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Vogelschützer kippen Beginn der Jagdsaison in Frankreich

Seit drei Jahren ist die Festlegung der Jagdtermine jedesmal ein zäher Kampf. Die Jäger erwarteten diesmal von der rechten Regierung Entgegenkommen. Schließlich hat die Ministerin für Ökologie und nachhaltige Entwicklung, Roselyne Bachelot-Narquin, schon den jagdfreien Mittwoch abgeschafft, den ihre grüne Amtsvorgängerin Dominique Voynet eingeführt hatte. Doch dann kam alles anders: Das höchste Verwaltungsgericht kippte den geplanten Jagdauftakt am 9. beziehungsweise 30. August. Der Verein zum Schutz wildlebender Tiere berief sich mit seinem Einspruch auf die europäische Vogelschutzrichtlinie, aber auch auf die Rechtsprechung in Frankreich und anderen europäischen Ländern. Vereinbar mit europäischem Recht sei ein Jagdbeginn für Wasservögel erst ab dem 1. Oktober. Auch die in Frankreich sehr viel bekanntere Vogelschutzliga hält dieses Datum für besser und freut sich über den Erfolg der Kollegen. Doch man solle nicht zu viel auf einmal verlangen, meint ihr Pressesprecher Philippe Dubois, immerhin durfte die Jagd noch vor wenigen Jahren schon am 14. Juli beginnen und konnte bis Ende Februar betrieben werden. Die Jagdsaison 2002 sei für die Jäger an den Küsten und Binnengewässern die kürzeste Saison ihrer Geschichte gewesen, wetterte der Präsident des Jagdverbandes der Somme-Bucht in der Picardie vor einigen Wochen auf der Vollversammlung. Und der dortige Regionalpolitiker und leidenschaftliche Jäger Nicolas Lottin beklagt:

Von Beate Weides |
    Die Antijagd-Vereine in diesem Land haben nichts dagegen, dass wir jagen, aber erst, wenn die Vögel schon weggeflogen sind, und wir sollen aufhören zu jagen, bevor die Vögel zurückgekommen sind. Man braucht doch nur in der Somme-Bucht spazieren zu gehen. Wir wissen das doch seit Generationen, unsere Eltern, Großeltern, Urgroßeltern. Die Daten für die Jagdsaison wurden von Leuten festgelegt, die einfach die Natur beobachtet haben. Man jagte die Vögel, wenn sie da waren, wenn sie nicht mehr da waren, jagte man eben nicht. Und wenn sie brüteten, ließ man sie in Ruhe.

    Von den 1,4 Millionen Jägern in Frankreich macht nur jeder vierte Jagd auf Enten und Zugvögel, aber diese Jäger sind am radikalsten. Eine ihrer Hochburgen ist die Bucht der Somme südwestlich von Boulogne am Ärmelkanal. In der fünf Kilometer breiten Bucht weicht das Wasser bei Ebbe 14 Kilometer zurück. 2600 Jäger sind in der Bucht selbst oder in den umliegenden Feuchtgebieten registriert, die Jagd ist hier nicht nur seit 200 Jahren ein Volkssport der ansässigen Fischer, sondern seit der Nachkriegszeit auch ein Tourismuszweig, denn viele Jäger reisen aus anderen Landstrichen Frankreichs an, und das unabhängig von den üblichen Ferienterminen. In der Bucht bauen sich die Jäger so genannte schwimmende Hütten. Diese sind mit Ketten im Grund befestigt und steigen mit der Flut an die Wasseroberfläche. Die Männer verbringen dort viele Nächte und schießen auf Pfeif- und Stockenten, auf Graugänse, aber auch auf einige Arten von Wattvögeln. Von den gejagten Arten untersteht eine sogar der strengsten europäischen Schutzkategorie, das ist der Kampfläufer. Andere gehörten auch besser geschützt, meint der ortsansässige Ornithologe Philippe Caruette:

    Man muss die Bestände europaweit betrachten. Und da stellen wir fest, dass es Arten gibt, die gegenwärtig seltener werden. Das ist der Fall – in der Phase des Nestbaus - bei der Knäkente, bei der Uferschnepfe und beim Kiebitz, und zwar bedingt durch die veränderten landwirtschaftlichen Arbeitsmethoden .

    Eine Million Kiebitze werden jährlich in Frankreich getötet, in anderen Ländern dürfen sie fast gar nicht mehr gejagt werden. Skandinavische Länder geben viel Geld aus, um gute Nistbedingungen für Pfeifenten zu schaffen, in Frankreich werden sie abgeschossen. Die Jäger in der Somme-Bucht verteidigen die Jagd mit Vehemenz, für sie ist sie ein kulturelles Erbe, ja fast eine Lebensart und kein Privatvergnügen. Sie führen ein Argument an, das auch Patrick Triplet, der Direktor des Naturreservats Somme-Bucht, gelten lässt:

    Aber man darf vor allem nicht vergessen, dass die Jäger auch einen Beitrag leisten, um die Feuchtgebiete rings um die Bucht zu erhalten, die für eine Reihe von Vögeln ganz wichtig sind.

    Denn in der Vergangenheit haben die Jäger auch verhindert, dass ein Gezeitenkraftwerk und große Hotelkomplexe in ihrem Naturparadies gebaut wurden. Die nun erst einmal auf unbestimmte Zeit hinausgeschobene Jagdsaison macht dem Ornithologen Philippe Caruette allerdings große Sorgen. Ein schlechter Termin sei immer noch besser als gar keiner, meint Caruette. Er fürchtet nämlich, dass viele Jäger sich jetzt nicht mehr von ihrem Hobby abhalten lassen und ahnungslos tun, wenn sie bei der Jagd erwischt werden.