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Virtuell und vor allem visuell Lernen – aber wie ?

Informationstechnologie. – Computergestütztes Lernen erfuhr besonders während der Internet-Euphorie eine zunehmende Bedeutung. Gerade durch den ungeahnt vielseitigen Einsatz von Bildern und der starken Visualisierung von Inhalten versprechen sich Netzpädagogen eine völlig neue Lernqualität. In Forschungsprojekten an den Universitäten Tübingen und Georgia untersuchten Wissenschaftler diesen Trend zur Visualisierung – und kamen zu verblüffenden Ergebnissen.

    Von Peter Welchering

    Tele-Learning, Streaming Media, ortsunabhängiges Lernen mit Video-Animationen – solche Schlagworte bestimmen seit einiger Zeit die Diskussion um die Verbesserung von Aus- und Fortbildungsangeboten. Doch was da mit den via Internet auf uns herabstürzenden Bilderfluten passiert, was sie beim Lernenden auslösen, wie er sie verarbeitet, das wissen die Forscher noch gar nicht so genau. Rolf Plötzner vom Institut für Wissensmedien in Tübingen fasst die Problemlage so zusammen:

    Wir wissen zum Beispiel in der kognitiven Psychologie recht viel darüber, wie Personen mit Texten lernen und welche Prozesse dort involviert sind. Wir wissen erstaunlich wenig, wie Lernen mit Visualisierung funktioniert.

    In Forschungsprojekten an der University of Georgia und an der Universität Tübingen haben sich die Wissenschaftler deshalb mit der benutzerorientierten Sicht beschäftigt. Dazu Rolf Plötzner.

    Tatsächlich war in der Vergangenheit die Diskussion technologiegetrieben. Es ging darum, was technisch machbar ist und dies wurde letztlich auch umgesetzt. Die Technik ist inzwischen sehr weit fortgeschritten, aber ich würde nicht sagen, dass die Technikentwicklung dort abgeschlossen ist. So entwickelt sich etwa der Bereich interaktiver Videos, bei denen der Benutzer in das Geschehen eingreifen kann, aber man hat inzwischen erkannt, dass Technik nur die halbe Miete ist. Auf der anderen Seite steht der Benutzer, der über ganz bestimmtes Wissen und Fähigkeiten verfügen muss, um überhaupt mit diesen Visualisierungen vernünftig umgehen zu können.

    Interaktive Videos und Computersimulationen geben den Lernenden einen recht einfachen Zugang zu komplizierten Inhalten. Professor Lloyd Rieber vom Institut für Lerntechnologie der Universität von Georgia gibt ein Beispiel.

    Wenn ich einen Ball in die Luft werfe, passieren viele Dinge, aber ich habe nicht die Zeit, alle fundamentalen Beziehungen zu sehen, die ich eigentlich sehen müsste, um Physik zu verstehen.

    Also müsste man die Zeit anhalten, um alle wesentlichen physikalischen Bedingungen genau studieren zu können, unter denen dieser Wurf des Balls in die Luft stattfindet. Mit einer geschickt aufgebauten Computersimulation ist das kein Problem. Professor Rieber.

    Simulation gibt eine gute Möglichkeit, ein Modell unter eigenen Bedingungen zu erforschen. Man kann gewissermaßen hinter den Vorhang schauen. Oft ist es sehr schwierig, die Beziehungen zu verstehen, die bei einem statischen Modell wie einem Bild oder einer Beschreibung vorherrschen. Simulation gibt Ihnen hier die Möglichkeit, diese Beziehungen auf eine Weise zu erforschen, die für Sie sinnvoll ist.

    Wird die Computersimulation noch mit einem interaktiven Video verknüpft, können auch sehr komplizierte naturwissenschaftliche Phänomene ansprechend vermittelt werden. Allerdings nur, so Rolf Plötzner, wenn dafür einige technische Voraussetzungen erfüllt sind.

    Nämlich dass bestimmte Ausschnitte eines Videos als anwählbare Hyperlinks gekennzeichnet sind, das heißt man kann an die Stelle im Video verzweigen. Das kann ganz unterschiedlich gestaltet sein. Das kann die Form annehmen, dass man in dem Video an einer bestimmten Stelle die Wahl hat, in ein anderes Video zu springen oder das Video anders verlaufen zu lassen oder sich einfach zu dem Abschnitt, der gerade im Video behandelt wird, Zusatzinformationen geben zu lassen, zum Beispiel in auditiver Form, in Textform, wie auch immer.

    Weder Computersimulation, noch interaktive Videos machen jedoch den Lehrer entbehrlich. Der muss nämlich dafür sorgen, dass der Lernende den Stoff so angeboten bekommt, dass er ihn auch aufnehmen kann.