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Visegrad-Gipfel zu Flüchtlingen
Kursänderung nicht zu erwarten

Die Visegrad-Länder Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei gehören zu den schärfsten Kritikern der EU-Flüchtlingspolitik. Auch die jüngsten Vorschläge für eine bessere Verteilung der Flüchtlinge und mögliche Strafzahlungen für Quotenverweigerer werden von ihnen kategorisch abgelehnt. Ein Kurswechsel wird auch der heutige Gipfel in Prag kaum bringen.

Von Stefan Heinlein | 08.06.2016
    Ungarns Premierminister Viktor Orban mit seiner polnischen Kollegin Beata Szydlo sowie den tschechischen und slowakischen Kollegen Bohuslav Sobotka und Robert Fico (von l. nach r.).
    Die Regierungschefs der sogenannten Visegrad-Staaten: Ungarns Viktor Orban, Polens Beata Szydlo, Tschechiens Bohuslav Sobotka und der slowakische Ministerpräsident Robert Fico (von l. nach r.). (imago/stock&people/CTKphoto)
    Seit Gründung der Visegrad-Gruppe 1991 standen die halbjährlichen Treffen der vier Regierungschefs nur selten im Scheinwerferlicht der europäischen Politik. Erst seit Beginn der Flüchtlingskrise nimmt man auch in Berlin und Brüssel Notiz von den regelmäßigen Gipfeln der ost- und mitteleuropäischen Nachbarn. Visegrad erlebt eine Renaissance, so der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka:
    "Die Migrationskrise ermöglicht den Visegrader Vier eine enge Zusammenarbeit. Von Beginn an hatten unsere Länder auf dieses Thema einen eigenen Blick und ich glaube wir haben uns in einer ganze Reihe von Fragen leider nicht geirrt."
    "Die Flucht nach Europa nicht verstärken"
    Tatsächlich fühlen sich die Visegrad-Länder durch die aktuelle Entwicklung in ihrer Politik bestätigt. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise hatten sie als erste die Schließung der Balkanroute gefordert. Die Berliner Willkommenskultur sei der falsche Weg, hieß es schon damals. Auch die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zur gerechteren Verteilung der Flüchtlinge seien deshalb eine Sackgasse, erklärt der tschechische Regierungschef Bohuslav Sobotka im Vorfeld des heutigen Gipfels:
    "Die tschechische Regierung lehnt diese Vorschläge ab. Das ist keine clevere Lösung. Wir wollen die Flucht nach Europa nicht verstärken sondern ihre Ursachen bekämpfen. Das geht nur außerhalb unserer Grenzen, die stärker bewacht werden müssen."
    Dieser Kurs einer konsequenten Abschottung gegenüber den Flüchtlingen wird von einer großen Mehrheit der rund 65 Millionen Bewohner der vier Visegrad-Länder geteilt. Während man in Tschechien noch bemüht ist, weiter Dialogbereitschaft mit den europäischen Partnern zu signalisieren, ist die Tonlage in Polen und Ungarn deutlich schärfer. Auch der slowakische Ministerpräsident Robert Fico geht trotz seiner künftigen Rolle als EU-Ratsvorsitzender ab dem Sommer weiter auf Konfrontationskurs mit Brüssel:
    "Ich bin ein Freund klarer Worte. Die Quoten sind Unfug. Wir werden das nicht machen. Der Islam hat keinen Platz in der Slowakei. Wir sind nicht multikulti. Wir sagen dazu Nein und werden unseren Standpunkt nicht ändern."
    Drohungen ohne sichtbare Wirkung
    Auch die aktuelle Drohung der EU-Kommission mit möglichen Strafzahlungen für jeden abgelehnten Quotenflüchtling macht nur wenig Eindruck in Warschau, Prag, Bratislava und Budapest. Der heutige Gipfel dürfte deshalb den Graben zu Brüssel und Berlin in der Flüchtlingsfrage weiter vertiefen, erwartet der Politikwissenschaftler Vladimir Handl:
    "Diese Politik der Visegrad-Gruppe ist zum Symbol einer antieuropäischen Grundeinstellung geworden. Es ist nicht zu erwarten, das sich diese negative Haltung zur Quotenfrage in absehbarer Zeit verändert."
    Nur auf freiwilliger Basis sind die Regierungen der vier Visegrad-Länder bereit, Flüchtlingen ihre Türen zu öffnen. So hat die Slowakei jetzt angekündigt, nach sorgfältiger Prüfung 100 alleinstehende Mütter mit Kindern in den kommenden Monaten ins Land zu lassen.