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Vitamine für die Blutwäsche

Medizin. - Diabetiker müssen bei ihrer Ernährung einiges beachten. Wenn sie obendrein noch zur Dialyse müssen, werden die Vorschriften geradezu quälend. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung konnte man auch noch keine wirklich praktikable Lösung präsentieren.

Von Volkart Wildermuth | 18.03.2011
    Die Nieren entgiften den Körper. Sie trennen die Abfallprodukte des Stoffwechsels aus dem Blut ab und entsorgen sie über den Urin. Versagen die Nieren, kann allein die regelmäßige Blutwäsche das Leben der Patienten erhalten. In Deutschland müssen etwa 80.000 Menschen drei Mal die Woche an die Dialysemaschine, bei der Hälfte von ihnen hat eine Zuckerkrankheit die Nieren dauerhaft geschädigt. Die natürliche Organfunktion kann die künstliche Niere aber nicht voll ersetzen. Zwischen den Behandlungen steigt deshalb nicht nur der Blutdruck. Es verschiebt sich auch die Bilanz der Mineralstoffe und es sammeln sich aggressive Sauerstoffverbindungen im Blut an. Problematisch ist das vor allem für Diabetiker, so Professor Hans-Hellmut Neumayer, Dialysefachmann an der Berliner Charité.

    "Diese Faktoren zusammen führen zu einem erhöhten, dramatisch erhöhten Arteriosklerose Risiko, was ursächlich ist für den frühen Tod dieser Patienten. Nach fünf Jahren sind etwa 50 Prozent dieser Patienten, wenn sie noch einen Diabetes als Begleiterkrankung haben, verstorben."

    Für alle Dialysepatienten ist es entscheidend, hier über die Ernährung gegenzusteuern. Sie dürfen nur wenig trinken, sollen wegen des Kaliumspiegels nur in Maßen Obst, Gemüse und Nüsse zu sich nehmen und bei Milch und Fleisch Zurückhaltung üben, um die Phosphatwerte niedrig zu halten. Diabetiker müssen zusätzlich die Kohlehydrate im Auge behalten. Vor allem aber dürfen Dialysepatienten nicht abnehmen. Neumayer:

    "Man weiß, dass etwas gewichtigere Patienten, sagen wir ruhig dickere Patienten an Dialyse länger leben können. Dann ist manchmal auch die Regel gut: iss, was Dir schmeckt."

    Denn selbst Diätexperten fällt es schwer, Dialysepatienten mit einer Zuckerkrankheit lebbare Vorschläge für ihre Ernährung zu geben. Entscheidend ist in jedem Fall eine gute Vitaminversorgung, denn Vitamine können einige der schädlichen Substanzen im Blut abfangen, so Florian Schweigert, Professor für Ernährungswissenschaften an der Universität Potsdam.

    "Bei einer eingeschränkten Nierenfunktion entstehen Substanzen, die sich im Blut anreichern, Harnstoff, und andere Substanzen, die eine hohe oxidative Belastung für den Körper darstellen. Und aufgrund dieser hohen oxidativen Belastung entwickeln sich daraus Folgen für den Körper, also Schädigungen von Proteinstrukturen, Schädigungen von Lipidstrukturen und das kann man auch nachweisen."

    Proteine und Lipide, das sind Fette, könnten durch bestimmte Vitamine geschützt werden. Fast alle Dialysepatienten erhalten deshalb Tabletten mit wasserlöslichen Vitaminen. Eine besondere Rolle scheint aber das fettlösliche Vitamin E zu spielen, wie Florian Schweigert gerade in einer großen Studie herausgefunden hat. Dabei hat er den Vitamin-E-Status von gut 1000 zuckerkranken Dialysepatienten gemessen und ihre Entwicklung dann über fünf Jahre verfolgt.

    "Wir haben gefunden, dass bei den Patienten, die zu Beginn der Studie die niedrigsten Werte an Vitamin E im Blut hatten, das Schlaganfallrisiko doppelt so hoch war, wie bei den Patienten, die einen guten Vitamin-E-Spiegel hatten. Die Frage ist, was macht man daraus?"

    Der Effekt ist zwar deutlich, die Interpretation aber schwierig. Es ist unklar, ob Vitamin E selbst eine Schutzwirkung hat oder ob ein hoher Spiegel vielleicht nur ein Anzeichen für einen anderen positiven Effekt darstellt. Sollte sich letzteres bestätigen, würde die Einnahme von Vitamin E Kapseln alleine wenig nützen. Vitamin E ist auch nicht ganz unproblematisch. In Studien an Rauchern zeigte sich, dass Vitamin E nicht etwa Lungenkrebs verhindert, sondern im Gegenteil das Risiko sogar leicht erhöht. Der Nierenarzt Hans Hellmut Neumayer bleibt beim Thema Vitamin E deshalb zurückhaltend.

    "Wir haben sozusagen auch ein Risiko mit dieser Behandlung und sollten zwingend kontrollierte Studien abwarten, die einen Benefit bestätigen."

    Genau solche Studien zum Nutzen einer Vitamin-E-Gabe für Dialysepatienten will der Ernährungswissenschaftler Florian Schweigert jetzt anstoßen.