Jörg Biesler: Seit an den Hochschulen der Bolognaprozess begonnen hat, herrscht bei den Juristen helle Aufregung. Es wird diskutiert, ganz heiß, ob Bachelor und Master geeignete Modelle für das Jurastudium sind, ob die Juristenausbildung insgesamt in Deutschland eigentlich noch das leistet, was sie soll, und wie das Verhältnis staatlicher und universitärer Prüfungen zukünftig aussehen könnte. In Berlin treffen sich von heute an deutsche Juristen mit ausländischen Kollegen, um neue Perspektiven zu entwickeln für die Juristenausbildung im Zeichen von Bologna. Einer von ihnen ist Alexander Lorz, Juraprofessor der Universität Düsseldorf und bis vor einem Jahr Staatssekretär im hessischen Wissenschaftsministerium. Guten Tag, Herr Lorz!
Alexander Lorz: Schönen guten Tag!
Biesler: Seit Jahren wird gestritten – es gibt Unterschriftenlisten, Petitionen und Streitschriften. Warum ist es eigentlich gerade für Juristen so schwer, sich auf eine Ausbildung zu einigen?
Lorz: Nun, es hat unter dem Bologna-Aspekt, aber nicht nur unter diesem zwei Gründe: Der erste Grund ist, dass der Zugang zu den klassischen juristischen Berufen traditionell und übrigens eigentlich in fast allen Ländern dieser Welt staatlich reglementiert ist und dass natürlich eine juristische Ausbildung auf diese staatlichen Reglementierungen Rücksicht nehmen muss, weil da der Großteil unserer Absolventen hingeht. Und der zweite Grund liegt darin, dass Recht als nahezu einzige Disziplin an der Universität per definitionem national begrenzt ist. Es gibt keine deutsche Medizin, amerikanische Medizin, französische Medizin, aber es gibt sehr wohl deutsches Recht, amerikanisches Recht, französisches Recht.
Biesler: Die Konferenz, auf der auch Sie sprechen in Berlin, veranstaltet von der Hochschulrektorenkonferenz, vom Deutschen Akademischen Austauschdienst und dem Stifterverband, diese Konferenz heißt: Neue Perspektiven auf die Juristenausbildung in Europa. Sie haben ja viel internationale Erfahrungen. Lassen sich aus Europa oder auch darüber hinaus Impulse für die deutsche Ausbildung gewinnen?
Lorz: Natürlich, es ist immer hilfreich, über die Grenzen zu schauen, wo andere Systeme mit den gleichen Problemen zu ringen haben, und die Lösungsvarianten, die dort dann auch ausprobiert werden, die kann man zumindest evaluieren und von denen kann man im Guten wie im Schlechten immer etwas lernen.
Biesler: Was lernen Sie denn daraus? Ich habe schon erwähnt, es gibt derzeit ja viele unterschiedliche Modelle, von der Beibehaltung des überkommenen Systems mit Staatsprüfung und Referendariat, an dem dann aber auch kritisiert wird, es sei sozusagen eigentlich eine Richterausbildung und für die normalen Anwälte oder für die Juristen, die später in Unternehmen oder sonst wo tätig sind, eigentlich nicht so sinnvoll, bis zum Bachelor für Einheitsjuristen, wo es dann anschließend eine Spezialisierung geben könnte. Also eine Vielzahl von Modellen liegt auf dem Tisch. Welches Modell favorisieren Sie?
Lorz: Was man in der Tat lernen kann, ist, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, wie man auch eine gute juristische Ausbildung durchführen kann. Es gibt nicht den Königsweg, das Modell, dem jetzt alle folgen müssten. Was man aber auch aus dem Vergleich lernt – das kam schon heute Vormittag sehr deutlich heraus –, ist, dass eben die Reglementierung des Zugangs zu den juristischen Berufen letzten Endes die Möglichkeit der Ausbildungssysteme auch begrenzt oder vorbestimmt. Und wenn die Systeme mit den gleichen Anforderungen von Staats wegen konfrontiert werden, was sie für Juristen zu liefern haben, letzten Endes bei aller Unterschiedlichkeit in der Vorgehensweise am Ende doch sehr ähnliche Ergebnisse herauskommen.
Biesler: Das heißt, es müsste sich erst mal die staatliche Seite entscheiden, ob sie an einem Referendariat festhalten will, ob sie an staatlichen Prüfungen festhalten will, und dann können erst die Hochschulen darauf reagieren?
Lorz: Das ist korrekt. Und wir bereiten uns hier auf Konferenzen wie dieser eigentlich nur auf den Eventualfall vor, damit man eben schon mal viele Möglichkeiten durchdacht und ausgewertet hat, sollten wir dann von staatlicher Seite mit den entsprechenden Vorgaben, geänderten Vorgaben konfrontiert werden.
Biesler: Aber eine Reform wird es in jedem Fall geben, ob man das dann Bachelor und Master nennt oder für Juristen noch andere Namen findet, das ist natürlich noch nicht ganz klar. Aber Sie denken schon, es wird darauf hinauslaufen, dass man im Grunde ein kürzeres Grundstudium hat, das dann irgendwie so etwas wie ein Bachelor ist und für viele juristische Einsatzbereiche unter Umständen geeignetes Personal zur Verfügung stellen wird, und dann Spezialisierung für die einzelnen Berufszweige, ist das die Zukunft?
Lorz: Ja, aber nicht einmal das ist klar. Es hängt letzten Endes alles an der Kardinalfrage: Verlange ich für den Zugang zu den klassischen juristischen Berufen zwingend einen Master-Abschluss oder ermögliche ich es Leuten mit einem Bachelor-Abschluss beispielsweise, ins Referendariat zu gehen, die Staatsexamina zu machen oder welche Prüfungen auch immer die Äquivalente sind. Davon hängt unwahrscheinlich viel ab, weil im einen Falle, wenn Sie den Master-Abschluss verlangen, wird der Bachelor-Abschluss immer ein bloßes Durchgangsstadium und ein Auffangbecken für solche sein, die die klassische juristische Ausbildung nicht bis zum Ende machen. Nur im anderen Falle, nur wenn man Bachelors akzeptiert für den Zugang zu den klassischen juristischen Berufen, dann wird der Bachelor wirklich eine eigenständige Bedeutung gewinnen, aber dann wird es wahrscheinlich im Zweifel auch ein längeres Studium sein.
Biesler: Was wünschen Sie sich denn da von den staatlichen Stellen, von den Justizministerien, die entscheidungsbefugt wären? Bis wann sollen die denn ihre Entscheidungen treffen? Sie müssen ja auch langsam planen für die Hochschulen, der Prozess dauert schon ganz schön lang?
Lorz: Ja, die Juristenausbildung ist eigentlich in einem ständigen Reformprozess. Kaum ist die eine Reform zu Ende, wird schon über die nächste diskutiert. Also wir haben eine gewisse Erfahrung damit, uns auf diese Zyklen einzustellen, und ich gehe davon aus, es wird auch noch eine ganze Weile dauern, bis eine neue Reform vonseiten der Justizminister über uns kommt. Also wir können viele Diskussionen dieser Art führen. Ich meine, wenn man in der Logik von Bologna bleiben will – das ist die erste Grundentscheidung für Jura –, dann muss man eigentlich für den Bachelor ein eigenständiges Tätigkeitsfeld und muss den Zugang auch zu den juristischen Berufen übers Referendariat, über Staatsexamina, wie auch immer eröffnen. Und wenn man das will, dann muss man aber auch den Bachelor zu einer richtigen, vollwertigen juristischen Ausbildung machen, das geht eigentlich nur mit einem Vierjahresprogramm. Und dann kann ich noch ein einjähriges Master-Programm für Spezialisierung oder als Durchgang zum Doktorat oder für was auch immer drauf setzen, aber das ist die Kardinalfrage, an der sich es entscheidet.
Biesler: Die Juristen rüsten sich für alle Eventualitäten. Alexander Lorz war das über die Diskussion um die Juristenausbildung, die von heute an wieder einmal geführt wird auf einer Tagung in Berlin. Vielen Dank!
Lorz: Gern geschehen!
Alexander Lorz: Schönen guten Tag!
Biesler: Seit Jahren wird gestritten – es gibt Unterschriftenlisten, Petitionen und Streitschriften. Warum ist es eigentlich gerade für Juristen so schwer, sich auf eine Ausbildung zu einigen?
Lorz: Nun, es hat unter dem Bologna-Aspekt, aber nicht nur unter diesem zwei Gründe: Der erste Grund ist, dass der Zugang zu den klassischen juristischen Berufen traditionell und übrigens eigentlich in fast allen Ländern dieser Welt staatlich reglementiert ist und dass natürlich eine juristische Ausbildung auf diese staatlichen Reglementierungen Rücksicht nehmen muss, weil da der Großteil unserer Absolventen hingeht. Und der zweite Grund liegt darin, dass Recht als nahezu einzige Disziplin an der Universität per definitionem national begrenzt ist. Es gibt keine deutsche Medizin, amerikanische Medizin, französische Medizin, aber es gibt sehr wohl deutsches Recht, amerikanisches Recht, französisches Recht.
Biesler: Die Konferenz, auf der auch Sie sprechen in Berlin, veranstaltet von der Hochschulrektorenkonferenz, vom Deutschen Akademischen Austauschdienst und dem Stifterverband, diese Konferenz heißt: Neue Perspektiven auf die Juristenausbildung in Europa. Sie haben ja viel internationale Erfahrungen. Lassen sich aus Europa oder auch darüber hinaus Impulse für die deutsche Ausbildung gewinnen?
Lorz: Natürlich, es ist immer hilfreich, über die Grenzen zu schauen, wo andere Systeme mit den gleichen Problemen zu ringen haben, und die Lösungsvarianten, die dort dann auch ausprobiert werden, die kann man zumindest evaluieren und von denen kann man im Guten wie im Schlechten immer etwas lernen.
Biesler: Was lernen Sie denn daraus? Ich habe schon erwähnt, es gibt derzeit ja viele unterschiedliche Modelle, von der Beibehaltung des überkommenen Systems mit Staatsprüfung und Referendariat, an dem dann aber auch kritisiert wird, es sei sozusagen eigentlich eine Richterausbildung und für die normalen Anwälte oder für die Juristen, die später in Unternehmen oder sonst wo tätig sind, eigentlich nicht so sinnvoll, bis zum Bachelor für Einheitsjuristen, wo es dann anschließend eine Spezialisierung geben könnte. Also eine Vielzahl von Modellen liegt auf dem Tisch. Welches Modell favorisieren Sie?
Lorz: Was man in der Tat lernen kann, ist, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, wie man auch eine gute juristische Ausbildung durchführen kann. Es gibt nicht den Königsweg, das Modell, dem jetzt alle folgen müssten. Was man aber auch aus dem Vergleich lernt – das kam schon heute Vormittag sehr deutlich heraus –, ist, dass eben die Reglementierung des Zugangs zu den juristischen Berufen letzten Endes die Möglichkeit der Ausbildungssysteme auch begrenzt oder vorbestimmt. Und wenn die Systeme mit den gleichen Anforderungen von Staats wegen konfrontiert werden, was sie für Juristen zu liefern haben, letzten Endes bei aller Unterschiedlichkeit in der Vorgehensweise am Ende doch sehr ähnliche Ergebnisse herauskommen.
Biesler: Das heißt, es müsste sich erst mal die staatliche Seite entscheiden, ob sie an einem Referendariat festhalten will, ob sie an staatlichen Prüfungen festhalten will, und dann können erst die Hochschulen darauf reagieren?
Lorz: Das ist korrekt. Und wir bereiten uns hier auf Konferenzen wie dieser eigentlich nur auf den Eventualfall vor, damit man eben schon mal viele Möglichkeiten durchdacht und ausgewertet hat, sollten wir dann von staatlicher Seite mit den entsprechenden Vorgaben, geänderten Vorgaben konfrontiert werden.
Biesler: Aber eine Reform wird es in jedem Fall geben, ob man das dann Bachelor und Master nennt oder für Juristen noch andere Namen findet, das ist natürlich noch nicht ganz klar. Aber Sie denken schon, es wird darauf hinauslaufen, dass man im Grunde ein kürzeres Grundstudium hat, das dann irgendwie so etwas wie ein Bachelor ist und für viele juristische Einsatzbereiche unter Umständen geeignetes Personal zur Verfügung stellen wird, und dann Spezialisierung für die einzelnen Berufszweige, ist das die Zukunft?
Lorz: Ja, aber nicht einmal das ist klar. Es hängt letzten Endes alles an der Kardinalfrage: Verlange ich für den Zugang zu den klassischen juristischen Berufen zwingend einen Master-Abschluss oder ermögliche ich es Leuten mit einem Bachelor-Abschluss beispielsweise, ins Referendariat zu gehen, die Staatsexamina zu machen oder welche Prüfungen auch immer die Äquivalente sind. Davon hängt unwahrscheinlich viel ab, weil im einen Falle, wenn Sie den Master-Abschluss verlangen, wird der Bachelor-Abschluss immer ein bloßes Durchgangsstadium und ein Auffangbecken für solche sein, die die klassische juristische Ausbildung nicht bis zum Ende machen. Nur im anderen Falle, nur wenn man Bachelors akzeptiert für den Zugang zu den klassischen juristischen Berufen, dann wird der Bachelor wirklich eine eigenständige Bedeutung gewinnen, aber dann wird es wahrscheinlich im Zweifel auch ein längeres Studium sein.
Biesler: Was wünschen Sie sich denn da von den staatlichen Stellen, von den Justizministerien, die entscheidungsbefugt wären? Bis wann sollen die denn ihre Entscheidungen treffen? Sie müssen ja auch langsam planen für die Hochschulen, der Prozess dauert schon ganz schön lang?
Lorz: Ja, die Juristenausbildung ist eigentlich in einem ständigen Reformprozess. Kaum ist die eine Reform zu Ende, wird schon über die nächste diskutiert. Also wir haben eine gewisse Erfahrung damit, uns auf diese Zyklen einzustellen, und ich gehe davon aus, es wird auch noch eine ganze Weile dauern, bis eine neue Reform vonseiten der Justizminister über uns kommt. Also wir können viele Diskussionen dieser Art führen. Ich meine, wenn man in der Logik von Bologna bleiben will – das ist die erste Grundentscheidung für Jura –, dann muss man eigentlich für den Bachelor ein eigenständiges Tätigkeitsfeld und muss den Zugang auch zu den juristischen Berufen übers Referendariat, über Staatsexamina, wie auch immer eröffnen. Und wenn man das will, dann muss man aber auch den Bachelor zu einer richtigen, vollwertigen juristischen Ausbildung machen, das geht eigentlich nur mit einem Vierjahresprogramm. Und dann kann ich noch ein einjähriges Master-Programm für Spezialisierung oder als Durchgang zum Doktorat oder für was auch immer drauf setzen, aber das ist die Kardinalfrage, an der sich es entscheidet.
Biesler: Die Juristen rüsten sich für alle Eventualitäten. Alexander Lorz war das über die Diskussion um die Juristenausbildung, die von heute an wieder einmal geführt wird auf einer Tagung in Berlin. Vielen Dank!
Lorz: Gern geschehen!