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Vogelgrippe in Europa

Während der deutsche Bundeslandwirtschaftminister Horst Seehofer der Vogelgrippe mit mehr Bundeskompetenz begegnen will, gibt es Stimmen, die nach noch Höherem rufen. Schließlich ist die Vogelgrippe ein grenzübergreifendes Problem, so soll auch die EU die Seuchebekämpfung koordinieren. Ob das sinnvoll ist, darüber hat der FAZ-Korrespondent Hendrik Kafsack in unserer Europa-Kolumne nachgedacht.

    Dass die Vogelgrippe nach Europa kommen würde, war allen klar. Viren, zumal solche, die von Zugvögeln mit- und übertragen werden, lassen sich eben nicht von Grenzen abhalten. Die einzige Frage war, wann der erste Fall auftreten würde – und ob Brüssel darauf vorbereitet sein würde. Wer sich an die BSE-Krise erinnerte, hatte Anlass zur Sorge. Es dauerte lange, bis die EU damals aus der Starre erwachte und handelte. Jetzt aber will sie sich offenbar nicht nachsagen lassen, zu spät und zu langsam auf die Vogelgrippe reagiert zu haben. Im Sommer 2005 hat sich die Europäische Kommission erstmals mit den EU-Staaten getroffen, um über die Gefahren zu reden. Kommissar Markos Kyprianou hat keine Gelegenheit seitdem ausgelassen, die Staaten zu drängen, Geld für die Forschung und die im Falle des Falles benötigten Medikamente auszugeben. Im Januar stellte Brüssel zudem zwei Millionen Euro aus dem EU-Haushalt für die Untersuchung toter Vögel bereit.

    Seit der erste infizierte Schwan in Europa gefunden wurde und in Frankreich Puten an der Tierseuche erkrankten, hält sich die EU dennoch zurück. Sie hat eine Medienkampagne beschlossen, um die Menschen über die Gefahren für sie und die Ansteckungswege aufzuklären. Zudem hat sie den betroffenen Landwirte Hilfen versprochen. Mehr nicht – und das ist auch richtig so. Brüssel hat im Vorfeld getan, was getan werden musste. Das bedeutet aber nicht, dass es auch nun alles koordinieren muss. Die Verantwortung für die Gesundheit der Menschen liegt bei den Staaten. Brüssel kann und muss nicht kontrollieren, ob die Behörden auf Rügen Müllbeutel zum Sammeln toter Vögel haben. Brüssel kann nicht verhindern, dass ein Tierheim in Graz trotz aller Warnungen einen infizierten Schwan aufnimmt, der alle Vögel im Heim ansteckt. Das, wie auch die Einrichtung von Schutzzonen, sollten allenfalls, wie es Agrarminister Horst Seehofer fordert, die Hauptstädte übernehmen.

    Genauso wenig muss Brüssel vorgeben, wie man auf die Vogelgrippe reagiert, zumal es den einen richtigen Weg beim Kampf gegen das Virus nicht gibt, wie die Erfahrung in Asien zeigt. Vietnam und Thailand sind der Grippe inzwischen Herr geworden, auf völlig verschiedene Weise. Vietnam startete wie Frankreich und die Niederlande ein Massenimpfungsprogramm für Geflügel. Thailand hat, wie es Deutschland vorzieht, das Impfen verboten, auch weil das Virus dann bei Proben nicht mehr entdeckt wird. Stattdessen hat es rund 30 Millionen Tiere getötet und Helfer ausgebildet, die nun die Menschen im Umgang mit der Tierseuche schulen. Wenn Europa von beiden lernen kann, dann eines: Entscheidend ist, entschlossen vorzugehen.

    Es genügt, wenn die Staaten das tun. Sie sind dazu auch durchaus in der Lage. Entschlossenheit auf EU-Ebene ist erst nötig, falls das Virus – so unwahrscheinlich das ist – mutiert und direkt von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Dann nämlich könnten zumindest die kleinen EU-Staaten alleine im Kampf gegen die Seuche überfordert sein.