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Völkerkunde
Ethnologische Museen im Dilemma

Lange Zeit galten traditionelle Völkerkundemuseen als verstaubt und altmodisch. Das hat sich in den letzten Jahren geändert mit spektakulären und viel diskutierten neuen Konzepten wie das des Musée du Quai Branly in Paris, des Rautenstrauch-Joest-Museums in Köln oder des Berliner Humboldt-Forums. Trotzdem suchen ethnologische Museen noch nach ihrer Rolle im 21. Jahrhundert.

Von Barbara Weber | 25.06.2015
    Zwischen 1904 und 1908 ermordeten deutsche Truppen im heutigen Namibia etwa 90.000 Angehörige der Herero und Nama.
    "Wir hatten ja in Köln anlässlich des sich Jährens des 100-jährigen Genozids eine Ausstellung, die sich genau mit diesen namibisch-deutschen, deutsch-namibischen Beziehungen der geteilten Geschichte im doppelten Wortsinn beschäftigt hat."
    Dr. Clara Himmelheber, Leiterin der Afrika-Abteilung am Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln.
    "Aus deutscher Sicht geht es häufig darum, dass die Namibier Opfer waren, dass die Namibier, das haben wir dann in der Vorbereitung der damaligen Ausstellung gemerkt, überhaupt nicht als Opfer dargestellt werden wollen, die Herero sagen, wir leben ja noch. Das war eine ganz grässliche Zeit, aber wir haben sie überlebt und sind teilweise nicht geschlagen worden, sondern die Schlacht am Waterberg war etwas, was zum massenweisen Sterben von Herero geführt hat, aber es gab sehr viele Kämpfe, wo die Herero sehr erfolgreich waren in ihrer Strategie. Das wird häufig unterschlagen. Ich glaube eher, sowas muss man in Ausstellungen herausstellen."
    Diese Ausstellung in Köln war ein Beispiel für das geänderte Selbstverständnis ethnologischer Museen. Zentraler Punkt: Die Menschen der fernen Länder, die vorgestellt werden, müssen selber mehr zu Wort kommen. Darüber werden inzwischen intensive Debatten geführt, die auch den Umgang mit den Ausstellungsobjekten betreffen.
    "Wie sollten wir mit den Objekten und ihrer Herkunft umgehen? Wer ist überhaupt deren legitimer Besitzer und selbst wenn Deutschland einmal der legitime Besitzer war, wie gehen wir jetzt damit um?"
    Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagen Stiftung, griff in seiner Eröffnungsrede gleich einige Fragen auf, die die Tagungsteilnehmer beschäftigten. Einfach sind die Antworten darauf nicht, so Prof. Sophie Lenski, Juristin an der Universität Konstanz:
    "Die meisten Objekte ethnologischer Sammlungen resultieren aus einer Zeit, in der die juristischen und moralischen Umstände andere waren. Und selbst wenn zweifelsfrei feststeht, dass ein Objekt während der Kolonialzeit gestohlen wurde, gestaltet sich die Rückgabe häufig schwierig."
    Auch stelle sich die Frage, an wen die Objekte zurückgegeben werden sollen, so Prof. Wiebke Ahrndt, Direktorin des Übersee-Museums in Bremen. Nicht immer sind die jetzigen Bewohner eines Landes identisch mit denjenigen, von denen die Objekte stammen.
    Neben der Rückgabe zweifelhafter Objekte erschließt sich eine weitere Möglichkeit, die der Kooperation, so Limba Mupetami. Die Journalistin aus Windhoek in Namibia arbeitet in dem Projekt Africa Accessioned.
    "We are doing research to try to find out ethnological collections which are in four European countries which are Germany, UK, Sweden and Finland. In Africa are Simbabwe, Namibia, Sambia and Bodswana."
    Und Clara Himmelheber ergänzt:
    "Man kann Wissen austauschen, vielleicht auch mal Objekte austauschen und vielleicht auch gemeinsame Projekte initiieren. Und ich fand spannend, dass die Initiative von Afrika ausging."
    Ein weiteres Thema der Tagung - zurzeit in der Öffentlichkeit heiß diskutiert - ist das Humboldt Forum. Dr. Wilhelm Krull griff in seiner Eröffnungsrede die Diskussion um das Humboldt-Forum und die geplante Verlagerung der ethnologischen Sammlung von Berlin Dahlem auf das rekonstruierte Schloss auf.
    "Why do objects, which were acquired, taken if not stolen in the colonial period, have to be presented in this kind of buildings?"
    Dieser Entschluss, so Prof. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, wurde bewusst mit überwältigender Mehrheit und Unterstützung seiner Vorgänger 2002 gefasst, um das rekonstruierte Schloss zu nutzen für den Dialog der Kulturen. Was das Konzept anbelangt meint Hermann Parzinger:
    "Man wird so eine Reise durch die Welt machen, aber dann sehr schnell in Themen abtauchen, und für uns sind ganz wichtig, Themen, die Kontinente verknüpfen, transkontinentale Module, Sklavenhandel, Bevölkerungsgruppen, die aus Afrika nach Lateinamerika verpflanzt werden und wie das dort weitergeht. Nimmt man nur die Seidenstraße, das war eine der frühesten globalisierten Welten. Das sind auch solche Themen, wo man die Welt in ihrer ganzen Komplexität ganz gut erklären kann."
    Die Rolle der ethnologischen Museen im 21.Jahrhundert ist eine andere, als die des alten Völkerkundemuseums. Sie müssen sich öffnen. Sie müssen mit den Herkunftsländern zusammenarbeiten, die Geschichte ihrer Objekte erforschen aber auch Objekte zurückgeben. Hermann Parzinger:
    "Und wir müssen einfach schauen, und das wird auch zentrale Aufgabe im Humboldt Forum sein, den Menschen in Deutschland und in Europa klarzumachen, das ist nicht ein Völkerkundemuseum, wo ich nicht irgendwelche hübschen Schnitzereien aus irgendwo sehe, sondern es ist Weltkunst, es ist Weltkultur und ihnen klarmachen, in welche Prozesse ist das eingebunden gewesen. Wie waren kulturelle, soziale Entwicklungen. Wie hat der Mensch sich mit seiner Umwelt auseinandergesetzt. Und ich glaube, wenn man das tut, könnte es sehr, sehr spannend sein. Aber die Träger der Museen müssen die Museen auch in die Lage versetzen, das muss man schon dazu sagen, nicht jedes ethnologische oder Völkerkundemuseum in Deutschland hat diese Möglichkeiten, mehr aus sich zu machen. Alles hängt letztendlich wieder am Geld."