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Vierter Todestag von Robert Enke

Am 10. November 2009 starb Robert Enke. Der frühere Torhüter von Hannover 96 und der Nationalmannschaft nahm sich nach schweren Depressionen das Leben. Sein Tod löste eine Diskussion über den Umgang mit psychisch erkrankten Leistungssportlern aus. Das Hilfsangebot ist aber noch immer nicht ausreichend.

Von Thomas Wheeler | 10.11.2013
    In aller Stille begeht Hannover 96 diesen Tag. Zusammen mit der Robert Enke-Stiftung bietet der Fußball-Bundesligist ein Forum bei Facebook an. Präsident Martin Kind:

    "So das Jeder die Möglichkeit hat, seine Gedanken, seine Gefühle zu formulieren. Wir wollen es einfach im Ergebnis breiter aufstellen."

    Aus Angst vor Beleidigungen zum vierten Todestag von Robert Enke war die Deutsche Fußball-Liga dem Wunsch von Hannover 96 nachgekommen, das ursprünglich für Sonntag angesetzte Niedersachsen-Derby gegen Eintracht Braunschweig auf Freitag zu verlegen.

    "Besonders eben auch, dass dieses Derby gegen Braunschweig immer eine sehr emotionale Situation ist, die Spielregeln aber nicht beachtet werden. Unter Abwägung aller Überlegungen und Argumente war für uns das Risiko deutlich höher zu bewerten, und der Schaden der unter Umständen entsteht, deutlich größer."

    Immer größer sind in den letzten Jahren die Hilfsangebote für psychisch erkrankte Profifußballer geworden. Die Initiative "Mental Gestärkt" will helfen, Symptome frühzeitig zu erkennen und Ansprechpartner für eine professionelle Behandlung zu vermitteln. Das Projekt wird von der Robert -Enke-Stiftung, der Spielergewerkschaft Vereinigung der Vertragsfußballer, der gesetzlichen Unfallversicherung VBG und der Sporthochschule Köln finanziert und von Letzterer koordiniert. Wobei die Resonanz zunimmt, stellt Frank Schneider, Psychiater und Psychologe am Universitätsklinikum Aachen fest, der mit der Robert-Enke-Stiftung zusammenarbeitet.

    "Wir haben z. B. von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie acht Kliniken an Universitätskliniken, an psychiatrischen Universitätskliniken gegründet, die werden sehr stark nachgefragt. Dort kann sehr niederschwellig ein Leistungssportler hingehen, kann sich beraten lassen, wo er am besten behandelt werden kann. Ist das überhaupt eine Erkrankung, lauter diese Fragen beantworten. Wir haben von Seiten der Robert -Enke-Stiftung ein Telefon eingerichtet, eine Hotline, die an der Universitätspsychiatrie in Aachen ankommt, wo wir auch qualifiziert beraten können."

    Auch zwei frühere Profis helfen inzwischen ihren Ex-Kollegen. Martin Meichelbeck, bis 2010 Abwehrspieler bei der SpVgg Greuther Fürth, und Philipp Laux, bis 2003 Torwart bei Eintracht Braunschweig, arbeiten momentan als Sportpsychologen für den Zweitligisten Fürth bzw. den Drittligisten RB Leipzig. Für Hannovers Präsident Martin Kind die Idealsituation:

    "Wenn sie die Qualität haben beruflich und ihre Erfahrung aus dem Fußballsport mitbringen, sie kennen ja die Erwartungen, das Denken der Spieler, wie sie belastet werden, wo liegen die Risiken. Also sie sind wahrscheinlich prädestiniert, die Antworten zu finden."

    Denn in den Vereinen ist die sportpsychologische und sportpsychiatrische Betreuung nach wie vor stark verbesserungswürdig, meint VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky:

    "Hier ist es so, dass wir bei unserer letzten Führungsspielerbefragung festgestellt haben, das 30 Prozent der Klubs von der Bundesliga bis zur dritten Liga nur eine psychologische Betreuung in irgendeiner Form anbieten und nur zehn Prozent eine regelmäßige sportpsychologische Betreuung. Das sind natürlich keine guten Werte, insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass quasi 100 Prozent der Spieler sich eine professionelle sportpsychologische Betreuung wünschen würden, und zwar mit einem Sportpsychologen, der regelmäßig dabei ist, der Tipps gibt im Bereich Konzentration, im Bereich Stressmanagement, Früherkennung auch von Erkrankungen möglicherweise, der auch für persönliche Coachings zur Verfügung steht."

    Psychiater Frank Schneider spricht sich gegen eine interne Betreuung der Fußballprofis aus und gibt zu bedenken.

    "Ich glaube, es wäre nicht gut, wenn ein Psychiater, ein Psychotherapeut im Verein drin wäre, bezahlt wird vom Verein, denn die Hemmschwelle dann über die Schweigepflicht hinaus etwas in den Verein hineinzutragen, ist dann doch relativ niedrig."

    Weil eine umfassende psychologische Betreuung bisher meist am Argument zu hoher Kosten scheitert, fordert VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky Leistungsanreize für Klubs. Hannovers Präsident Kind kann diesem Vorschlag durchaus etwas abgewinnen, schränkt jedoch ein:

    "Die Erfahrungen die wir hier bei 96 gesammelt haben, wir haben ja den Spielern das insgesamt in der Betreuung angeboten, das ist nicht gewünscht, und wir haben uns dann vereinbart, wenn ein Spieler individuelle Probleme hat, das er dann einen Ansprechpartner hat. Aber die Gesamtmannschaft zu erreichen, ist nicht ganz problemfrei. Ich vermute, dass sie das innerlich im Moment noch ablehnen und sich nicht öffnen wollen."

    Eine Politik der kleinen Schritte verfolgt die Spielergewerkschaft VDV, macht Geschäftsführer Baranowsky deutlich.

    "Im nächsten Schritt wollen wir versuchen, Workshops für die Spieler durchzusetzen, die über Mental Gestärkt auch angeboten werden. Das wird verstärkt in 2014 angegangen, um den Präventionsgedanken weiter zu stärken. Darüber hinaus wird über Mental Gestärkt mit Mitteln des Bundesarbeitsministeriums gegenwärtig eine Broschüre für Trainer erstellt, die natürlich auch Spieler lesen können, mit konkreten Tipps und Hinweisen, die auch Anfang 2014 auf den Markt kommen wird."