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Viva Espana!

Kaum hatte im vergangenen Jahr die Frankfurter Buchmesse die spanische Autonomieregion Katalonien als Gast für 2007 eingeladen, brach der Streit los: Wer durfte sich eingeladen fühlen? Die Autoren und Verlage, die katalanisch - oder die, die spanisch schreiben und drucken? Nun geht der Autonomie-Streit in Katalonien in eine neue Runde.

Von Gregor Ziolkowski |
    Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass der Diktator Francisco Franco alle Ausprägungen regionaler Kultur und Sprache rigide unterdrückte. Zugunsten eines sozusagen großspanischen Kulturbegriffs hatten Katalanen, Basken und Galicier mit ihren Sprachen und Kulturen wenig zu bestellen. Insofern war der Begriff der "Normalisierung" ganz richtig gewählt, als mit der demokratischen Verfassung von 1978 sowohl die Zweisprachigkeit in diesen autonomen Regionen als auch die freie kulturelle Betätigung festgeschrieben wurden. In Katalonien hat man das mit einigem Übereifer praktiziert. Entstanden ist eine Situation, die der katalanische Theatermacher Albert Boadella, mit seiner legendären Kompagnie "Els Joglars" einst selbst ein Vorreiter beim Verbreiten katalanischer Kultur, ohne jede Hemmung mit den Zeiten der Franco-Diktatur gleichsetzt.

    " Zur Zeit Francos, insbesondere ab Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, konnte man in Spanien sehr gut leben, wenn man sich nicht mit Politik befasste. Genau so hat Franco das einmal formuliert: "Mischen Sie sich nicht in die Politik ein!" lautete eine seiner zynischen Empfehlungen. In Katalonien vollzieht sich derzeit genau das gleiche: Wenn du dich nicht mit den Regierenden anlegst, kannst du phantastisch leben. Und besonders gut lässt sich leben, wenn man im Sinne der nationalistischen Regierung agiert. Und die Kulturwelt im allgemeinen, die Theaterszene im speziellen, agieren im Sinne dieser Regierung. "

    Das ist nicht nur so dahingesprochen von einem Theatermacher, der seine jüngste Produktion, die er gerade in Barcelona aufführt, von einem regelrechten Publikumsboykott betroffen sieht. Könnte es sein, dass viele, die sonst gern gekommen wären und früher auch gekommen sind, sich jetzt nicht mehr trauen? Wie unlängst bekannt wurde, kaufte die seit Beginn der Demokratie regierende konservativ-nationalistische Regierung in Barcelona große Teile der Auflagen katalanischsprachiger Zeitungen auf, um den Blättern das Überleben zu sichern. Eine spezielle Behörde überprüft den Gebrauch der katalanischen Sprache im Alltag und stellt Bußgeldbescheide aus, wenn es ein Café etwa wagen sollte, sein Angebot nur in spanischer Sprache zu formulieren. Kürzlich wurde bekannt, dass diese Behörde - Datenschutz hin oder her - auch rund 1000 Krankenhausakten durchforstete, um zu prüfen, ob man sich dort nur ja des Katalanischen bediene. Und nicht wenig Unruhe riefen die soeben bekannt gewordenen Dossiers hervor, die diese katalanische Regierung über Journalisten anfertigen ließ und die festhielten, wie es der Betroffene mit der nationalistischen Gesinnung hält. Albert Boadella spricht von einem Virus, der die Katalanen befallen habe.

    " Das Problem mit diesem endogamen Virus in Katalonien - aber nicht nur in Katalonien, man kennt das ja auch aus anderen Landesteilen - ist, dass es keinerlei Kreativität freisetzt: keine künstlerische, keine soziale, keine wirtschaftliche. Das mag einigen gefallen, ich finde es lästig und eigentlich unerträglich. Für die Bürger Kataloniens ist es ein Schritt zurück, ich sehe darin eine tribalistische, fast feudalistische Nostalgie. "

    Die schleichend, aber zielstrebig betriebene Katalanisierung des öffentlichen Lebens hat ein Ausmaß angenommen, dass von Zweisprachigkeit zwar auf der Straße, nicht aber im offiziellen Geschehen die Rede sein kann. Geschichten wie die von den Eltern, die gegen die ausschließliche Verwendung des Katalanischen im Kindergarten protestieren, sind keine Einzelfälle. Dabei spricht die Wirklichkeit durchaus eine andere Sprache: die Zeitung mit der größten Auflage erscheint auf Spanisch, der in Katalonien meistgesehene Fernsehkanal sendet auf Spanisch, und als jetzt das dringend nötige Sanierungskonzept für das nationale spanische Fernsehen und Radio vorgelegt wurde, empfahlen die Sanierer die komplette Streichung der Welle Radio 4, die in Katalonien auf Katalanisch sendet. Die lapidare Begründung: das Programm erreiche ohnehin kaum Hörer. Ende des Jahres 2003 wurde das bis dahin in Katalonien regierende konservativ-nationalistische Bündnis "Convergencia y Unió" von einer linken Parteienkoalition abgelöst, in der die Sozialisten die stärkste Partei bilden. Wer da ein Umsteuern erwartet hatte, sah sich enttäuscht.

    " Irgendwer musste reagieren. Denn die, die in Katalonien hätten reagieren müssen, die Linke nämlich, die taten das nicht. Im Gegenteil, sie haben sich auf die andere, die nationalistische Seite geschlagen. Und so haben wir eine Plattform angeregt, die sehr bald zu einer politischen Partei werden wird. "

    Ein links orientiertes, nicht-nationalistisches Projekt mit dem Namen "Bürger Kataloniens" ist nun auf der politischen Bühne erschienen, der Prozess der Parteibildung soll bis Juni abgeschlossen sein. Schriftsteller wie Félix de Azúa und Arcadi Espada, Wissenschaftler wie Félix Ovejero und zahlreiche Künstler engagieren sich in der neu zu bildenden Partei - es sind jene, die zweifeln an einem provinziellen Nationalismus, der die kulturelle Vielfalt durch administrative Schikanen einzuschränken versucht.