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Virtueller Campus

Sie ist die älteste und größte englischsprachige Fernuniversität: Die "Open University" bietet seit 1969 Kurse bis hin zum Master-Abschluss an. Über 150.000 Fernstudenten sind eingeschrieben und studieren via Internet, davon 1300 Studierende aus Deutschland. Am Wochenende gab einen Infotag in Köln.

Von Henning Hübert |
    Die meisten Interessenten im Raum sind Mitte Zwanzig, haben schon eine Berufsausbildung oder ein Studium absolviert oder zumindest angefangen. Und wollen jetzt mehr. Einigen hilft, dass die Open University aus dem englischen Milton Keynes für ihre Bachelor-Abschlüsse kein A-Level, kein Abitur als Studienvoraussetzung verlangt.

    Davon hat zum Beispiel der gelernte Modellbauer Christoph Sebald profitiert. Nach seinem Hauptschulabschluss kam die Lehre, der Job - aber um das deutsche Abitur nachmachen zu dürfen, hat er bei einer Prüfung zu schlecht im Fach Deutsch abgeschnitten. Da nützten auch seine exzellenten Englischkenntnisse nichts:

    "Das wäre die BOS, die Berufsoberschule gewesen, ums Abitur erstmal nachzuholen. Allerdings hätte die ganze Sache noch mal vier Jahre gedauert, bis ich’s Abitur gehabt hätte. Und jetzt hab ich vier Jahre gebraucht, um mein Bachelor-Degree zu erreichen."

    Und zwar im Fach Geografie, in einem komplett auf Englisch abgehaltenen Curriculum. 12 bis 15 Tausend Euro haben ihn die Kurse an der Fernuni gekostet, schätzt er. Das ist das Zweieinhalbfache von dem, was britische Studenten bezahlen müssen.

    "Es ist sehr viel Geld. Ich weiß, die deutschen Studenten haben keine Lust, so viel Geld fürs Studium auszugeben. Aber den Support, den man bekommt von seinen Tutoren ist natürlich auch enorm gut, so lange man einen guten Tutor hat. Hast du irgendein Problem, rufst du deinen Tutor an, und der hilft dir."

    Viele Deutsche interessieren sich für die staatliche Open University, als Alternative zur Fernuni Hagen. Die hat ihre Schwerpunkte in Technik und Betriebswirtschaftslehre. Das Angebot in Jura und Erziehungswissenschaften ist deutlich dünner. Für ein Fernstudium in Geisteswissenschaften bleibt fast nur die Open University, kurz OU, sagt Bettina Schwerdtfeger.

    Sie ist eine von drei Koordinatoren in Deutschland für die britische Fernuni und beantwortet beim Beratungstag im Kölner Carl-Duisberg-Centrum die Fragen. Vieles dreht sich dabei um die gegenseitige Anerkennung der erworbenen akademischen Grade:

    "Die OU ist staatlich anerkannt in Deutschland. Abschlüsse hier sind anerkannt. Und sie können, wenn sie einen fertigen Abschluss haben, zu ihrem Landesbildungsministerium gehen und die Genehmigung zur Führung des Titels beantragen und die sollte ihnen normalerweise problemlos gewährt werden."

    Dann lobt sie das angelsächsische Tutorensystem ihrer Uni. Ein Tutor pro 12 bis 20 Studenten stehe zur Verfügung und könne von ihnen auch kräftig beim Studium in Anspruch genommen werden. Löcher-in-den-Bauch-fragen per Email oder Telefon ist laut Schwerdtfeger kein Problem, sondern erwünscht:

    "Ich finde einfach, dass wir ein wunderbares System des supported open learning haben. Und nach gewissen Dingen, die ich von der Fernuni gehört habe, wird dort nicht so stark betreut wie bei uns."

    Bei vielen der bereits berufstätigen Interessenten auf dem Kölner Infotag der Open University fällt die Werbung auf fruchtbaren Boden. Sie denken: Lieber spare ich mir überfüllte Hörsäle parallel zu meinem Berufsalltag und auch die dafür anstehenden Studiengebühren, wie sie NRW gerade beschlossen hat, und stecke mein Geld besser in eigens auf mich zugeschnittene Fernkurse.

    Die über 35 Jahre Erfahrung in der Lehre der Open University sind da ein dickes Plus. Britische Hochschulrankings sehen die älteste Fernuni denn auch auf einem Spitzenplatz beim Punkt Qualität der Lehre. Zuletzt sah das Ranking der Sunday Times sie auf Platz 5, einen Platz vor Oxford. Freilich bleibt, wie immer im Fernstudium ein dickes Minus, resümiert Christoph Sebald seine vier Jahre als Student der Open University:

    "Es ist einfach diese Isolation, die du hast. Weil du sitzt zuhause, musst dich jeden Tag selber in den Hintern treten, damit du was machst und du hast niemanden, mit dem du sprechen kannst. Es läuft alles nur über Telefon, Briefverkehr, Internet. Was mir allerdings auch geholfen hat, weil ich hatte von Computer keine Ahnung und mittlerweile bin ich ganz fit in computers."