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Visionen für Stammzelltherapien auf dem Prüfstand

Medizin. - Die Parkinson'sche Krankheit wird oft als ein Musterbeispiel für eine Behandlung durch Stammzelltherapie genannt. Beim Morbus Parkinson gehen Nervenzellen zugrunde, die man durch frische Zellen ersetzen möchte. So lautet zumindest die mechanistische Vorstellung der Stammzellforscher. Doch mittlerweile wird deutlich, dass eine Stammzelltherapie so simpel wohl nicht funktionieren wird. Bei Tierversuchen etwa zeigt sich, dass der Zellersatz, selbst wenn er hilft, nicht so hilft wie erhofft. Auch Vordenker wie der Amerikaner Evan Snyder beginnen nun ihre Konzepte zu ändern.

Von Grit Kienzlen |
    Evan Snyder war einer der ersten, der an Stammzelltherapien geglaubt hat. Vor Jahren schon. Zerstörte Nervenzellen wollte er einfach neu pflanzen wie das Gras in einem umgepflügten Garten. Das Umdenken kam bei dem Wissenschaftler vom Burnham Institut in La Jolla bei San Diego durch ein Experiment mit Ratten, denen das Rückenmark durchtrennt worden war. Eine künstlich erzeugte Querschnittslähmung. Mit Nervenstammzellen von neugeborenen Mäusen, die sie an die verletzte Stelle spritzten, wollten die Forscher die Unterbrechung in der Nervenbahn überbrücken. Und tatsächlich lernten ihre Ratten wieder laufen.

    Wir haben diese Aktivität beobachtet und auch neue Nervenfasern gesehen, die die Verletzung überbrückten. Aber zu unserer Überraschung waren die neuen Nervenfasern nicht aus den injizierten Stammzellen entstanden. Die Stammzellen waren aber auch nicht abgestoßen worden. Sie erfüllten einfach eine andere Rolle.

    Diese Beobachtung zwang den Forscher, sein gesamtes Konzept zu überdenken.

    Wir mussten uns eine ganz neue Erklärung für die Heilung der Ratten zurechtlegen. Dabei ist mir klar geworden, dass die Stammzellen ein viel größeres Repertoire an Funktionen und Aktivitäten haben als ich je dachte.

    Offenbar unterstützten die Stammzellen den Heilungsprozess bei den Ratten und aktivierten mit Botenstoffen die schon vorhandenen Zellen damit sie die Verletzung überbrückten. Da liegt der Gedanke nahe, so einen Heilungsprozess direkt mit den Botenstoffen anzukurbeln. Doch Evan Snyder winkt ab.

    Das ist nur wieder so eine typische Idee von Forschern, die glauben schlauer zu sein als die Natur. Wir denken uns immer: Wir wissen, was die und die Substanz im Körper macht - dann verabreichen wir doch einfach die Substanz. Aber das ist eben nur ein Stoff, der eine bestimmte Rolle im Körper spielt. Die Natur hat ihn nicht erfunden, um Pharmakonzerne reich zu machen oder uns Forscher berühmt. Die Zelle produziert ihn wahrscheinlich mit einer inneren Logik. Sie stellt ihn nicht zu jedem Zeitpunkt her, sondern fein reguliert und abgestimmt auf bestimmte Schlüsselsituationen oder Signale. Wenn Sie diesen Stoff als Medikament geben wollen, müssen Sie genau verstehen, wann er von Natur aus im Körper wo und warum hergestellt wird. Vielleicht ist es da einfacher gleich die ganzen Zellen einzusetzen, die all das schon wissen und den Stoff selbst produzieren können mit ihrer inneren Logik.

    Es ist ein bisschen wie in der Ökologie, wo ebenfalls schwer abzuschätzen ist, welche Eingriffe was für Auswirkungen haben werden. Evan Snyder mahnt deshalb einen ganzheitlicheren Blick an: Wird bei einer Krankheit ein bestimmter Nerventyp zerstört, dann müssen vielleicht als erstes die Zellen ersetzt werden, die diesen Nerventyp normalerweise schützen, nicht die betroffenen Zellen selbst. Das Bild von der Stammzelltherapie als neu ausgesätem Rasen greift wohl zu kurz.

    Wir verstehen allmählich, dass dieser Rasen im Gehirn sehr komplex ist. Wenn wir den reparieren wollen, dürfen wir nicht nur eine Sorte Gras sähen, wir müssen die gesamte Pflanzengemeinschaft wieder herstellen.

    Die vor allem in Deutschland lange geführte Diskussion darum, ob embryonale Stammzellen in der Therapie besser oder viel versprechender sind als adulte Stammzellen, die im Körper jedes Erwachsenen existieren - diese Diskussion hält der Vordenker Evan Snyder für müßig.

    Es wird nicht die eine Technik geben, die wir bei einer Krankheit einsetzen, sondern es wird eine Kombination von Techniken und auch von verschiedenen Zelltypen in verschiedenen Entwicklungsstadien sein, mit der wir das Nervensystem wirklich reparieren können. Es wäre naiv zu glauben, dass ein Forscher oder eine Technik die Antwort auf unsere Probleme darstellen wird.