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Vodafone: Rüttgers sieht Finanzplatz Deutschland in Gefahr

Friedbert Meurer: Sind die Steuertricks von Vodafone legal, aber unmoralisch? Was bedeuten sie für den Fiskus, können sie verhindert werden? Darüber möchte ich mich nun mit dem CDU-Landesvorsitzenden in Nordhrein-Westfalen und stellvertretenden CDU-Bundeschef Jürgen Rüttgers unterhalten. Schönen guten Morgen, Herr Rüttgers.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Jürgen Rüttgers: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Wie groß ist denn bei Ihnen der Ärger über die Absichten von Vodafone?

    Rüttgers: Ich weiß noch gar nicht, ob ich mich ärgern soll, denn was legal ist, das kann man einem Unternehmen nicht vorwerfen, aber das muss eben genau geklärt werden. Erstens: Ist das Ganze legal? Zweitens: Welche Auswirkungen hat das? Das wollen wir im Landtag vom Landesfinanzminister wissen, denn das hätte natürlich dramatische Auswirkungen auf die Finanzsituation speziell im Land Nordhrein-Westfalen. Wenn da in den nächsten Jahren bis zu 20 Milliarden Steuermindereinnahmen sein sollten - das ist jetzt eine vorsichtige Schätzung - dann hat das dramatische Auswirkungen auf die öffentlichen Kassen.

    Meurer: Wenn Sie sich nicht ärgern - finden Sie das Verhalten von Vodafone zwar bedauerlich, aber in Ordnung?

    Rüttgers: Das ist genau das, was wir ja noch nicht wissen. Wir haben ja eine Situation - und Herr Wagner hat ja gerade in seinem Bericht die Zahlen genannt - wo ursprünglich von einem umgerechneten Kurs von 353 Euro je Aktie im Jahr 2000 ausgegangen worden ist und plötzlich nur noch ein Wert von 200 Euro pro Aktie da war. Nun wissen wir alle, dass wir damals Kursverluste bei den Technologieaktien hatten. Das Problem im vorliegenden Fall scheint nur zu sein, dass dieser Wert von 200 Euro, der jetzt abgeschrieben werden soll, sich nicht an der Börse ermittelt hat, so dass man wüsste, ob das auf die Kursverluste zurückzuführen ist, sondern dass das in einem internen Buchverfahren von Vodafone - und das auch noch zwischen Luxemburg und Deutschland - ermittelt worden ist. Das heißt, wir haben keinen objektiven Bewertungspunkt, und insofern stellt sich natürlich die Frage, ob etwa der Kurs von 353 Euro, mit dem da gerechnet worden ist, nicht überhöht war.

    Meurer: Haben Sie den Verdacht, Herr Rüttgers, dass das alles ein ziemlich abgekartetes Spiel ist und Mannesmann und Vodafone schon von Anfang an, vor der Übernahme, diese steuerliche Seite auch bedacht und einkalkuliert haben?

    Rüttgers: Ich gehe mal davon aus, dass die Manager ihr Geld wert sind. Zumindest waren sie ja, wie wir ja auch aus dem Abfindungsprozess wissen, sehr sensibel, wenn es um Geld ging. Das heißt, man kann nicht ausschließen, dass solche Berechnungen schon damals bei der Übernahmeschlacht mit einkalkuliert worden sind, dass das vielleicht sogar Grundlage für die Übernahmemöglichkeit von Mannesmann an Vodafone war. Schauen Sie, dann sind wir in dem Bereich, wo zwischen legal auf der einen Seite und legitim auf der anderen Seite unterschieden werden muss. Ich will zuerst mal sagen - weil die Debatte jetzt seit einem Tag läuft - es ist nicht richtig, nach meiner festen Auffassung, jetzt politisch darüber nachzudenken, rückwirkend die Steuergesetze zu ändern. Wenn wir das machen, dann zerstören wir den Standort Deutschlands, dann wird auch der Finanzplatz Deutschland nicht mehr lange im vorderen Bereich mitspielen.

    Meurer: Aber, wenn Sie das ausschließen, würden Sie dann lieber dramatische Steuereinbußen für Nordhrein-Westfalen in Kauf nehmen?

    Rüttgers: Ja, das ist dann ein politisches Problem. Dann taucht die Frage auf, wer die Verantwortung dafür trägt, aber man kann ja niemandem vorwerfen, dass er die Steuergesetze, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gelten, für sich selber anwendet. Da muss sich jeder drauf verlassen können; jedes Unternehmen, aber auch jeder Privatmann. Soviel Vertrauen muss sein. Es kann nicht sein, dass die Politik rückwirkend einfach die Gesetze ändert, aber es bleibt dennoch der andere Fall. Der andere Fall ist nämlich, ob diese Situation bewusst herbeigeführt ist, und es bleibt die Frage, wer eigentlich die politische Verantwortung für eine solche Gesetzeslage trägt. Das, was die Bundesregierung in den letzten Stunden hat verlauten lassen, dass so etwas ab 2004 nicht mehr vorkommen könne, ist natürlich, mit Verlaub gesagt, als öffentliche Äußerung eine Unverschämtheit. Denn das löst den vorliegenden Fall nicht; da geht es um den Zeitraum 2000 und folgender, also nicht ab 2004.

    Meurer: Da sagt ja Rot-Grün: Umgekehrt hätte mal die Opposition früher der Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinn zugestimmt, dann hätten wir jetzt nicht das Problem.

    Rüttgers: Ja, ja, das ist so, wenn die über Geld reden, dann kommt immer so ein Unsinn heraus. Mindestbesteuerung wäre genau das Falsche. Das Richtige wäre handwerklich ordentliche Gesetze zu machen, und da fällt mir schon noch ein, dass es diese Bundesregierung war, die einmal ein Körperschaftssteuergesetz gemacht hat, wo der Staat mehr Körperschaftssteuer ausschütten musste, als er überhaupt eingenommen hat; ein in der Menschheitsgeschichte einmaliger Fall. Das zeigt, die können nicht mit Geld umgehen.

    Meurer: Unterstützen Sie nicht die Landesregierung und die Finanzbehörden in Nordhrein Westfalen darin den Antrag von Vodafone abzulehnen?

    Rüttgers: Es ist nicht Aufgabe von Politik so etwas zu entscheiden. Ich will jetzt von der Landesregierung wissen, erstens, wie weit die Rechtslage ist, zweitens, welche Einnahmeausfälle drohen. Denn die Zahl ist ja offiziell noch gar nicht bekannt. Die 20 Milliarden, von denen ich eben gesprochen habe, sind öffentliche Schätzungen von Steuerberatern und Leuten, die nicht dafür verantwortlich sind, so etwas zu ermitteln. Ich will eine klare Aussage, wer gegebenenfalls politisch dafür verantwortlich ist, denn dann müssen die Menschen im Land wissen, wenn sie Kürzungen treffen, worauf das beruht. Auch das noch mal gesagt, Herr Meurer, das ist nicht der erste Fall in den letzten Wochen und Monaten. Denken Sie auch an die WestLB, da sind mehr als vier Milliarden in zwei Jahren durch den Kamin gejagt worden, bloß, weil man nicht ordentlich mit Geld umgehen konnte.

    Meurer: Wie verheerend würde es sich auswirken, wenn es Vodafone gelingt, Milliarden Steuern zu sparen und die Finanzämter bei jedem Kleinbetrieb kräftig zulangen?

    Rüttgers: Das wäre für den Landeshaushalt schlicht eine Katastrophe. Wir werden im kommenden Jahr bei der Landtagswahl einen öffentlichen Schuldenstand in Nordhrein-Westfalen von 110 Milliarden haben, bei einem Gesamthaushalt von 48 Milliarden. Das zeigt, dass das Land pleite ist. Jeder private Unternehmer müsste sofort zum Konkursrichter. Das zeigt, dass, wenn jetzt da noch erhebliche Einnahmeausfälle sind, wird es nicht nur zu weiteren gravierenden, unfairen und ungerechten Einsparungen kommen, sondern dann stellt sich langsam die Frage, ob das Land noch zahlungsfähig ist.

    Meurer: Insgesamt betrachtet: Wäre es besser gewesen, es hätte die Elefantenhochzeit Mannesmann-Vodafone, die Übernahme, nie gegeben?

    Rüttgers: Ich glaube, dass es nicht die Frage ist, die sich Unternehmer in diesen Tagen stellen müssen. Es ist ja nicht nur bei Vodafone-Mannesmann. Wir haben ja gerade auch einen weiteren aktuellen Fall, wenn Sie etwa daran denken, dass es Pläne gibt, die Deutsche Bank ins Ausland zu verkaufen. Das sind Formen von politischem Handeln, die ich nicht nachvollziehen kann. Es kann nicht sein, dass wir als größtes Exportland dieser Welt - um einmal bei dem Fall Deutsche Bank zu bleiben - keine Bank mehr haben, die international tätig ist. Dass die Deutsche Bank demnächst einer Holding angehört, die in Luxemburg oder anderswo sitzt und damit natürlich auch nicht mehr die Bindungen an den Standort Deutschland hat, die wir heute haben. Ich finde, das ist ein Punkt, an dem die Bundesregierung sich kümmern muss. Ich finde, es kann nicht sein, dass - nachdem wir jetzt auch schon im Mittelstand Finanzierungsprobleme haben, dass der Risikokapitalmarkt nicht mehr so funktioniert, wie es vor einigen Jahren mal war - wir jetzt auch im Bereich der Großfinanzierungen auch den Finanzplatz Deutschland so aushöhlen, wie es mit einem solchen Plan verbunden wäre.

    Meurer: Das war der CDU-Landesvorsitzende von Nordhrein Westfalen, Jürgen Rüttgers, heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Rüttger, besten Dank und auf Wiederhören.