlleiter zugegeben, er sei unter Druck gesetzt worden, Kibaki schnell zum Sieger zu erklären, er wisse aber nicht, ob er wirklich gewonnen habe.
Kein Wunder, dass die Luos, die im Westen Kenias zuhause sind, sich wieder einmal betrogen fühlen. Kein Wunder, dass gerade die Ärmsten auf die Straße gingen, ihrer Wut mit demolierten Autos und geplünderten Geschäften Luft machten.
Viele Kenianer sind geschockt, dass ausgerechnet in ihrem Land, bisher eine Insel des Friedens in Ost-Afrika, ein Bürgerkrieg drohen könnte. Aber Kenias Ruf als Musterland dürfte endgültig dahin sein. Viele Touristen dürften das Land vorerst meiden. Damit werden einige der über Hunderttausend Kellner, Musiker, Fahrer oder Touristenführer ihren Job verlieren. Somit werden die "kleinen Leute" und die Ärmsten den Preis für die verpfuschten Wahlen bezahlen müssen.