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Vista mit Verspätung

Vista heißt der Nachfolger des aktuellen Betriebssystems aus Redmond. Doch die Kunden müssen sich weiter gedulden, bis sie die nächste Evolutionsstufe auf ihren Rechnern einsetzen können, denn Microsoft verschiebt die Produkteinführung um ein Vierteljahr auf 2007.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering | 25.03.2006
    Manfred Kloiber: Herr Welchering, was sind die Gründe für die Verspätung von Vista?

    Peter Welchering: "Was die Verschiebung des Auslieferungstermins von Windows Vista an die Endkunden angeht, da hat sich ganz klar herauskristallisiert, dass Microsoft auf die teilweise erheblichen Proteste von Datenschützern und Anwendern reagieren musste. Denn die haben sich an zwei Dingen gestört: Zum einen daran, dass mit dem digitalen Rechtemanagement und der damit verbundenen Kontroll- und Überwachungssoftware von Vista so etwas wie ein gläserner Anwender geschaffen würde. Das heißt der PC-Nutzer könnte mit den Überwachungs- und Kontrollroutinen tatsächlich regelrecht ausspioniert werden. Das ging bis hin zu der Frage, wem eigentlich die so genannten Statusinformationen eines PCs gehören, also die Daten, die über den Betriebszustand Auskunft geben: Sind das persönliche Daten des Anwenders oder sind das Daten, die der Hersteller braucht, um ein einwandfreies Produkt ausliefern zu können? Und zum zweiten erschienen die Sicherheitsroutinen von Vista als so schwach, dass eben auch unbefugte Dritte an die Statusinformationen und somit an ganz persönliche Gebrauchsdaten des PC-Besitzers leicht herankommen können. Das hat nun dazu geführt, dass Microsoft hier in der Endkundenversion noch mal noch mal nachbessern will und deshalb den Auslieferungstermin um ein Vierteljahr nach hinten geschoben hat."

    Kloiber: Die Firmenkundenversion erscheint aber dennoch pünktlich in diesem Herbst. Wird die mit einem anderen digitalen Rechtemanagement ausgeliefert als die Endkundenversion, die ja noch überarbeitet werden soll?

    Welchering: "In der Firmenkundenversion von Windows Vista wird es genauso wie bei XP eine "Secure Computing Base"-Schnittstelle geben, auf die die firmeneigenen Kontrollroutinen, die unternehmensinterne Überwachungssoftware und die Zertifizierungsprozeduren im Unternehmen aufsetzen, wenn etwa CD-Lesegeräte, DVD-Brenner, USB-Schnittstellen, an die Speicher-Sticks angeschlossen werden können, und ähnliches zertifiziert werden soll. Insofern ändert sich hier bei der Vista-Version gegenüber der XP-Version nicht viel. Das ist eben bei der Endkundenversion völlig anders. Die Unternehmen entscheiden selbst, welches Digitale Rechtemanagement sie fahren wollen, dem Endkunden wird das digitale Rechtemanagement vom Betriebssystemhersteller vorgegeben. Außerdem gibt es hier noch einen netten lizenzrechtlichen Unterschied: Die Gebrauchsdaten der Computersysteme in Firmen, die mit einer Unternehmenslizenz ausgestattet sind, sind eindeutig Firmeneigentum und sogar Firmengeheimnis. Gebrauchsdaten der Endkunden sind möglicherweise Statusinformationen - und die gehören dann dem Betriebssystemhersteller."

    Kloiber: Warum ist denn die Frage so entscheidend, ob die Gebrauchsdaten des Computers beim Privatanwender persönliche Daten oder Statusinformationen sind?

    Welchering: "Bei Windows Vista ist die Registrierung von Hard- und Software via Internet vorgesehen. Ohne diese Registrierung lassen sich Peripheriegeräte wie DVD-Brenner oder Scanner gar nicht mehr installieren. Sogar der Anschluss einer Digitalkamera, um die selbst geknipsten Bilder auf den heimischen PC zu laden, erfordert dann die Registrierung der Digitalkamera. Das verschärft das Problem um die Rechte an den eigenen Daten. Denn im Zweifelsfall kann sich der PC-Nutzer die von ihm geknipsten Fotos erst dann auf seinem Bildschirm anschauen, wenn er vom Betriebssystemhersteller – bei Vista eben Microsoft - dafür ein Zertifikat erworben hat. Der Anwender keine Wahlmöglichkeit mehr. Er muss der Übermittlung von persönlichen Daten zustimmen und sie zulassen, um das Peripheriegerät wie etwa eine Digitalkamera oder einen Drucker überhaupt nutzen zu können. Das geht aber nur, wenn der Hersteller diese persönlichen Daten zu Statusinformationen des Systems erklärt, die er braucht, damit er sicher stellen kann, dass das System auch ordentlich funktioniert."

    Kloiber: Was sagt denn die EU-Datenschutzrichtlinie dazu?

    Welchering: "Wenn in den Lizenzbedingungen auf die Abfrage darauf hingewiesen wurde und dort auch steht, dass die Gebrauchsdaten als Statusinformationen dem Hersteller gehören, dann handeln die Hersteller vollkommen in Übereinstimmung mit der EU-Datenschutzrichtlinie. Denn die sieht nur vor, dass der Anwender über solche Datensammlungen und -übermittlungen informiert sein muss. Und tatsächlich findet sich in den ersten Beta-Versionen des neuen Microsoft-Betriebsystems ein Hinweis in den Lizenzbedingungen, dass die Eigentumsrechte an den Statusinformationen von Hardware oder Software beim Hersteller des Betriebsystems liegen. Klickt der Anwender einfach auf das Antwortfeld "Ich stimme zu" bei Inbetriebnahme des Computersystems, erteilt er damit Microsoft die Lizenz zur Spionage auf seinem Computersystem. Deshalb ist auch der Ruf nach einer Änderung der EU-Datenschutzrichtlinie vor allen Dingen im Vorfeld der Einführung von Windows Vista laut geworden. Darauf hat Microsoft übrigens auch reagiert. Am Mittwoch hat Microsoft im EU-Kartellverfahren, das ja auch immer noch anhängig ist, angeboten, dass allen Konkurrenten unbegrenzte und kostenlose Unterstützung angeboten würde, wenn die ihre Software mit Windows interoperabel machen wollten. Allerdings müsse Microsoft dann auch sicher sein können, dass die Regelungen bezüglich der Statusinformationen in der EU-Datenschutzrichtlinie weiterhin Bestand haben. Denn sonst könne man so umfassende Unterstützung der Konkurrenz natürlich nicht zusagen."

    Kloiber: Microsoft hat diese Woche auch eine Konzernumstrukturierung angekündigt. Wie hängt das denn mit der Vista-Verzögerung zusammen?

    Welchering: "Da hat Microsoft-Chef Steve Ballmer einfach die Gunst der Stunde genutzt. Er hatte schon länger vor, die so genannte "Platform and Services"-Abteilung umzubauen. Und jetzt konnte er mit dem Druck von Anwendern und Datenschützern auch intern durchsetzen, dass neue Zuständigkeiten her müssen, damit Microsoft auf die Forderungen nach Nachbesserung auch reagieren und sagen kann: Schaut mal, liebe Endkunden, wir haben ja sogar auf Grund eurer Kritik den Konzern restrukturiert. Ernst zu nehmen ist die Restrukturierung nur in einem Punkt. Steve Ballmer hat - woran er seit eineinhalb Jahren bastelt - endlich alle Windows-Entwicklungen mit den Online-Entwicklungen – "Live" genannt bei Microsoft - in eine strategische Abteilung legen können. Und das ist einfach Ausdruck der Strategie, dass die Software von Microsoft wie etwa das Office-Paket als Software "on demand" übers Internet angeboten werden soll und die Zahl der PC-Installationen in einigen Jahren ersetzt werden soll von gemieteter Software, mit der via Internet gearbeitet wird."