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Virtuelles Fußballgucken

In Zeiten knapper Kassen müssen vor allem kleine Vereine kreativ sein, um an Geld zu kommen. Der Fußball-Club Carl Zeiss Jena hat ein Projekt entwickelt, bei der sich die Fans aktiv an der finanziellen Sanierung des Clubs beteiligen.

Von Gösta Neumann | 26.07.2010
    Über 5000 Menschen haben eine Karte für das Spiel gekauft und sitzen bereits auf ihren Plätzen. Das Flutlicht im Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeld ist angeschaltet. Die Fans des FC Carl Zeiss Jena sind da. Der Gästeblock ist voll mit Fans anderer Vereine wie von den Glasgow Rangers, den Tottenham Hotspurs oder von Leeds United.

    Aber: Alles gar nicht wahr. Das ganze Stadion existiert nur virtuell. Hier wird auch nie ein Fußballspiel vor Zuschauern stattfinden: Die Besucher, die den gleichen Kartenpreis wie bei einem echten Ligaspiel gezahlt haben, sind nur animierte Gestalten. Denn wenn man mit dem PC-Cursor auf sie fährt, weiß man, wie die Kartenkäufer heißen. So sitzt unter anderem der ehemalige Nationalspieler und gebürtige Jenenser, Bernd Schneider, mit auf der Haupttribüne.

    Was nach einer netten Idee für die Fans klingt, ist in Wirklichkeit ein Projekt, um den in finanzielle Schieflage geratenen Verein zu sanieren, erklärt der Mitinitiator und Pressesprecher des Vereins, Andreas Trautmann:

    "Wir sind sehr zufrieden, wir haben mittlerweile fast 100.000 Euro Erlös, dass wäre mit der klassischen Sammelbüchse in der Fußgängerzone sicherlich nicht aufgegangen. Und das war auch nicht unser Ziel gewesen. Wir wollten was emotionales machen, woran die Leute Freude haben und was Aufmerksamkeit erregt und dann hat es noch wirtschaftlich Erfolg gebracht."

    Und dieses Geld war nötig, denn der DFB hatte dem Verein Auflagen gemacht, die Etatlücke zu schließen. 947.000 Euro benötigte der FC Carl Zeiss Jena. Die Rasenheizung wurde daraufhin an die Stadt verkauft. Allerdings startete die vergangene Saison schon verheerend. Denn anfangs fehlte ein zahlungskräftiger Hauptsponsor.

    Somit kam man auf die Idee, die Fans mit einem Rekordversuch zu locken. Der FC Carl Zeiss Jena will als erster Verein weltweit ein virtuelles Stadion ausverkaufen. Und das funktioniert so: Die Fans suchen sich in dem virtuellen Ernst-Abbe-Sportfeld im Internet einen Platz auf einer der Tribünen aus und kaufen sich Karten für- wie der Verein es nennt- "ein Spiel der Herzen". Dafür bekommen sie dann eine Art Urkunde zugesandt.

    Da nie ein Spiel stattfinden wird, spenden die Käufer quasi Geld an den FC Carl Zeiss Jena. Das wird dann genutzt, um die Verbindlichkeiten des Vereins zu tilgen. Gottfried Mempel zum Beispiel, ist schon seit über zwei Jahrzehnten Fan der Mannschaft und hat gleich 16 Karten für das virtuelle Spiel gekauft

    "Ich denke die Aktion der direkten Beteiligung der Fans und Sympathisanten ist schon ein sehr gute Aktion und es ist besser als wenn man das Tafelsilber verkaufen muss oder auch Spieler"

    Gerade weil die Fans das Projekt so stark unterstützen, plant der FC Carl Zeiss Jena, die Idee virtuelles Stadion noch auszuweiten. Von Zusatztribünen ist die Rede, sogar virtuelle Werbebanden wurden bereits verkauft. Und es gibt so manche kuriose Vorschläge der Fans, wie Andreas Trautmann weiß:

    "Letztens ist die Idee an mich herangetragen worden: Warum verkauft man nicht virtuelles Bier und Bratwürste, mal schauen?"