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Virales Video
Lieder der Liebe gegen Terrorismus

Im Fastenmonat Ramadan sorgt ein schockierender Werbespot weltweit für Aufsehen. Das Video zeigt einen Dschihadisten, der sich mit einem Sprengstoffgürtel auf dem Weg zu einem Attentat macht, doch überall stellen sich ihm Menschen singend entgegen.

Von Cornelia Wegerhoff | 02.06.2017
    Screenshot eines Youtube-Videos: Ein Mann reicht einem Selbstmord-Attentäter, der einen Sprengstoffgürtel trägt und auf dem Boden liegt, die Hand.
    In dem Video wollen die singenden Menschen dem Attentäter helfen. (Screenshot Youtube/Zain)
    Ein Mann sitzt in einem Keller und lötet ein Zündkabel an einen Sprengsatz.
    "Ich werde alles Gott erzählen", meldet sich plötzlich ein Junge zu Wort." Dass du die Friedhöfe mit unseren Kindern gefüllt und dass du die Stühle in den Schulen geleert hast", so der Junge vorwurfsvoll. "Dass du Unruhe ausgelöst und unsere Straßen in Dunkelheit gehüllt hast."
    Und genau das hat der Mann wieder vor. Dieses Mal will er sich sogar selbst in die Luft jagen. Er hat einen Sprengstoffgürtel angelegt, als er in einen Bus steigt. Doch da sitzen schon die Opfer von Terroranschlägen, Verletzte, Menschen, die um Tote weinen. Und als der Dschihadist das muslimische Glaubensbekenntnis spricht, weil er sich einbildet, im Namen Gottes den Tod bringen zu müssen, singen sie von der Liebe Gottes, der Schöpfer allen Lebens ist.
    Prime-Time in der arabischen Welt
    Es ist ein Werbevideo des kuwaitischen Mobilfunkunternehmens Zain, das derzeit mit ergreifenden Bildern für Furore sorgt. Der Fastenmonat Ramadan ist für die Fernsehanstalten in der arabischen Welt Prime-Time: 30 Tage lang werden ab dem Sonnenuntergang besondere Unterhaltungsprogramme präsentiert: Serien, Shows, Comedy-Formate.
    Die Werbezeiten rund um diese TV-Ereignisse sind heiß begehrt und so werden auch die Spots eigens für den Ramadan neu produziert. Statt seine neuesten Flatrates für Handys anzupreisen, entschied sich Mobilfunk-Anbieter Zain dieses Jahr für eine Werbe-Kampagne gegen den islamistischen Terrorismus.
    Popstars und Anschlagsopfer
    "Ehre deinen Gott durch Liebe, nicht durch Terror", singt Hussein El Jasmi, Pop-Superstar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. "Sei sanft in deinem Glauben, nicht herzlos." Gemeinsam mit den Terroropfern stellt sich der Sänger dem Selbstmordattentäter in den Weg und plädiert für eine Welt ohne Gewalt und Extremismus.
    Neben Schauspielern sind auch reale Personen dabei, die im Video namentlich benannt werden: Etwa Ibrahim Abdulsalam, Opfer eines Bombenanschlages auf eine kuwaitische Moschee 2013. Auch an andere Attentate wird erinnert, in Bagdad, in Jeddah, in Amman, an den Krieg in Syrien. Schnell wird klar, was in Europa oftmals übersehen wird: Die meisten Opfer islamistischer Gewalt sind Muslime.
    Vier Millionen Videoaufrufe auf Youtube
    Über vier Millionen Mal ist der dreiminütige Film inzwischen auf YouTube angeklickt worden. Die Nutzer zeigen sich gerührt, teilen das Video auf ihren Facebook-Seiten, loben in den sozialen Medien die Botschaft des Werbespots, so wie Mahdi aus dem Irak: "Wir brauchen dringend solche Werbeaktionen, die aufklären und menschlich berühren. Nein zu Gewalt! Nein zu Terror! Danke Zain für diese schöne Überraschung."
    Pamelas Twitter-Nachricht aus den Niederlanden zeigt, dass ihre Familie vielen Vorurteilen begegnet: "Danke für dieses Video. Mein Vater ist Muslim und er ist der liebevollste und höflichste Mensch der Welt."
    Und aus Deutschland kommt die Nachricht eines Mannes, der eigens schreibt, dass er Christ ist: "Diese Botschaft sollte alle Extremisten erreichen, egal ob Muslim, Christ, Rechtsradikaler oder Linker. Großartiges Video. Ich wünsche all meinen muslimischen Brüdern und Schwester einen schönen Ramadan!"
    "Hass-Attacken mit Liedern der Liebe begegnen"
    Am Ende des Videos läuft der Terrorist tatsächlich aus Angst vor den vielen Menschen, die sich ihm entgegen stellen weg, fällt, aber bekommt die Hand gereicht. "Konfrontiere deinen Feind mit Frieden, nicht mit Krieg", wird dazu gesungen. "Überzeuge andere mit Nachsicht, nicht mit Gewalt."
    In Syrien ist unterdessen sogar wegen des Videos wieder heftiger Streit ausgebrochen. An einer Stelle ist nämlich ein staubbedecktes, verletztes Kind zu sehen, das den kleinen Omran darstellen soll, der verstörte Junge aus Aleppo, dessen Foto in einem Rettungswagen im vergangenen Jahr um die Welt ging. Der Fotograf erklärte: "Wir werden es niemandem erlauben, unser Blut oder unsere Kinder für eine kommerzielle Werbung zu benutzen." Das Leid Omrans sei außerdem nicht durch den Terror von Dschihadisten entstanden, sondern durch Baschar al-Assad und seiner Verbündeten. Die Anhänger des syrischen Diktators halten wütend dagegen und drohen ihren Kritikern.
    Für sie alle hat der Aufsehen erregende Werbespots noch einen Nachsatz parat: "Wir werden ihren Hass-Attacken mit Liedern der Liebe begegnen. Von jetzt an bis zum Glücklichsein."