Mein Avatar sieht trotz aller Änderungsmaßnahmen immer noch sehr menschlich aus und stolpert, rennt und schwebt jetzt schon etliche Nächte lang durch die Wunderwelt von Second Life. Wenn schon jede Zeitung mit einem virtuellen Abgesandten auf dem Grid unterwegs ist, dann müßte ich doch eigentlich einmal einem begegnen. Titanic hat kürzlich gewitzelt, dass sich in Second Life lauter Journalisten-Avatare gegenseitig Sex anbieten, um hinterher darüber berichten zu können. Aber Pustekuchen! Mir ist noch kein Kollege begegnet, von Kolleginnen ganz zu schweigen.
Dafür war ich - pardon: mein Avatar inzwischen im Museum. Es war kein nachgebautes MoMa, das ist nämlich erst in Planung, sondern ein Privatmuseum irgendeines kunstsinnigen Computerfreaks. Er hat da alle möglichen Grafiken ausgestellt, deren urheberrechtliche Hintergründe etwas zweifelhaft erscheinen, denn es handelt sich um Miniaturen von durchaus bekannten Werken Roy Lichtensteins, Keith Harings, David Hockneys und anderer Künstler.
Die Urheberrechtsfrage wäre noch prekärer, wenn der Eigentümer des Museums für den Eintritt Geld verlangen oder virtuelle Poster dieser Bilder verkaufen würde. Doch es sind nicht diese Fragen, die meinen Avatar - nein: mich am meisten faszinierten, sondern die sonderbare Tatsache, dass man überhaupt so genau hinschaut und Lichtenstein, Haring oder Hockney erkennt. Denn bitte sehr: das Ganze findet auf einem 19-Zoll-Display statt. Selbst wenn der Avatar ganz nah herangeht, füllen die Bilder nicht mehr als ein Achtel bis ein Viertel des Bildschirms aus, erreichen also höchstens Postkartengröße. Und trotzdem liegt eine Spannung in der Situation, eine Betrachtungsintensität, die sich mit jedem wirklichen Museumsbesuch vergleichen läßt.
Diese Fokussierung der Wahrnehmung macht das Wesen des Museums aus. In der realen Welt dienen die Rahmen der Bilder und die Art ihrer Hängung dazu, den Blick zu bündeln und zu schärfen, und damit dieser unendlich aufwendige Vorgang gelingt, werden ganze Palastbauten errichtet. Hier funktioniert dasselbe mit ein paar Pixeln auf einem Computermonitor. Second Life ist eine gigantische Aufmerksamkeitsmaschine und schon deshalb ein Kulturinstrument ersten Ranges.
Das hat die Konsumindustrie natürlich schon längst erkannt. Schaufenster, an denen man im normalen Leben achtlos vorbeiläuft, werden in Second Life noch ausführlich bestaunt. Die Verfremdung durch die Virtualität erzeugt einen höheren Grad an geistiger Gegenwart: schon finden erste Hochschulkurse für Avatare statt, und es ist anzunehmen, dass die Second-Life-Teilnehmer, denen sie gehören, dabei besser aufpassen als je in ihrem ersten Leben.
Was der Konsumindustrie recht ist, kann der Kunstproduktion billig sein: Es gibt Musiker, die ihre Stücke in Second Life veröffentlichen und dort ihre CDs anpreisen, genauso wie Maler und Bildhauer ihre Werke präsentieren und dann gegen echtes Geld verkaufen können. Das Wesentliche an Second Life sind nämlich die vielfältigen Übergänge in die reale Welt; es ist der Kitzel, eine Reise ins Jenseits mit Rückfahrkarte anzutreten.
Dafür war ich - pardon: mein Avatar inzwischen im Museum. Es war kein nachgebautes MoMa, das ist nämlich erst in Planung, sondern ein Privatmuseum irgendeines kunstsinnigen Computerfreaks. Er hat da alle möglichen Grafiken ausgestellt, deren urheberrechtliche Hintergründe etwas zweifelhaft erscheinen, denn es handelt sich um Miniaturen von durchaus bekannten Werken Roy Lichtensteins, Keith Harings, David Hockneys und anderer Künstler.
Die Urheberrechtsfrage wäre noch prekärer, wenn der Eigentümer des Museums für den Eintritt Geld verlangen oder virtuelle Poster dieser Bilder verkaufen würde. Doch es sind nicht diese Fragen, die meinen Avatar - nein: mich am meisten faszinierten, sondern die sonderbare Tatsache, dass man überhaupt so genau hinschaut und Lichtenstein, Haring oder Hockney erkennt. Denn bitte sehr: das Ganze findet auf einem 19-Zoll-Display statt. Selbst wenn der Avatar ganz nah herangeht, füllen die Bilder nicht mehr als ein Achtel bis ein Viertel des Bildschirms aus, erreichen also höchstens Postkartengröße. Und trotzdem liegt eine Spannung in der Situation, eine Betrachtungsintensität, die sich mit jedem wirklichen Museumsbesuch vergleichen läßt.
Diese Fokussierung der Wahrnehmung macht das Wesen des Museums aus. In der realen Welt dienen die Rahmen der Bilder und die Art ihrer Hängung dazu, den Blick zu bündeln und zu schärfen, und damit dieser unendlich aufwendige Vorgang gelingt, werden ganze Palastbauten errichtet. Hier funktioniert dasselbe mit ein paar Pixeln auf einem Computermonitor. Second Life ist eine gigantische Aufmerksamkeitsmaschine und schon deshalb ein Kulturinstrument ersten Ranges.
Das hat die Konsumindustrie natürlich schon längst erkannt. Schaufenster, an denen man im normalen Leben achtlos vorbeiläuft, werden in Second Life noch ausführlich bestaunt. Die Verfremdung durch die Virtualität erzeugt einen höheren Grad an geistiger Gegenwart: schon finden erste Hochschulkurse für Avatare statt, und es ist anzunehmen, dass die Second-Life-Teilnehmer, denen sie gehören, dabei besser aufpassen als je in ihrem ersten Leben.
Was der Konsumindustrie recht ist, kann der Kunstproduktion billig sein: Es gibt Musiker, die ihre Stücke in Second Life veröffentlichen und dort ihre CDs anpreisen, genauso wie Maler und Bildhauer ihre Werke präsentieren und dann gegen echtes Geld verkaufen können. Das Wesentliche an Second Life sind nämlich die vielfältigen Übergänge in die reale Welt; es ist der Kitzel, eine Reise ins Jenseits mit Rückfahrkarte anzutreten.