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Virtuelle Stolpersteine

Technik. - Pflegeheime für Senioren sind baulich oft schlecht an die Bedürfnisse der Bewohner und des Personals angepasst. Um Altenpflegeheime wohnlicher, aber auch effizienter zu gestalten, hat das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart, eine spezielle Software entwickelt und auf der Messe "Altenpflege" in Hannover vorgestellt.

Von Michael Engel |
    Dr. Hilko Hoffmann ist mit seinen 43 Jahren zwar noch lange kein Senior. Doch er kennt sie genau: Die Innenansichten vieler Altenpflegeheime: Ellenlange Gänge mit vielen Türen - Lichter, die Verwirrung stiften. Auf der Altenpflegemesse in Hannover können solche negativen Beispiele jetzt auch virtuell besichtigt werden. Der Informatiker schuf die Software für ein "virtuelles Pflegeheim", das räumlich täuschend echt in Originalgröße auf eine drei mal drei Meter großen Leinwand projiziert werden kann. Wer vor der sogenannten "Power Wall" steht und die 3D-Brille aufsetzt, hat tatsächlich das Gefühl, in den Gängen eines Altenheims zu sein.

    " Wir sehen jetzt hier eine schlechte Variante. Wir haben einen sehr lang gestreckten Gang mit verbauten Seitenbereichen. Durch Stützen. Wir haben sehr stark spiegelnde Materialien, die noch dazu eine sterile Farbgebung haben und eher eine Krankenhausatmosphäre vermitteln als eine wohnliche Pflegeheimatmosphäre. "

    Stuhlreihen auf den Fluren, frei stehende Betonstützen, spiegelnde Flächen - das alles sind "Stolpersteine": Studien zeigen, dass jeder zweite Heimbewohner einmal im Jahr stürzt, 20 Prozent sogar mehr als dreimal. Dr. Hoffmann zoomt sich mit der Fernbedienung bis zum Ende des langen Flures. Betrachter, die vor der "Power Wall" stehen, schauen jetzt in einen Aufenthaltsraum hinein.

    " Wenn Sie mit dem Rollstuhl da hinein fahren, werden diese Stützen, die aus statischer Sicht für das Gebäude notwendig sind, stören. Sie werden nämlich auf diesem Platz nicht wenden können mit einem Rollstuhl. Das sind also klassische Planungsfehler, die nachher, wenn sie behoben werden müssen in dem fertigen Gebäude, sehr, sehr viel Geld kosten oder schlicht nicht mehr möglich sind. Aber hier in der virtuellen Welt können wir das jetzt sehr schön überprüfen und diese Planungsfehler sehr früh bei der Architektur, bei dem Entwurf zu vermeiden oder zumindest zu minimieren. "

    Möglich sind die dreidimensionalen Einblicke durch eine Doppelbildprojektion. Der Rechner erzeugt zwei seitlich versetzte Bilder, die mit Hilfe einer Polarisationsbrille dann wieder zu einem Stereobild verschmelzen. Die Software, entwickelt von der Gruppe für virtuelle Realität, soll als Planungshilfe für zukünftige Altenheime dienen.

    " Die Architekten oder auch die Ingenieure - Bauingenieure - benutzen also heute schon Software und planen am Rechner digital. Die Daten werden also von den Architekten so in den Rechner abgelegt. Sie können die Daten dann exportieren und in so ein VR-System - ein Virtual-Reality-System - einlesen und dann stereoskopisch darstellen. "

    Betrachter können in den Räumen sogar agieren - zum Beispiel aus der Perspektive des Rollstuhlfahrers, um Gefahrenquellen rechtzeitig zu erkennen. Und auch die Altenpfleger erhalten schon im Vorfeld des Bauvorhabens interessante Einblicke, wenn Stationszimmer, Bäder und Flure virtuell durchschritten werden können. "ServLab" soll 100.000 Euro kosten. Bausünden - so der Informatiker beschwichtigend - können weitaus teurer sein.

    " Dann haben Sie weiterhin die Möglichkeit, an dem Virtual-Reality-System mit allen Entscheidungsträgern zusammen gewisse Änderungen vorzunehmen, zum Beispiel Farbeigenschaften, Bodenbelageigenschaften, Beleuchtungszustände, Positionierung von Einrichtungsgegenständen, von Säulen und Wänden, auch von Türpositionen, dass das interaktiv, schneller, effizienter und im Endergebnis auch besser wird als es bis heute der Fall ist. "