Archiv


Vision mit Startschwierigkeiten

Mit dem Satellitennavigationssystem "Galileo" will die Europäische Union Maßstäbe setzen: Das derzeit größte Industrievorhaben soll der Staatengemeinschaft ein technologisches Zukunftsfeld und einen milliardenschweren Markt erschließen, den bisher Amerikaner, Russen und Chinesen unter sich aufteilen. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus.

Von Volker Finthammer, Jörg Münchenberg und Dieter Nürnberger |
    Ein Prestigeprojekt erster Güte: 30 Satelliten weisen aus 23 Kilometern Höhe Piloten, Schiffskapitänen, Landwirten und anderen zahlenden Kunden metergenau den Weg. Soweit die ehrgeizige Vision.

    Die Wirklichkeit sieht anders aus: Noch bevor Europa die Satelliten überhaupt ins All schießt, hat sich Mitte des Jahres ein Konsortium europäischer Industrieunternehmen aus der verabredeten gemeinsamen Finanzierung verabschiedet. Und damit ein Loch von 2,4 Milliarden Euro gerissen. Diese Lücke will die EU-Kommission nun mit Geld aus dem laufenden Haushalt stopfen - ein Konzept, das Frankreich begrüßt, der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück dagegen ablehnt. Die Bundesregierung fürchtet, gegenüber französischen Unternehmen ins Hintertreffen zu geraten. Und drängt deshalb darauf, Galileo über die Europäische Weltraumagentur ESA abzuwickeln.

    Bei den deutschen Unternehmen wächst zudem die Sorge, das Vorhaben könnte sich abermals verzögern. Der Starttermin wurde ohnehin bereits um fünf Jahre auf Mitte 2013 verschoben. Carsten Rolle von der Abteilung Energie, Verkehr und Telekommunikation beim BDI, dem Bundesverband der Deutschen Industrie, formuliert es so:

    "Schlimmstenfalls könnte es zu einer Neuausschreibung kommen, die das Projekt im Zeitplan um über ein Jahr zurückwirft. Der sehr mühsam errungene politische Konsens wäre dann komplett durcheinander. Wir schätzen, dass das Gesamtprojekt dann Schaden nimmt."

    Schon einmal Beschlossenes nicht wieder rückgängig zu machen - so lautet deshalb die Devise des BDI. Auch in Deutschland sei längst investiert worden:

    "Es gibt eine Aufgabenteilung, die zwischen den Unternehmen und auch zwischen den Regierungen vereinbart worden ist. Was das Bodensegment angeht, was das Basesegment angeht - also die Satelliten. Da wäre es wichtig, - beispielsweise anhand der Frage, wer Systemführer für welche Komponente bleibt - an diesen Vereinbarungen festzuhalten. Wenn das gewährleistet ist, können wir uns mühselige Diskussionen ersparen. Dann können wir anfangen, den Unternehmen das "Go" zu geben, mit den Bau zu beginnen, auch die Satelliten fertig zu stellen. Bis jetzt ist ja nur einziger der 30 Satelliten "in der Luft". Da gibt es noch viel zu tun."

    Der Vorschlag der Kommission hat die Deutschen aufgeschreckt. Denn eine Galileo-Finanzierung allein aus dem EU-Budget würde strengere Regeln bei der Auftragsvergabe nach sich ziehen. Konkret: Eine öffentliche Ausschreibung und der Zuschlag jeweils für das beste Angebot. Für die deutsche Industrie wäre dies keine Lösung, denn bereits geleistete Investitionen wären dann vielleicht umsonst gewesen. Der Kommissionsplan stößt auch bei Peter Hintze, dem parlamentarischen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, und offiziellen Koordinator für Luft- und Raumfahrt, auf wenig Gegenliebe:

    "Man könnte ja auch sagen, in Europa gelten allgemeine Wettbewerbsregeln, und wer gewinnt, hat eben gewonnen und damit Feierabend. Aber wir haben festgestellt, dass die eben die Raumfahrtindustrie ein ganz spezifischer Sektor ist. Es gibt hier ein hohes Interesse der Mitgliedsstaaten, diesen Sektor zu entwickeln. Und dass es gerade aus Gründen der Monopolvermeidung wichtig ist, dass man den Wettbewerb nicht so früh ansetzt, dass überhaupt gar keine Wettbewerbssituation entstehen kann."

    In der Bundesregierung ist deshalb auch von Fairness die Rede. Und gemeint ist die Rolle des Zahlmeisters. Etwa 20 Prozent der Kosten sollen die Deutschen beisteuern. Staatssekretär Peter Hintze:

    "Fair heißt, dass wir auch die industriepolitischen Rückflüsse erwarten können, die in etwa den eingesetzten Mitteln entsprechen. Und fair heißt, dass die Grundentscheidungen, die gefallen sind, auch akzeptiert werden."

    Zu diesen Grundentscheidungen gehört auch das längst getroffene Votum, in Deutschland eine der beiden technischen Bodenstationen einzurichten. Die Finanzierungsstruktur der Europäischen Weltraumagentur ESA als Modell auch für die weitere Finanzierung von Galileo. Darauf pocht die deutsche Seite. Der BDI betont eine gute Zusammenarbeit zwischen Industrie und Bundesregierung. Staatssekretär Peter Hintze plädiert ebenfalls für einen Finanzierungsschlüssel ähnlich dem in der Europäischen Weltraumagentur:

    "Die Regeln, die in der ESA gelten - Rückfluss-Prinzip - halten wir für richtig. Man sollte auch aus Gründen einer schlanken Verwaltung, die damit beauftragen, die das auch können. Der Aufbau von totalen Parallelstrukturen, wie jetzt etwa bei der Kommission, den fände ich eher problematisch. Deswegen spricht auch vieles für die ESA. Wir sind aber mit dem Vorschlag, dies als optionales ESA-Programm zu machen, noch nicht in der Situation, dass jetzt die 26 anderen Mitgliedsstaaten mit Jubel hinter uns stehen und sagen, das müssen wir so machen."

    Der Staatssekretär hofft aber, dass sich diese Idee durchsetzt. Am besten noch in diesem Jahr. Und er hofft auch, dass die Fachleute innerhalb der EU schnell eine Lösung ausarbeiten, denn die Frage einer sinnvollen Finanzierung von Galileo sollte nicht erst in letzter Sekunde auf dem nächsten EU-Gipfel entschieden werden - mit allen dann oft üblichen Ungewissheiten:

    "Wir wünschen uns eigentlich ein Verfahren, indem die Kommission einen tragbaren Vorschlag macht. Und dass der Rat der Europäischen Kommission, in der Formation der Verkehrsminister, dann beschließt und es auf den Weg bringt. Unsere Aufgabe ist es ja, schwierige Fragen zu lösen, und nicht den Staats- und Regierungschefs vor die Füße zu schmeißen."

    Genau dort aber liegt jetzt das Problem. Denn die Vorstellungen über die weitere Finanzierung und die Organisation des Projekts gehen weit auseinander. Der Vorschlag von Verkehrskommissar Jacques Barrot sieht vor, die Errichtungsphase vollständig aus dem Gemeinschaftshaushalt der EU zu finanzieren. Um die Kosten im Zaum zu halten, sollen zudem weite Teile des Systems europaweit neu ausgeschrieben werden. Doch im Rat der Verkehrsminister kündigte der deutsche Minister Wolfgang Tiefensee den Widerstand gegen diese Pläne der Kommission an. Neben Deutschland haben auch die Niederlande, Großbritannien, Italien, Schweden und Tschechien Korrekturen an dem Konzept eingefordert. Deutlich wurde dies beim letzten Treffen der Finanzminister. Die Motive jedoch sind unterschiedlich. Die Bundesregierung wehrt sich vor allem dagegen, das vor zwei Jahren mühsam ausgehandelte EU-Budget für 2007 bis 2013 schon wieder zu verändern, um die Finanzmittel für Galileo frei zu bekommen.

    "Die Bundesrepublik Deutschland ist gegen eine Relativierung der finanziellen Gesamtschau,"

    sagt Finanzminister Peer Steinbrück. Die Pläne der EU Kommission würden nämlich bedeuten, dass man den Haushaltsansatz der EU nicht nur voll ausschöpfen, sondern auch ergänzen und aufstocken müsste. Für Deutschland als größtem Nettozahler in der EU, mit einem Finanzierungsanteil von 20 Prozent, würde das aller Voraussicht nach zusätzliche Belastungen von mindestens 500 Millionen Euro bedeuten. Außerdem hätte man den Präzedenzfall geschaffen und damit Verlockungen für spätere Eingriffe in den Haushalt. Der Streit um die Finanzierung begleitet das ehrgeizige Projekt von Anfang an. Dabei war es, wie so oft in der jüngeren Geschichte technologischer Entwicklungen, der Vorsprung der Amerikaner, der die EU angetrieben hat. Die USA hatten ihr Projekt für das heute auch in Europa durchgängig genutzte GPS System bereits zu Beginn der siebziger Jahre gestartet, den ersten Satelliten 1978 in All gebracht und das System bis heute auf 31 funktionsfähige Satelliten ausgebaut. Die Diskussion über ein eigenes europäisches System begann vor diesem Hintergrund schon in den achtziger Jahren und war von Anfang an vom Streit um Macht und Einfluss gekennzeichnet. "Kommission betont die Notwendigkeit schneller Entscheidungen" - heißt es in einer Pressemitteilung vom November 2000. Aber es sollte nochmals drei Jahre dauern, bis sich die Mitgliedsstaaten nach langen Differenzen im Mai 2003 auf ein Finanzierungsmodell einigten, wonach ein privates Betreiberkonsortium den Aufbau und den Betrieb wesentlicher Teile des Systems in eigener Regie organisieren und finanzieren sollte.

    "Wir haben einen Durchbruch insofern erzielt, als Deutschland nicht nur ein Kontrollzentrum installieren wird, sondern darüber hinaus zwei Dinge noch möglich gewesen sind. Das eine ist, dass unter deutschen Unternehmen, die Telop gleichberechtigter Partner ist beim künftigen Betreiberunternehmen. Und mindestens genauso wichtig ist es, dass wir neben dem Koordinierungszentrum auch ein so genanntes Performance-Center, ein Kontrollzentrum der besonderen Art haben, von denen wir uns versprechen, dass es mehr Dienstleistungen auch für die deutsche Industrie generieren wird."

    Gab sich Verkehrsminister Tiefensee seinerzeit noch optimistisch. Kurz darauf gründete die EU gemeinsam mit der Europäischen Weltraum Agentur ESA das gemeinsame Unternehmen "Galileo Joint Undertaking", das für die Koordinierung des Systems zuständig sein sollte. Außerdem wachte die GJU als Konzessionär über die Ausschreibung der geplanten Betreibergesellschaft, an der sich zuletzt nach der Fusion der zwei zuvor konkurrierenden Konsortien acht europäische Unternehmen beteiligten. Doch der Streit um Macht und Einfluss auf das System führte auch hier dazu, dass sich die beteiligten Unternehmen nicht auf ein Modell verständigen konnten, zumal die Renditeaussichten ob der kostenfreien Konkurrenz des amerikanischen GPS-Systems sich auf weniger ertragsstarke Nischenfunktionen beschränkte. Ende des vergangenen Jahres wurde Galileo Joint Undertaking liquidiert, ohne das Ziel, Galileo vorzubereiten, wirklich erreicht zu haben.

    "Die Unternehmen sind sich nicht einig, und in den Verhandlungen zur Public Private Partnership sind Forderungen von den Unternehmen zur Absicherung der Kapitalrendite und zur Risikoverteilung auf dem Tisch, die uns nicht weiterführen und ich habe wenig Hoffnung, dass wir zu einer Einigung kommen."

    Erklärte der Verkehrsminister Tiefensee im Frühjahr dieses Jahres, als Deutschland die Ratspräsidentschaft innehatte und den Knoten durchschlagen sollte. Doch selbst ein Ultimatum nutzte wenig: Die Konzessionsverhandlungen scheiterten. Im Juni beschlossen die Staats- und Regierungschefs in Brüssel daraufhin, dass die EU-Kommission Alternativvorschläge zum weiteren Verfahren vorlegen soll. Ein von allen Seiten unterstütztes Finanzierungskonzept ist dabei jedoch nicht herausgekommen. Im Gegenteil: Vor dem Treffen der Finanzminister am kommenden Dienstag sieht es so aus, als seien die Gräben weiter unüberbrückbar. Die Kommission hält an ihrem Vorschlag fest. Er ist in seiner jetzigen Form im Rat aber nicht durchsetzungsfähig. So verfahren die Lage auf dem politischen Parkett in Brüssel - so rosarot erscheinen die wirtschaftlichen Perspektiven für Galileo - zumindest auf dem Papier. Der Satellitennavigation mit ihren unzähligen Folgeanwendungen gehört die Zukunft, meinen viele Experten. Je nach Studie könnten durch die geplanten 30 Satelliten bis zu 150.000 neue Jobs in Europa entstehen. Der aktuelle Umsatz von rund 20 Milliarden Euro in der Navigationstechnik dürfte in absehbarer Zeit explodieren, ist sich auch Hubert Reile sicher, der zuständige Direktor für Raumfahrt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt:

    "Wir wissen heute aus verschiedenen Berechnungen, dass wir mit Galileo in Europa einen Umsatz, einen zusätzlichen Umsatz haben werden von 300 bis 400 Milliarden Euro. Kosten wird uns das System in der gleichen Zeit, einschließlich Betriebskosten vielleicht bis zu zehn Milliarden Euro. Das heißt, es wird sich haushoch lohnen."

    Nicht zuletzt der Boom bei den mobilen Navigationsgeräten nährt diese Hoffnungen. Allerdings ist es eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Denn mit Galileo würde ein völlig neuer kommerzieller Markt entstehen, dessen Dynamik nicht absehbar ist. Das aber muss kein Nachteil sein, meint Christoph Grams, Experte für Galileo bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik:

    "Ich glaube, ein gutes Beispiel für eine Technologie, die sich ganz anders entwickelt hat als ursprünglich geglaubt, ist das Handy. Also ich glaube, wir haben bei der Einführung des Handy nicht gedacht, welche Größenordnung dieser Markt annehmen wird und welche Unternehmen wie zum Beispiel Nokia sich um dieses Produkt entwickeln werden, die heute eine Größe haben, die gigantisch ist. Insofern glaube ich, gibt es die Perspektive, dass Galileo wirtschaftlichen Nutzen haben wird. Ich glaube aber, wir stellen uns den so vor, wir er letztlich nicht eintreten wird."

    Und doch sind schon einige Konturen klar erkennbar. Das Grundsignal wird - ähnlich wie das heutige Angebot des amerikanischen Satellitensystems GPS - kostenlos sein, etwa für die Nutzung zur mobilen Navigation im Handy oder Auto. Daneben wird es viele kostenpflichtige Sonderanwendungen geben. Viele dieser Dienste sind noch gar nicht am Markt, aber einige Firmen wie etwa die Braunschweiger Etamax Space haben sich bereits positioniert. Holger Sdunnus, Geschäftsführer des Unternehmens, über das geplante Hochwasserfrühwarnsystem:

    "Die Kunden können mittels des Produkts G-Weel Wasserstandsdaten erfassen, sie an ihre Organisations-, Katastrophenstäbe weitergeben. Wo sie dann zur Situationsanalyse, beziehungsweise zur Vorhersage der Hochwassersituation genutzt werden können. Daraus können dann Warnmeldungen für Städte, für Flussregionen, für Anlieger von Wasserregionen generiert werden, um frühzeitig reagieren zu können."

    Etamax will dabei die weit aus präziseren Signale von Galileo nutzen. Zum Vergleich: Während GPS im vertikalen Bereich Abweichungen im zweistelligen Meterbereich aufweist, soll das Europäische System Unterschiede schon von wenigen Zentimetern erfassen. Ein enormer Wettbewerbsvorteil, meint DLR-Direktor Reile:

    "Mit dieser höheren Genauigkeit werden Dienste möglich sein, die bisher mit GPS nicht möglich sind. Ich bringe Ihnen mal ein Beispiel. Das ist noch ein bisschen in die Zukunft gerechnet, aber da arbeiten wir dran. Sie kennen die Navigationsgeräte im Auto - die funktionieren wie ein guter Beifahrer und sagen "nächstens rechts". Galileo aber wird genauer sein. Das wird so genau sein, dass es uns mit zusätzlichen Technologien auf der Erde, mit Fahrerassistenzsystemen irgendwann gelingt, Galileo ans Steuer zu lassen."

    Aber Galileo bietet noch einen anderen, wichtigen Vorzug: Es ist ein rein ziviles Projekt, das später auch von einer zivilen Betreibergesellschaft betreut werden soll. Ganz anders GPS. Hier haben die Militärs die alleinige Entscheidungsgewalt, denn das amerikanische Satellitensystem wurde ursprünglich allein für militärische Zwecke entwickelt. Und das hat Konsequenzen, meint Galileo-Experte Grams:

    "Es ist richtig, dass die USA GPS noch nie abgestellt haben. Das ist ja die strategische Befürchtung. Wir sind abhängig von einer solchen Technologie - auch in der Genauigkeit für unsere Warenströme - aber können nicht kontrollieren, dass dies Signal kommt und können nicht davon ausgehen, dass GPS, das ja ein rein militärisches System ist, nicht eben ausgestellt wird, wenn der Bedarf da ist. Was die USA schon mehrfach getan haben, sie haben es verunschärft. Und haben dann Signale ausgesendet, die dann um die hundert Meter unklar sind. Und das ist natürlich in vielen Anwendungsbereichen nicht akzeptabel."

    Was aber für die wirtschaftliche Anwendung gilt, lässt sich auch auf strategische Überlegungen übertragen. Wurde zunächst der militärische Nutzen von Galileo durch die Europäische Union eher tiefer gehängt, spielt dieser Aspekt zunehmend eine wichtigere Rolle. Dieser Sinneswandel dürfte mehrere Gründe haben: Zum einen suchen die Befürworter von Galileo nach zusätzlichen Argumenten, um das Projekt angesichts des anhaltenden Streits um die Finanzierung zu retten. Zumal das Militär dann auch für die Nutzung bezahlen müsste. Aber auch sicherheitspolitisch wird Aufklärung immer wichtiger - gleichzeitig sind immer mehr Waffensysteme inzwischen mit Satellitentechnik ausgerüstet. Doch die Planer hätten ohnehin vorgebaut, erklärt Hubert Reile vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt:

    "Europa kann sich sicherlich in den nächsten Jahrzehnten neben Galileo kein zweites militärisches Satellitennavigationssystem leisten. Das macht auch niemand in der Welt. Deswegen hat sich die Bundesregierung dafür entscheiden, dass wir im Galileo-System technisch die Voraussetzung dafür geschaffen haben, dass wenn Europa das System auch militärisch nutzen will, dass es dann auch militärisch genutzt werden kann. Und zwar genau so effizient, genau so geschützt wie das GPS der Amerikaner genutzt werden kann."

    Freilich, die Militärs können warten - die Unternehmen, die bereits Geld in die neuen Dienste mit Hilfe von Galileo investiert haben, können dies nicht. Insofern hat der unsichere Zeitplan für das europäische Satellitensystem längst Konsequenzen. Als neuen Starttermin hat die EU nun 2013 vorgegebenen, manche Industrievertreter halten 2015 für realistischer. Doch damit nicht genug: ab 2010 will Russland sein bestehendes Satellitensystem Glonass kommerziell öffnen, auch die Chinesen planen den Aufbau einer eigenen Anlage. Harte Konkurrenz für Galileo, das diesen Wettlauf im Zuge des Finanzierungs- und Standortstreits zwischen den EU-Mitgliedsstaaten zu verlieren droht. Dabei, so Christoph Grams von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sei die Grundsatzentscheidung mit dem Absprung des Industriekonsortiums eigentlich schon gefallen:

    "Die Frage ist eben: ist das ein reines Marktinstrument, über das wir hier sprechen. Oder ist es nicht eher eine Infrastruktur, wie Autobahn oder auch Telekommunikation. Und für eine Infrastruktur wird auch die öffentliche Hand Geld aufwenden müssen, weil sie sich auch die "Spill-over-Effekte" davon erwartet, die dann auf positive Art und Weise entstehen."

    Doch gerade angesichts der Interessenvielfalt innerhalb der EU steckt der Teufel im Detail. Eine Lösung ist deshalb wohl erst auf dem Dezembergipfel der Staats- und Regierungschefs zu erwarten. Das hat Verkehrskommissar Jacques Barrot bereits zu erkennen gegeben:

    "Wenn es noch Schwierigkeiten geben sollte, dann ist es selbstverständlich, dass die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Dezembergipfel die Sache abschließen und eine Entscheidung treffen werden. Insofern bleibt noch genügend Zeit, da einen angemessenen Weg zu finden."

    Eine vage Aussicht auf Erfolg. Und so bleibt bis auf weiteres völlig offen, ob Galileo am Ende jemals fliegen wird.